Herzsportgruppe ohne Arzt

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Der ärztliche Leiter Dr. Helmut Schulte der Herzsportgruppe des TSV Neudrossenfeld sucht einen Nachfolger. Doch bisher waren alle seine Anfragen bei Kollegen vergeblich. Ein Problem, das bundesweit besteht. Foto: Archiv/Gabi Schnetter Foto: red

Sie haben eine Herzerkrankung und mindestens ein Krankenhausaufenthalt liegt hinter ihnen. Trotzdem machen alle begeistert Sport. Doch nun droht der Koronarsportgruppe in Neudrossenfeld das Ende.

 
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Denn der betreuende Arzt, Helmut Schulte, würde sich gerne langsam zurückziehen. Der 72-Jährige war von Dr. Franz Klatt, dem Gründer der seit 2001 bestehenden Gruppe, mit ins Boot geholt worden. Inzwischen wünscht sich Schulte, etwas kürzer zu treten. Daher sucht er seit längerem nach einem Nachfolger. Oder zumindest nach einem Vertreter, der ihn entlastet. "Ich trage mich mit dem Gedanken, zumindest die ärztliche Tätigkeit allmählich aufzugeben", sagt der mittlerweile nach Bayreuth verzogene Arzt. Er habe ein Alter erreicht, indem er sich von den eigenen Kräften und vom Ausbildungsstand den Anforderungen immer weniger gewachsen fühle. "Zumal ich mich seit einigen Jahren allein vor die Aufgabe gestellt sehe."

Kollegen reagieren nicht auf Anfragen

Aber bisher liefen alle seine Anfragen an ihm bekannte Ärzte ins Leere. "Ich habe zirka dreißig Kollegen angesprochen", sagt Schulte gegenüber dem Kurier. Doch die Reaktion sei gleich Null gewesen. Dabei fällt der Koronarsport, der ein Mal in der Woche von 19 bis 20 Uhr in der Dreifachsporthalle stattfindet, in den Schulferien sowieso aus. Wenn Schulte Urlaub macht, kann sich die Gruppe mit durchschnittlich 14 Teilnehmern im Alter von 50 bis 80 Jahren nicht treffen.

14 Jahre im Dienst, zuletzt alleine

Der Mediziner betreut die Herzsportgruppe, die vom TSV Neudrossenfeld angeboten wird, seit gut vierzehn Jahren. Dabei handelt es sich um ein therapeutisches Angebot für Männer und Frauen mit einer Herzschwäche, Verkalkungen der Herzkranzgefäße, Bluthochdruck und für Patienten, die einen Herzinfarkt oder eine Herzoperation hatten. Der Koronarsport dient der medizinischen Rehabilitation. Die Krankenkassen und die Rentenversicherung unterstützen das Modell finanziell. Der Arzt erhält 31 Euro in der Stunde. Die Zahlung der Landesarbeitsgemeinschaft für Reha-Sport sei gar nicht so schlecht, findet Schulte, der seinen "Verdienst" jedoch als Spende an den TSV weiterreicht.

Gutes Miteinander in der Herzsportgruppe

Dem langjährigen Arzt ist anzumerken, dass er die Gruppe trotz der schwierigen Situation nicht im Stich lassen will. "Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist sehr ausgeprägt und mir persönlich tut die Teilnahme an den Übungsstunden selbst gut." Denn er sei nicht nur der Ärztliche Leiter, sondern selbst betroffen. Eine speziell ausgebildete Übungsleiterin begleitet die Sportstunde zusätzlich. Aber sie darf die Gymnastik, die Ballspiele, die Bewegungseinheiten und Entspannungsübungen nicht alleine anleiten. "Ich muss dabei sein, um das Ganze zu überwachen und im Notfall als Notarzt zur Verfügung zu stehen. Ohne Arzt keine Übungsstunde!"

