Viele Raffinerien sind dicht
Die Fernsehsender zeigten Bilder aus Altenheimen, aus denen Menschen in Rollstühlen gerettet werden mussten. Senioren wurden in Schlauchboote gehievt, Eltern wateten mit weinenden Kindern durch den nächtlichen Regen. Kirchen öffneten ihre Tore als Herbergen für Flutopfer. Die Stadt Dallas stellte ihr Kongresszentrum bereit.
«Harvey» bedeute auch für die in der Region von Houston vorherrschende Ölindustrie einen schweren Schlag. Viele Raffinerien sind geschlossen, teilten unter anderem die Ölkonzerne Shell und Exxon mit. Experten gehen davon aus, dass derzeit 22 Prozent der Ölförderung im Golf von Mexiko stillstehen und täglich eine Million Barrel (je 159 Liter) Öl nicht verarbeitet werden. Houston ist durch einen rund 100 Kilometer langen Kanal mit dem offenen Meer bei der Küstenstadt Galveston verbunden. Die Raffinerien und anderen Anlagen entlang der Wasserstraße sind weitgehend dicht.
Notstand in Südtexas ausgerufen
Der Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner, verteidigte seine Entscheidung, die Millionenstadt trotz des heraufziehenden Wirbelsturms nicht vorbeugend zu evakuieren. Stattdessen riet die Stadtregierung den Bewohnern, sich innerhalb der Stadt in Sicherheit zu bringen. «Wir haben das Beste für die Einwohner von Houston und deren Sicherheit getan», sagte Turner. Auch FEMA-Chef Long rechtfertigte die Entscheidung. Eine Evakuierung der Großstadt hätte mehrere Tage in Anspruch genommen, sagte er.
Für den US-Präsidenten Donald Trump ist es die erste große Naturkatastrophe, mit der er in seiner rund siebenmonatigen Amtszeit konfrontiert ist. Auf Ersuchen des texanischen Gouverneurs Greg Abbott hatte Trump bereits am Freitag für Teile von Südtexas den Notstand ausgerufen. Damit können rascher Bundeshilfen ins Katastrophengebiet fließen. Trump lobte am Wochenende auch wiederholt auf Twitter die Arbeit der Rettungsmannschaften und beschwor den Zusammenhalt der Amerikaner.
Der Wind ist nicht das Problem
Abbott, der Gouverneur von Texas, erklärte 50 Bezirke zu Notstandsgebieten. Ihm zufolge sind 3000 Angehörige der Nationalgarde im Einsatz und 250 Fernstraßen geschlossen worden, seit «Harvey» am Freitagabend (Ortszeit) bei Rockport als mächtiger Hurrikan auf die texanische Küste getroffen war.
Das Nationale Hurrikan-Zentrum (NHC) stufte «Harvey» - zunächst in der zweithöchsten Kategorie vier geführt - zwar immer weiter herunter, sodass er nun nicht mehr als Hurrikan gilt, der sintflutartige Regen hält aber an: von der Stadt Corpus Christi im Osten bis Houston im Westen. Auch Teile des angrenzenen Bundesstaats Louisiana könnten in den nächsten Tagen betroffen sein.
Nach Angaben von Meteorologen ist «Harvey» der zweitstärkste Wirbelsturm seit «Katrina» vor zwölf Jahren die Gegend um New Orleans schwer in Mitleidenschaft zog.
dpa