Hartmut Koschyk geht - aber nicht so ganz

Von Peter Rauscher
Hartmut Koschyk wird nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik etwas mehr Zeit in seinem Schloss in Goldkronach verbringen können. Ein geschichtsträchtiger Ort: Vor rund 220 Jahren arbeitete hier Alexander von Humboldt. Foto: Archiv/Andreas Harbach Foto: red

Ende einer Ära: Kein anderer war länger Direktkandidat für die Region Bayreuth im Bundestag als Hartmut Koschyk. Nach 27 Jahren als Abgeordneter, 23 Jahre davon für den Wahlkreis Bayreuth, scheidet der 58-jährige CSU-Politiker demnächst aus dem Parlament aus. Aber er hat noch viel vor.

 
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Herr Koschyk, Sie sind dieser Tage schwer für ein Interview zu erreichen. Gehen Sie wirklich in Pension?

Hartmut Koschyk: Nein, nicht ganz. Ich werde nach meinem Ausscheiden aus dem Bundestag eine Reihe von Aufgaben weiter wahrnehmen. Bleiben werde ich Co-Vorsitzender des deutsch-koreanischen Forums. Gemeinsam mit anderen gründe ich gerade eine Stiftung, die sich von Deutschland aus um zivilgesellschaftliche Kontakte zwischen Nord- und Südkorea bemühen soll, damit sich die Menschen in dem geteilten Land wieder näher kommen. Alles, was mit Alexander von Humboldt zu tun hat, bleibt ein weiterer Aufgabenbereich. Ich bemühe mich, das Bewusstsein zu stärken, dass der große Weltentdecker in jungen Jahren fünf Jahre in unserer oberfränkischen Heimat gewirkt hat. Außerdem will ich mich wie schon in meinem letzten Amt als Bundesbeauftragter auch künftig um deutsche Minderheiten im Ausland kümmern.

Wie schwer fällt Ihnen nach 27 Jahren im Bundestag das Loslassen?

Koschyk: Ich habe mir die Entscheidung sehr gut überlegt und auch frühzeitig bekannt gegeben. Als ich mit knapp 30 in den Bundestag gewählt wurde, habe ich mir vorgenommen, dass ich den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören nicht verpassen will. Lieber sagen die Leute ‚schade, dass Sie schon gehen‘,  als dass sie in einigen Jahren gesagt hätten: Jetzt wird’s aber Zeit, dass er geht.

Sie sind 58, Wolfgang Schäuble 75: Das wäre nichts für Sie gewesen?

Koschyk: Da ist schon ein Unterschied. Schäuble verantwortet einen Politikbereich mit riesigen Aufgaben, die noch nicht abgeschlossen sind. Insofern will ich mich mit diesem Urgestein deutscher Politik nicht vergleichen.

Nach Umfragen hat die CSU gute Chancen, auch an der kommenden Regierung beteiligt zu sein. Wäre da nicht noch was gegangen für Sie oder hätte Horst Seehofer das verhindert?

Koschyk: Ich denke, ich hätte zumindest meine jetzige Aufgabe als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedler und nationale Minderheiten fortsetzen können. Das ist mir gesagt worden. Aber ich schaue nicht nach vorne mit Blick auf neue oder alte Posten, sondern ich gehe mit großer Dankbarkeit für 27 Jahre Mitgestaltung im Bundestag.

Vor vier Jahren hat Horst Seehofer Sie aus dem Amt als Parlamentarischer Staatssekretär gekegelt. Sie haben sich damals öffentlich beschwert, dass der CSU-Chef Sie in einem dreiminütigen Telefongespräch abgefertigt habe und haben ihm vorgeworfen, dieser Umgang sei mit christlichen Werten nicht vereinbar. Wir waren damals die Reaktionen aus Ihrer Partei?

