Landkreis Kulmbach: Bevölkerung rückläufig

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Wie machen die das bloß? Himmelkron gewinnt Einwohner statt sie zu verlieren. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Wir werden immer weniger: Derzeit leben rund 72.300 Menschen im Landkreis Kulmbach. Vor zehn Jahren waren es noch 6,4 Prozent mehr. Welche Strategien haben der Landkreis und die Kommunen dagegen?

 
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Denn Fakt ist: Wenn die Bevölkerung rückläufig ist, hat dies weitreichende Folgen. Für Schulen, Arbeitsplätze, das Wohnungsangebot und die Altersvorsorge. Im Landratsamt sind mehrere Abteilungen mit der Frage der Einwohnerentwicklung befasst. Über 100 Einzelprojekte wurde seit dem Demografiegespräch vor zwei Jahren angekündigt. Konkret messbare Ergebnisse gibt es jedoch noch nicht. "Die Beschäftigung entwickelt sich dynamisch und die Zahl der Arbeitsplätze ging in den vergangenen Jahren nach oben", sagt Michael Beck von der Wirtschaftsoffensive Kulmbach. Zudem sei die Breitbandversorgung ein wichtiger Standortfaktor: Für deren Ausbau gebe der Landkreis 17 Millionen Euro aus. Beck sagt: "Unser Hauptproblem ist die Überalterung."

Fünfzig das neue Durchschnittsalter

Das Landesamt für Statistik hat den demografischen Wandel in Zahlen gemessen. Wenn mehr Menschen sterben, als geboren werden. Wenn mehr Menschen wegziehen als zuziehen, dann geht die Einwohnerzahl zurück. Leichte Zugewinne gibt es höchstens durch den Zuzug von Ausländern. Der amtliche Demografiespiegel geht für den Zeitraum von 2014 bis 2034 von einem Rückgang der oberfränkischen Bevölkerung um sechs Prozent aus. Lag das Durschnittsalter 2014 noch bei 46,2 Jahren, beträgt es 2034 im Landkreis genau 50 Jahre. Gut ein Drittel der Bürger wird dann über 65 oder älter sein.

Marktschorgast schrumpft

Die Statistiker sagen für den Landkreis Kulmbach vorher: 2034 leben dort nur noch 64.800 Menschen (minus 10,4 Prozent). Kleinere Gemeinden wie Grafengehaig, Guttenberg, Presseck, Ködnitz und Harsdorf würden bis 2028 eine Anzahl von Bürgern im zweistelligen Bereich verlieren. Aber auch Marktschorgast würde schrumpfen: Von 1417 auf 1150 Einwohner. Oder Trebgast: Von 1603 auf 1370 Einwohner. Den geringsten Rückgang hätte Himmelkron: Statt 3490 Menschen würden dort immer noch 3400 leben.

Verkehrsgünstige Lage und örtliche Arbeitsplätze

Der Bürgermeister von Himmelkron, Gerhard Schneider, müsste sich also keine Sorgen machen. Er sagt aber: "Das was unsere Kommunen fordert, geht uns alle an. Anders ausgedrückt: In einem Meer von Ertrinkenden der einzige Überlebende zu sein, macht auch keine Freude." Für Himmelkron spreche die gute Infrastruktur, von der Kinderbetreuung, über Einkaufsmöglichkeiten, bis zur verkehrsgünstigen Lage und dem örtlichen Arbeitsplatzangebot.

Neubauten: In zehn Jahren kaum Wertverlust

Im Baugebiet Weismaintal, rund zwölf Hektar groß, sind Schneider zufolge von 120 Bauplätze nahezu alle belegt. "Die Menschen, die zu uns kommen, haben eine große Erwartungshaltung", weiß Schneider. "Sie lassen sich fest nieder und arbeiten ein Leben lang, für das, was sie sich hier aufbauen." Einer Studie zufolge verliere ein neu gebautes Wohnhaus in Himmelkron auf zehn Jahre gesehen kaum an Wert. Auf der anderen Seite habe auch Himmelkron mit Leerständen zu kämpfen. Grundstücke aufkaufen kann jede Gemeinden nur in einem bestimmten Umfang. "Aber innerorts sollten keiner nur noch Ruinen stehen lassen", sagt Schneider. Doch oftmals stehen die Häuser unter Denkmalschutz oder die Eigentümer wollen nicht verkaufen.

