Herr Kastner zieht vor Gericht

Von
Weil ihm die Gemeinde Neuenmarkt nicht hilft, klagt er sie jetzt an: Hermann Kastner fordert für die Hochwasserschäden in seinem Keller nach dem Unwetter im August 2014 Schadensersatz. Ihm seien rund 79.000 Euro Kosten entstanden, machte er zum Auftakt des Zivilverfahrens am Landgericht Bayreuth deutlich. Foto: Archiv/Sonny Adam Foto: red

Den 2. August 2014 werden viele Hegnabrunner nie vergessen. Denn an diesem Tag wurden die Keller vieler Familien aufgrund eines Unwetters überflutet. Familie Kastner kämpft über zwei Jahre später noch immer um einen Schadensersatz. Doch wer auf die Hilfe der Justiz setzt, braucht einen langen Atem.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Über drei Stunden dauerte die Verhandlung am Landgericht Bayreuth am Mittwoch unter Vorsitzendem Richter Peter Tettmann. Zum ersten Mal sind mit den Kastners Opfer des Hochwassers vor zwei Jahren vor Gericht gezogen. Sie fordern, dass die Gemeinde Neuenmarkt beziehungsweise deren Versicherung für den Hochwasserschaden aufkommen. Ende August 2015 ging ihre Klage ein, mehr als ein Jahr später beginnt der Prozess.

Ingenieure sollen zweites Gutachten liefern

Aber zu einem Urteil kommt es frühestens im ersten Halbjahr 2017. Weil Tettmann noch das Gutachten des Ingenieurbüros Resch und Partner aus Weißenburg einholen will. Weil der Prozessausgang somit weiter ungewiss ist, zeigten sich die Kläger nach der Verhandlung enttäuscht. "Ich hätte mir heute mehr erwartet", sagte Hermann Kastner. "Äußerst zäh" empfindet seine Frau Gerlinde die Suche nach Gerechtigkeit. "Die Mühlen der Justiz mahlen langsam."

Wettergutachten stärkt Position der Kläger

Dabei sah es eingangs für die Kläger, die durch die Wassermassen nach eigenen Angaben einen Schaden von rund 79.000 Euro erlitten, gar nicht mal so schlecht aus. Bereits vor dem Prozess war ein Wettergutachten vom Deutschen Wetterdienst in München eingeholt worden. Demnach sind im Raum Nürnberg am 2. August 2014 Gewitter und Regenschauer in starker Intensität aufgetreten. Die Niederschlagsmenge in der Waldenburgerstraße, die neben der Königsbergerstraße am meisten betroffen war, habe bei 39 Litern pro Quadratmeter gelegen, so die Gutachter. Dabei könne es phasenweise 15 Liter pro Quadratmeter in zehn Minuten, 21 Liter pro Quadratmeter in 15 Minuten und 32 Liter pro Quadratmeter in 60 Minuten geregnet haben. Statistisch gesehen, würde so eine Niederschlagsmenge höchstens einmal in acht Jahren vorkommen.

Gemeinde bewertete Hochwasser als Ausnahmeereignis

Der Neuenmarkter Bürgermeister Siegfried Decker hatte damals von einer Niederschlagsmenge zwischen 70 und 80 Litern pro Quadratmetern gesprochen. Von einem Starkregen, der eine völlige Ausnahme gewesen sei. Das Gutachten lässt nun den Schluss zu, dass bereits eine viel geringere Menge ausreichend gewesen war, um ein Hochwasser auszulösen. Als Beklagte weist die Kommune allerdings die Schadensersatzforderungen zurück. Der Bürgermeister erschien nicht zu dem Zivilverfahren und ließ sich von Rechsanwalt Karl-Friedrich Hacker vertreten.

Ist genug getan worden, um Schaden abzuwenden?

Der Richter will nun eventuelle Haftungsansprüche zu prüfen. Ob die Abwasseranlage zu gering dimensioniert sei, darüber könne das Gericht nicht befinden. Vielmehr gehe es darum, ob die Verkehrssicherungspflicht gewährleistet gewesen sei.  Was bedeutet: Wer eine Gefahrenquelle schafft, hat die Pflicht, anderen dadurch entstehende Schäden zu verhindern. Also hat die Gemeinde genug unternommen, um die Bürger vor Überflutungen zu schützen?