Rahmenvereinbarung definiert Rolle des Arztes

Der Grund: Eine Rahmenvereinbarung, die von den Kostenträgern mit mehreren Partnern geschlossen wurde. "Darin ist die Rolle des Arztes klar definiert." So erklärt es Dr. Petra Pfaffel, Geschäftsführerin der Landes-Arbeitsgemeinschaft für kardiologische Prävention und Rehabilitation in Bayern, kurz Herz-LAG Bayern. Aus dem Papier gehe hervor, warum es nicht ausreiche, zum Beispiel einen Sanitäter mit Erste-Hilfe-Ausbildung einzusetzen. Damit nach einer ärztlichen Verordnung die Kosten für den Reha-Sport übernommen werden, gelten ganz klare Regeln. Weil die sportliche Belastung auf den Herz-Kreislauf-Zustand jedes einzelnen abgestimmt sein muss. "Dem Arzt kommt dabei eine wichtige beratende Funktion zu", sagt Pfaffel. "Er kann beurteilen, welche Therapie sinnvoll und wann jemand überfordert ist." Daher sei eine "engmaschige Betreuung" unverzichtbar.

Notstand bei den Herzsportgruppen

Gleichwohl ist ihr bewusst, wie wenig zeitliche Ressourcen praktizierende Ärzte haben. "Der Notstand bei den Herzsportgruppen ist bekannt und betrifft ganz Deutschland", weiß Pfaffel. Eventuell könne eine höhere Vergütung mehr Ärzte dazu bewegen, eine Herzsportgruppe zu übernehmen. Die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) habe vor, dazu eine Arbeitsgruppe zu bilden. "Wir bräuchten alternative Lösungen, die therapeutisch genauso gut sind", sagt Pfaffel und hofft, dass im Laufe des Jahres noch etwas passiert.

"Mir würde etwas fehlen"

Der Abteilungsleiter der Herzsportgruppe, Karl-Heinz Schirmer, ist an einer baldigen Lösung des Problems stark interessiert. "Es wäre schade um das Angebot und ich würde es sehr bedauern, wenn wir es nicht mehr hätte", sagt Schirmer. "Mir würde etwas fehlen, und das geht sicherlich nicht nur mir alleine so." Viele bräuchten einen Anstoß, um wieder Sport zu machen. Alleine würde sich die meisten eine sportliche Betätigung nicht mehr zutrauen. "In der Gruppe, und wenn ich weiß, dass ein Arzt dabei ist, fällt es einfach leichter." Dort wird vorher zudem der Blutdruck kontrolliert und auch immer wieder der Puls gemessen.

"Für die Gesundheit enorm wichtig"

"Für die Gesundheit ist es enorm wichtig, an so einer Gruppe teilzunehmen", sagt Schulte. Zumal sie Leute aus dem Umkreis von zehn Kilometern anziehe. Sie müssten dann nicht extra nach Bindlach, Eckersdorf, Kulmbach oder Bayreuth fahren. Die Übungen seien spielerisch und sollen keinen überfordern: "Wir wollen vor allem Spaß dabei haben." Damit das so bleibt, braucht Schulte allerdings Unterstützung. So schnell wie möglich.

800 Herzsportgruppen in Bayern

Die Träger der Herzsportangebote sind nach Angaben der Herz-LAG Bayern zu 90 Prozent Sportvereine. Sie müssen immer von einem Arzt mit notfallmedizinischen Wissen und einem Übungsleiter mit speziellen Kenntnissen über Herz-Kreislauf-Erkrankungen betreut werden. In Bayern werden von 343 Trägern zirka 800 Herzgruppen angeboten. In Oberfranken sind es 33 Träger, die etwa 90 Gruppen organisieren.

Wer sich als Arzt die Betreuung der Herzsportgruppe vorstellen könnte, meldet sich bei Karl-Heinz Schirmer, Mobil: 01 75/1 52 56 09, E-Mail: herzsport@tsv-neudrossenfeld.de, oder Helmut Schulte, Telefon 09 21/16 33 85 13, Mail: schulte-aichig@t-online.de.

 

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