Zu viele junge und alte Menschen ziehen weg

Das Problem kennt auch die Nachbargemeinde. Marktschorgasts Bürgermeister Hans Tischhöfer sagt über die Einwohnerverluste: "Die Zahlen sind für uns nicht befriedigend."  Menschen aus den Aussiedlerwohnheimen ziehen weg, junge Leute gehen für Ausbildung und Beruf in die Großstädte, Senioren lassen sich woanders betreuen, weil es kein Altenpflegeheim im Ort gibt. Über das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) versuche die Gemeinde jetzt gegenzusteuern. So fehlten zum Beispiel modernen Wohnraum und alternative Wohnformen. "Wir brauchen günstigen Wohnraum für diejenigen, die aus der Großstadt zurückkommen", sagt Tischhöfer. Die Gemeindewohnungn seien alle belegt, Bauplätze wären vorhanden, Familien bekommen Baukindergeld. Trotz Goldbergsee, Arbeitsplätzen, Autobahnanbindung und Zugverkehr nach Nürnberg habe es die Gemeinde noch nicht geschafft, die Abwanderung zu stoppen.

Bahnanschluss, aber keine Wohnungen

In Trebgast fehlt ebenfalls Wohnraum - Mietwohnungen, barrierefreie Wohnungen oder Tagespflegeeinrichtungen. "Bauplätzen sind aufgrund der topografischen Lage nur begrenzt vorhanden", stellt Bürgermeister Werner Diersch fest. Obwohl Trebgast als Wohnort viel zu bieten habe wie den Badesee, die Naturbühne und einen Bahnhaltepunkt. "Wir haben zuletzt mehr an die jungen Familien gedacht und in die Kinderbetreuung investiert. Das war uns wichtiger als an die Senioren zu denken." Leerstände hat Trebgast nicht. Aber um Einkaufen zu können, müssen die Menschen nach Neuenmarkt oder Himmelkron fahren. Diersch hält das für machbar, weil die Gemeinde sowieso eine Auspendlerquote von 98 Prozent habe. Mobilität ermögliche der Bahnanschluss, wobei Diersch für einen Beitritt zum Verkehrsverbund Nürnberg wirbt. "Beim VGN müssen wir über den Tag hinausdenken. Wir dürfen das nicht unseren Enkeln überlassen."

Kulmbach: Flüchtlinge und mehr Geburten

Die Stadt Kulmbach scheint vom demografischen Wandel weniger betroffen zu sein als der ländliche Raum. 2016 ist die Einwohnerzahl nach Angaben der Stadt erstmals seit zehn Jahren stabil und sogar leicht gestiegen. Oberbürgermeister Henry Schramm stellt dazu fest: „Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Erstmals seit vielen Jahren haben wir ein Plus bei der Zahl der Bürger stehen. Bedingt durch den Zuzug von Flüchtlingen – aber auch aufgrund einer höheren Geburtenrate.“ Der Kulmbacher Oberbürgermeister ist überzeugt: „Kinder sind das Beste, was einer Kommune passieren kann." Daher investiere die Stadt Millionen in Schulen, Kindertagesstätten und Kindergärten. "Wir weisen günstiges Bauland aus und versuchen, unsere heimischen Unternehmen zu stärken und Arbeitsplätze nach Kulmbach zu verlagern. Ein Beispiel ist hier die Behördenverlagerung mit der Erweiterung des Kompetenzzentrums für Ernährung sowie einer Lebensmittelbehörde – das bringt qualifizierte Arbeitsplätze und Familien in unsere Stadt. Mit dem Projekt Medizin-Campus wollen wir darüber hinaus junge Leute nach Kulmbach holen. Wenn uns das gelingt, könnte uns das unserer Stadt einen Schub geben.“


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