Einzelfall kann entscheidend sein

Tettmann verwies auf mehrere einschlägige Urteile, unter anderem sein eigenes vom 11. März 2015: Damals wies er die Schadensersatzklage des Hegnabrunners Heinz Wanderer zurück. Dabei ging es allerdings um einen Hochwasserschaden aus dem Jahr 2007. In der Berufungsverhandlung in Bamberg schloss das Oberlandesgericht einen Vergleich. Dieser verpflichtet die Gemeinde zu einer Zahlung von 15.000 Euro an Wanderer.

Bei Gemeinde auf taube Ohren gestoßen

Nicht nur bei ihm haben sich Berge von Akten angesammelt. Auch bei den anderen betroffenen  Familien, deren Keller unter Wasser standen. Drei Geschädigte waren als Zeugen geladen, darunter Dieter Sachs, der die Interessen der Anlieger als Sprecher vertritt. "Bis heute hat sich nichts getan", sagte Sachs. "Außer, dass die Gemeinde jetzt das Oberflächenwasser anders ableiten will und begonnen hat, ein Regenrückhaltebecken zu bauen." Beim Kellereingang der Kastners habe sich das Wasser über zwei Meter hoch gestaut. Ursache sei ein "geplatzter Kanal" in der Königsbergerstraße. "Seitdem sind wir dran, die Gemeinde zu überzeugen, dass es sich hier um einen Schwachpunkt handelt." Je weiter die Leute von der Hauptstraße weg wohnten, desto weniger wurde das Wasser, schilderte Sachs seine Erinnerungen an das Hochwasser. Er und die beiden anderen Zeugen hatten Glück im Unglück: Ihre Versicherungen kamen für den Schaden auf.

Wasserfontäne spritze aus geborstenem Kanal

Auch Heiko Günther hatte 1,85 Meter Wasser in seiner Kellerwohnung und Folgekosten in Höhe von 180.000 Euro. Einen halben Meter von seinem Haus entfernt konnte er beobachte, wie sich der Kanaldeckel hob und eine Wasserfontäne herausspritzte. Bis heute sei das Loch offen. "Die Gemeinde hat nur den Deckel wieder drauf." Wenn Äste und Dreck den Durchlass verstopften, reinige er den Schacht selbst. Rudolf Aknai sah das geborstene Kanalstück ebenfalls. Er erlitt 70.000 Euro Schaden, das Wasser zerstörte alte Möbel und Erinnerungsstücke, berichtete Aknai. Viermal habe er bereits zuvor Wasserschäden gehabt, noch nie seien sie so hoch gewesen wie nach dem 2. August 2014. In seinem Haus ließ er danach Rückstauklappen einbauen. Diese hatten auch die Kastners, geholfen haben sie jedoch nicht. Der Bürgermeister soll seiner Ansicht nach "pflichtbewusst handeln, und nicht die Leute im Regen stehen lassen."

Unterschiedliche Rohrdurchmesser verursachen Engstelle

Der Ingenieur Erich Hahn vom Büro IBP entwickelte für die Gemeinde inzwischen ein Hochwasserschutzkonzept. Die geschätzten Kosten liegen bei zwölf Millionen Euro. Er sagte im Prozess, der Kanal sei rein rechnerisch ausreichend groß, um das Wasser aus dem Siedlungsgebiet abzuleiten. Das Rohr verenge sich von 60 auf 20 Zentimeter und erreiche dann wieder 40 Zentimeter Durchmesser. Den Höhenunterschied habe eine Kamerabefahrung bewiesen. "Das ist natürlich nicht sinnvoll." Oberflächenwasser aus landwirtschaftlichen Flächen könne der Kanal hingegen nicht mehr aufnehmen. Trotzdem halte er die möglichen Drainagen, die unerlaubt gelegt worden seien, für "nicht ausschlaggebend".

Autor

Bilder