Heinz Strunks Respekt vor armen Willis

Von Michael Weiser

Abschluss beim Festival "Leselust", mit einem der interessantesten Autoren der vergangenen Jahre: Am Samstag präsentiert Heinz Strunk ("Fleisch ist mein Gemüse", "Der Goldene Handschuh") die Jürgen-Show. Wir sprachen mit ihm, ließen die legendäre fiktive Band Fraktus mal außen vor und erfuhren von Heinz Strunk etwas über tolle Kolummnen, den Wechsel zwischen Unterhaltung und Ernst in seinen Büchern und Sympathie für arme Würste.

 
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Sie kommen am Samstag erstmals nach Bayreuth, zur Leselust, und zwar mit ihrem Roman "Jürgen". Auf was dürfen sich die Bayreuther freuen?

Strunk: Das wird eher eine Mischung verschiedener Elemente, keine reine Lesung. Ich lese zwar  aus „Jürgen“ vor, erweitere die Lesung aber und ergänze sie um andere Elemente. Eine Sequenz aus dem Buch wird zum Beispiel in einer Diashow mit 90 Bildern erzählt. Und es kommt Musik dazu. Ja, die Musik: Parallel zum Roman hatte ich ja das Album „Die gläserne Milf“ herausgebracht. Da ist die Geschichte des Buchs musikalisch umgesetzt. Das fügt sich auch ganz gut ein, ich bin ja schließlich Musiker. Leider ging das Album neben dem Buch seinerzeit unter, was mir für die Musik echt leid tut.

Sie sind in der Tat ganz schön unterwegs. Schreiben Bücher, bringen eines davon mit Studio Braun erfolgreich auf die Bühne  - „Der Goldene Handschuh“  - , machen Musik, sogar mit einer Band, die schon zur Legende geworden war, bevor sie die ersten Töne gespielt hatte – Fraktus. Was beherrschen Sie nicht?

Strunk: Es gibt mehr Dinge, die ich mir nicht zutraue als Sachen, die ich beherrsche.  Ich kann ein paar Sachen ganz gut, es gibt aber auch ein paar Sachen, die ich gar nicht kann. Malen, Bildhauen zum Beispiel, da kenne ich mich gar nicht aus.  Der Allerjüngste bin ich auch nicht, den Ehrgeiz, alles auszuprobieren, habe ich nicht mehr.

„Jürgen“ ist ein tragikomisches Buch mit wunderbar leichten Momenten, nach dem „Goldenen Handschuh“ und der Geschichte  eines Serienmörders wieder ein komödiantischeres Buch. Braucht man das als Autor vielleicht, um sich zu erholen?

Strunk: Nein, das darf man nicht falsch einschätzen. Die Arbeit an dem Honka-Buch hat mich nicht in eine schiefe Gemütslage gebracht, es hat mich nicht belastet. Das war eine sehr normale Arbeit,   auch genau so  anstrengend wie andere Bücher . Ich hab das auch schon öfter gesagt: Nach einem literarischen Buch bringe ich ein humoristisch grundiertes. Ich bin nicht verpflichtet, immer den gleichen Kram zu machen. Jetzt, im Herbst dieses Jahres, kommt wieder ein sehr literarisches Buch, im Jahr darauf soll „Intimschatulle“ erscheinen.

„Intimschatulle“?

Strunk: Das sagt ihnen nichts?

Tut mir leid…

Strunk: Das ist eine sehr gute Kolumne, ich hab damit Max Goldt in der „Titanic“   beerbt. Nach drei Jahren hat sie eine sehr große Leserschaft gefunden und ich werde eine Auswahl zusammenstellen. Jedenfalls: Schreiben und Schreiben sind zwei unterschiedliche Paar Stiefel. Bei mir kommt immer ein literarisches Buch und dann wieder ein unterhaltsames. 

Ein erster Eindruck: Ein Ausschnitt aus "Jürgen", von Heinz Strunk im Studio gelesen. Quelle: Youtube

Was die Bücher gemeinsam haben ist, dass man Sympathie zu den Antihelden entwickelt, gegenüber einem Jürgen, aber sogar einem Mörder Fritz Honka gegenüber. Das ist schon erstaunlich. Wie lautet Ihr Rezept?

Strunk: Das kann ich gar nicht sagen, das weiß ich nicht. Vielleicht ein großes Maß an Mitgefühl, Respekt vor den Figuren – ich weiß es wirklich nicht genau. Aber es ist tatsächlich so, dass man auch mit jemandem wie Fritz Honka, nach alle dem, was ich weiß, Mitgefühl entwickeln kann. Peggy Parnass (Gerichtsreporterin) hat dieses Gefühl sehr gut auf den Punkt gebracht: "Honka, das ärmste aller Würstchen, hatte auch noch das Pech, zum Mörder zu werden." Jürgen wiederum ist eine Figur, die mich seit 20 Jahren begleitet. Wenn ich den nicht irgendwie sympathisch fände, wie sollte ich das aushalten? Dann hätte ich keine Lust zu darüber zu schreiben. Was Rainald Goetz mit „Johann Holtrop“ gemacht hat (ein Roman über den Ex-Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann und Karstadt-Quelle, Thomas Middelhoff, Anm. der Red.) – ob ich dazu Lust hätte, weiß ich nicht.

Sogar Bernie, der Betrüger im Rollstuhl, geht einem total auf den Nerv, aber irgendwie nicht völlig gegen den Strich.

Strunk: Auch der ist nur ein armer Willi, ein armes Würstchen eher als ein skrupelloser Betrüger.

Jürgen begleitet sie seit 20 Jahren, sagten Sie. Wie hoch ist der autobiographische Anteil in ihren Büchern?

Strunk: Der Anteil wird im Laufe der Jahre immer geringer. Die ersten Bücher waren das schon, aber meine Biographie ist nicht so spannend, dass sie nicht irgendwann auserzählt wäre. Weiterentwicklung heißt doch, dass man sich vom Erzählen über sich selber entfernt und stärker in die Fiktion geht. Honka ist kein biographisches Buch, Jürgen eigentlich auch nicht mehr so sehr, wenn auch sein Setting sehr an mein Setting angelegt. Wie er komme ich aus Harburg (Stadtteil im Süden Hamburgs), ich habe auch vier Jahre mit einer pflegebedürftigen Mutter zusammengelebt, Ich weiß auch,  wie das ist, wenn die Schwestern ein und ausgehen. Einen Freund wie Bernie hatte ich allerdings nicht, Speeddating habe ich auch nie mitgemacht.

Über Ihre „Intimschatulle“ 2019 haben wir schon gesprochen. Was kommt im Herbst dieses Jahres raus?

Strunk: 50 Texte, mal eine halbe Seite lang, mal eine Erzählung von zehn Seiten. Ich weiß nicht genau, wie ich das sagen soll; Erzählung kann man’s nicht nennen, vielleicht einfach Texte. Stories, so hat Ferdinand Schirach sein neues Buch „Strafe“ genannt. Hm, ich weiß nicht, ich finde das nicht so passend. Also, bei mir werden es genau 50 Geschichten sein, die ganz und gar nicht zusammengehören.

INFO: "Die Jürgen-Show" mit Heinz Strunk, Samstag, 17. März, im Zentrum, Beginn 20 Uhr.