Koschyk: In meinem Wahlkreis und in Berlin herrschte damals sehr viel Unverständnis über die Entscheidung, dass ich diese für Bayern und die CSU wichtige Arbeit nach nur vier Jahren beenden musste. Aber wenn eine Tür zugeht,  geht eine andere Auf. Die Bundeskanzlerin und die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt haben mir damals das Amt des Aussiedlerbeauftragten angetragen. Dieses Amt hat mich wirklich erfüllt, ich bin zu meinen politischen Wurzeln zurückgekehrt. Von daher ist diese Sache für mich abgehakt.

Als im vergangenen Jahr Seehofer Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik frontal angriff, hat man von Ihnen wenig gehört.

Koschyk: Ich habe mich nicht zurückgehalten, sondern immer deutlich gemacht, dass ich Verständnis für die Entscheidungssituation der Kanzlerin hatte, um Eskalation und menschliche Tragödien zu verhindern. Ich war in dieser Frage immer eher auf der Seite der Bundeskanzlerin und habe das auch gesagt. Ich bin froh, dass es heute wieder einen vernünftigen Umgang der CSU mit der Kanzlerin gibt.

Inwiefern sind Vertriebenenschicksale 72 Jahre nach Kriegsende noch  immer ein Thema?

Koschyk:  Jeden Tag gibt es neue Opfer von Massenvertreibungen, wie jetzt gerade die Minderheit der Rohingya in Myanmar. Vertreibung ist immer noch ein Mittel menschenfeindlicher Politik. Das Thema bleibt also auf der Tagesordnung. Dazu gehört die mahnende Erinnerung an Flucht und  Vertreibung Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg.  Diesen Themen bin ich aufgrund der oberschlesischen Herkunft meiner Eltern und der sudetendeutschen Herkunft meiner Frau verbunden geblieben. Bei unseren östlichen Nachbarn gibt es für das Thema heute mehr Interesse als bei gewissen Kreisen in Deutschland.

Sie sind als einer der wenigen Kenner Koreas derzeit ein gefragter Gesprächspartner in Deutschland. Haben Sie Angst vor einem Koreakrieg?

Koschyk: Nein, habe ich nicht. Ich glaube an die Verantwortung aller, die in diesen Konflikt verwickelt sind. Und ich bin sehr dankbar, dass die Kanzlerin deutsches und europäisches Engagement zeigt und sich sogar als Vermittlerin angeboten hat.

Kann man Donald Trump und Kim Jong Un trauen?

Koschyk: Es ist wirklich die Frage, welchen Beitrag die internationale Gemeinschaft und Europa leisten können,  damit Dialog und Vermittlung eine Eskalation des Konflikts verhindern und die Krise gelöst wird.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihre 27 Jahre im Bundestag: Was war ihr größter Erfolg?

Koschyk: Politische Erfolge zeigen sich nicht in irgendetwas Herausragendem. Ich habe mich immer um nachhaltige Sacharbeit bemüht und habe mehr hinter als vor den Kulissen gearbeitet. Wenn ich meine Tätigkeitsbereiche Parlamentarischer Geschäftsführer, Innenpolitischer Sprecher, Staatssekretär, Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe und Aussiedlerbeauftragter ansehe, bin ich mit mir im Reinen und dankbar, dass ich diese Aufgaben wahrnehmen durfte.

 Und Ihre schmerzhafteste Niederlage?

Koschyk:  Es gibt nichts, was mich jetzt bei meinem Ausscheiden so schmerzt, dass ich es noch mitnehmen würde.

Was hätten Sie gerne noch für Ihren Wahlkreis erreicht?

Koschyk: Ich glaube, wir haben im Zusammenspiel mit der Kommunalpolitik für die Region viel Gutes bewirkt. Bis heute schmerzt mich aber, dass wir damals den Bundeswehrstandort Bayreuth nicht erhalten konnten. Das kann ich nicht verstehen.

Gab es Zusammenarbeit mit anderen Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg?

Koschyk: Immer. Ich habe in meiner Zeit als Oppositionsabgeordneter stets versucht, mit Anette  Kramme fraktionsübergreifend zusammenzuarbeiten. Auch jetzt, in Zeiten der großen Koalition, hat das funktioniert.

Hat‘s auch mal Ärger gegeben mit ihren Parteifreunden in der Heimat?

