Häusliche Gewalt: Die Prügel stoppen

Von Norbert Heimbeck
Wollen der Gewalt gegen Frauen ein Ende machen (von links): Caritas-Beraterin Gunhild Scheidler, Frauenhaus-Leiterin Christine Ponnath und Kirminalhauptkommissarin Carmen Benker vom Polizeipräsidium, Oberfranken. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Er schlägt seine Frau, aber sie sagt: „Ich liebe ihn trotzdem!“ Nach einer kurzen Versöhnungsphase gibt’s erneut Prügel. Trotzdem zögert sie, ihn anzuzeigen. Einen Weg aus dieser Spirale der Gewalt will Gunhild Scheidler Opfern häuslicher Gewalt öffnen. Seit 1. Mai ist sie Ansprechpartnerin in der neuen Interventionsstelle der Caritas.

 
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Er schlägt seine Frau, aber sie sagt: „Ich liebe ihn trotzdem!“ Nach einer kurzen Versöhnungsphase gibt’s erneut Prügel. Trotzdem zögert sie, ihn anzuzeigen. Einen Weg aus dieser Spirale der Gewalt will Gunhild Scheidler Opfern häuslicher Gewalt öffnen. Seit 1. Mai ist sie Ansprechpartnerin in der neuen Interventionsstelle der Caritas.

Mit Gunhild Scheidlers Arbeit wird das regionale Hilfsangebot für Opfer häuslicher Gewalt vervollständigt: Kriminalhauptkommissarin Carmen Benker ist beim Polizeipräsidium Oberfranken Beauftragte für Frauen und Kinder, im Frauenhaus finden verprügelte Frauen Zuflucht. Das neue Angebot der Caritas ist zwischen Polizeieinsatz und Frauenhaus positioniert. Scheidler: „Wenn die Frau einverstanden ist, übermitteln die Polizeibeamten ihre Daten an unsere Interventionsstelle. Ich nehme dann schnellstmöglich Kontakt mit ihr auf und zeige ihr mögliche Hilfsangebote.“ Christine Ponnath, Leiterin des Bayreuther Frauenhauses, ergänzt: „Wir gehen ja nicht auf die betroffenen Frauen zu, die müssen von sich aus zu uns kommen.“ Carmen Benker nennt Scheidlers Arbeit „pro-aktiv“: „Bislang fiel es dem Opfer zu, sich um Beratung zu kümmern. Wenn jetzt die Frau zustimmt, geben wir ihre Daten an die Interventionsstelle weiter, die dann Kontakt aufnimmt.“

Mehr als 1800 Anzeigen im vergangenen Jahr

Das neue Angebot der Caritas ist offenbar dringend nötig: Im Jahr 2015 weist die Polizeistatistik 1832 angezeigte Fälle von häuslicher Gewalt aus. Die Dunkelziffer ist sicher weit höher, weil sich viele Frauen weigern, Anzeige zu erstatten. Weil sie den Mann, der sie schlägt, immer noch lieben. Weil sie Angst um ihre Kinder haben. Weil sie sich vor dem Tratsch der Nachbarn fürchten. Benker: „Es bedeutet sehr viel, den Partner einer Straftat zu bezichtigen. Vielen Frauen steht in einem solchen Fall der Zusammenbruch des gesamten Familiengefüges bevor.“ Die Polizistin weiß: „Man kann sich an Misshandlungen gewöhnen. Nach einem Gewaltausbruch folgt oft eine Honeymoon-Phase, in der der Täter seiner Frau Blumen schenkt, sie zum Essen einlädt und sie dazu bringt, ihm zu verzeihen.“ Viele Frauen wollen glauben, dass der Mann sie immer noch liebt. Trotz der erlebten Gewalt.

Christine Ponnath bestätigt das: „Unsere Klientinnen sagen: Er muss mich lieben, sonst würde er mich ja nicht schlagen. Da wäre ich ihm gleichgültig.“ Es ist eine für Außenstehende kaum verständliche Beziehung zwischen Täter und Opfer, die beide zusammenschweißt. Gunhild Scheidler, die auch als Suchttherapeutin der Diakonie arbeitet, ergänzt: „Wie bei einer Suchtkrankheit haben wir hier eine Co-Abhängigkeit. Das heißt, die ganze Familie leidet mit.“

Und so arbeitet die Interventionsstelle: Wird die Polizei wegen häuslicher Gewalt zu einem Einsatz gerufen, bieten die Beamten künftig den Opfern an, Kontakt zur Interventionsstelle herzustellen. Insbesondere sollen Frauen erreicht werden, die bereits Gewalterfahrung haben, aber bislang noch keine Hilfsangebote in Anspruch genommen haben. Das Besondere an Scheidlers Arbeit ist, dass sie innerhalb von drei Tagen nach dem Vorfall Kontakt aufnimmt: „Erfahrungsgemäß erleichtert ein zeitnaher Kontakt den Frauen das Gespräch über das Erlebte.“ Die Beratung kann per Telefon oder im Vier-Augen-Gespräch erfolgen. Die Interventionsstelle versteht sich als Lotse für Hilfs- und Unterstützungsangebote.

Info: Die Interventionsstelle ist eine Kooperation zwischen Caritas und Polizei. 80 Prozent der Kosten trägt das bayerische Sozialministerium, den Rest teilen sich die Caritas, Stadt und Landkreis Bayreuth sowie Landkreis Kulmbach. Weitere Beratungsstellen gibt es in Bamberg und Coburg.

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