Politische Arbeit in Bayreuth soll transparenter werden - wenigstens ein bisschen Heiße Debatte: Stadträte stimmen für Livestream

Von Katharina Wojczenko
Im ersten Stock des Bayreuther Rathauses tagt das Gremium. Wer keine Zeit hat, kann die Sitzungen bald online verfolgen. Foto: Katharina Wojczenko Foto: red

Selten sind Stadtratsdebatten so spaßig wie die zur Live-Übertragung. Am Ende entscheidet das Plenum: Frühestens ab Herbst 2015 werden alle öffentlichen Stadtratssitzungen probeweise ein- bis anderthalb Jahre übers Internet ausgestrahlt und in einer Mediathek archiviert. Kosten pro Sitzung: etwa 1000 Euro. Zu sehen bekommen die Bürger aber längst nicht alles.

 
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Ein Viertel der anwesenden Amtsträger, quer durch die Fraktionen, will sich nämlich nicht in Bild und Ton festhalten lassen. Ebenfalls einer der fünf Referenten und das Verwaltungspersonal. Dabei hat der Antrag von Ulrike Lex (CSU) ein hehres Ziel: mehr Transparenz und Bürgernähe. Das Streaming könnte die Wahlbeteiligung steigern, hofft Lex. „Und vielleicht hilft das, unsere Debattenkultur zu verbessern“. Natürlich sei die Webcam aber keine „Disziplinierungsmaßnahme“.

Die einstündige Diskussion ließ tief blicken in die Seelen der Stadträte. Einen gewissen Reiz hat der Gedanke schon, machte Iris Jahn (Junges Bayreuth) deutlich: „Vielleicht überlegt sich da ja mancher, ob er einen Wortbeitrag macht – oder nicht.“ Die Bedenken von Werner Grüninger (CSU) gingen in ähnliche Richtung: „Ich will gewährleistet wissen, dass ich den Beitrag löschen kann, wenn ich Unsinn geredet habe.“ Andererseits habe die Sache ihr Gutes: „Ich sehe Kollegin Christa Müller-Feuerstein jetzt immer nur von hinten.“ Stephan Müller (BG) stand zu seinen Rampensau-Qualitäten: „Ich hätte nichts dagegen, wenn ich aufgezeichnet werde – aber wenn ein Viertel nicht mitmacht, bin ich dagegen.“

Kuriose Ideen: Publikum und Presse bitte in den toten Winkel

Der Datenschutz, den Hauptamtsleiter Rainer Sack angesprochen hatte, bewegte die Räte ebenfalls. Denn wie die schützen, die nicht gefilmt werden möchten? Andere Städte, die Live-Stream nutzen, hätten dafür ihren Sitzungssaal umgebaut und bitten die Redner einzeln zum Pult, informierte Sack. Kommt in Bayreuth für die meisten nicht in die Tüte. Dafür blühten kreative Vorschläge: Ingo Rausch (BG) brachte einen Piepton zur Wortbeitrag-Zensur ins Spiel. Thomas Ebersberger (CSU) schlug vor, einen toten Winkel zu schaffen. Und dorthinein die Zuschauer zu stecken, die nicht gefilmt werden wollen. Oder noch einfacher: Masken im Plenum verteilen. Und die Presse hinter die Balustrade. Dort, wo die Akustik übrigens aktuell nicht berichttauglich ist.

Tatsächlich gibt es Schwierigkeiten, erläutert Sack dem Kurier. Zwei Kameras werden installiert. Wahrscheinlich rechts und links der Referentenbank, damit sie das Publikum nicht erfassen. Sie filmen nur das Plenum und bei einzelnen Wortbeiträgen den Sprecher – sofern der einverstanden ist. Sonst wird er ausgeblendet. Beim Schwenk ins Plenum machen andere Städte die Person nicht unkenntlich, hat Sack in Erfahrung gebracht.

Alte Streams kommen in die Mediathek

Wie Tim Pargent (Grüne) und Iris Jahn (Junges Bayreuth) befürworteten, soll der Livestream eine Mediathek bekommen. Wie lange die Beiträge dort abrufbar sein werden, ist unklar. Fest steht, dass sie mit einem Bürgerinformationssystem verknüpft werden sollen. Die halbe Stelle, um dieses aufzubauen, ist bewilligt, sagt Sack. In das System werden aber, wie bei anderen Gemeinden, nur die Tagesordnungen gestellt – und nicht die Beschlussvorlagen und Referentenvorträge. Ob man so der Diskussion folgen kann, die dem Redebeitrag eines Nicht-Gefilmten folgt, ist fraglich.

Ein Teil der Räte hatte grundlegende Zweifel. Es sei ein Ammenmärchen, dass Streaming die Wahlbeteiligung erhöhe, sagte Thomas Bauske (SPD). „Das sieht man an der Bundes- und Landtagswahl.“ Warum solle Bayreuth das nutzen, wenn selbst beim Bundestag die Zuschauerzahlen niedrig seien, sagte Maria Herbart-Herrmann (BG).

Lachanfälle und ein illegaler Filmer

Irgendwann sollte doch endlich abgestimmt werden. Zusammenfassung Stefan Specht (CSU): „Es gibt welche, wie den Kollegen Müller, der gefilmt werden möchte, wenn er jemanden findet, der ihn filmen möchte“ – und eben andere. Lachanfälle. Die OB muss zur Glocke greifen. Derweil schwenkt Christoph Rabenstein (SPD) mit dem Tablet ins Plenum. „Filmen ist nicht gestattet!“, mahnt Brigitte Merk-Erbe. Stimmen fordern umgehende Konfiszierung. „Ich gehe mal davon aus, dass Dr. Rabenstein schon gelöscht hat“, meint die OB versöhnlich. „Bis jetzt noch nicht“, gibt Rabenstein zurück.

Ulrike Lex platzt der Kragen: „Das ist kein Stadtrat, das ist ein Eierrat“. Seit drei Jahren eiere man um das Thema herum. Zweiter Anlauf namentliche Abstimmung. Weitere Wortbeiträge. Redner Harald Rehm (CSU), todernst: „Das ist doch kein Kasperltheater!“ Lachanfälle. Namentliche Abstimmung über die Filmerei. Walter Wagner (CSU), ein kräftiger Kerl, sagt Ja – „aber nur mit Schmalfilm-Kamera!“. 28 der 39 Anwesenden stimmen zu. Es waren übrigens drei Zuhörer anwesend.

Info: In Bayern bieten sechs Städte, die Live-Übertragungen an: Burglengenfeld, Ingolstadt, München, Passau, Pfaffenhofen und Regensburg. Mit unterschiedlichen Erfahrungen und Kosten, hat die Bayreuther Verwaltung herausgefunden. Die Resonanz ist übersichtlich: Im Schnitt nutzen zwischen 15 und 200 Bürger das Angebot. Das Problem in nahezu allen Städten ist die Zustimmung der Ratsmitglieder oder Mitarbeiter. Eine Lösung: Während des Redebeitrags wird der Ton ausgeschaltet und ein Bild mit der Aufschrift „Sprecher hat der Übertragung nicht zugestimmt“ auf neutralem Hintergrund eingeblendet. (irs)

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