Koschyk: Selbstverständlich, wir sind ja kein Verein, der sich immer nur in Harmonie übt. Als ich anfing, wurden Tiefflugkorridore auch auf die neuen Länder ausgeweitet. Wo die Region von Tiefflugplanungen betroffen war, gab es Ärger auch mit eingefleischten CSU-Bürgermeistern und –Wählern. Da musste ich  die Notwendigkeiten von Verteidigungspolitik sehr intensiv vor Ort erklären. 

Bundestagspräsident Lammert nimmt ebenfalls seinen Abschied vom Parlament und hat aus diesem Anlass vor einem Ausbluten der Demokratie gewarnt. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Koschyk: Demokratie lebt vom Engagement. Manchmal habe ich schon den Eindruck, dass unser freiheitlicher Rechtsstaat viel zu selbstverständlich genommen wird. Zu viele lehnen sich zurück auf den Zuschauerrängen wie in einem Fußballstadion und meinen, sie seien von oben die besten Spielführer. Aber wir brauchen auch Leute, die nicht nur meckern, sondern runter auf den Platz gehen und selber versuchen, den Ball ins Tor zu schießen.

Aber lassen es nicht die Spieler auch zu lässig angehen? Kontrolliert das Parlament noch die Regierung, gerade in Zeiten der großen Koalition?

Koschyk: Ich habe auch in der großen Koalition immer sehr selbstbewusste Fraktionsvorsitzende erlebt. Sehr oft haben  Fraktionen der Regierung gesagt: Das sehen wir anders und das tragen wir nicht mit. Nie hatte ich das Gefühl, dass Fraktionen Gesetze nur abnicken. Ich erinnere an den Satz des früheren SPD-Fraktionschefs Peter Struck: Nichts kommt aus dem Parlament heraus wie es ins Parlament hineinkam. Das Parlament ist selbstbewusst, könnte aber auch ruhig noch selbstbewusster werden.

Irgendwo muss der Politikbetrieb versagt haben, sonst wäre die AfD heute nicht so stark.

Koschyk:Das Erstarken der AfD ist nicht nur eine Folge des Versagens der Politik, sondern vieler gesellschaftlicher Kräfte: Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen. Extremisten von links und rechts und fundamentalistische Kräfte zurückzudrängen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, damit sie in unserem Land keinen Raum finden.

Wann hat der Abgeordnete Koschyk zuletzt gegen die Linie seiner Fraktion gestimmt?

Koschyk (überlegt): Als es um die Tabakrichtlinie ging. Die ging für mich zu weit. Ich habe mich eher den Mitarbeitern von BAT in Bayreuth verbunden gefühlt.

Haben Sie je bereut, dass Sie Politiker geworden sind?

Koschyk: Nein, zu keiner Stunde. Ich würde es wieder tun.

Ist ihre Familie zu kurz gekommen?

Koschyk: Ohne das Verständnis meiner Frau und meiner drei Kinder für viel Abwesenheit hätte ich diese 27 Jahre nicht bewältigen können.

Haben Sie nichts versäumt?

Koschyk: Doch, viele Phasen des Aufwachsens meiner Kinder habe ich bestimmt nicht so intensiv verfolgen können wie andere Väter.

Verdienen Abgeordnete zu viel Geld oder zu wenig?

Koschyk: Abgeordnete müssen gut ausgestattet sein. Die Richtgröße sind Gehälter von Oberbürgermeistern, Landräten und Abteilungsleitern in Ministerien. Das halte ich für angemessen.

Das gilt auch für die Altersversorgung?

Koschyk:  Ja. Abgeordnete sollten nicht schlechter gestellt sein als andere Träger von Staatsämtern. 

Verraten Sie uns die Höhe Ihrer Abgeordnetenpension?

Koschyk: Ganz ehrlich: Ich habe noch keinen Bescheid bekommen.

Ungefähr?

Koschyk:  Es werden wohl so circa 4500 Euro sein, die ich nach Erreichen der Altersgrenze an Pension bekommen werde.

Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender bei Senivita geworden. Warum?

Koschyk: Ich wollte ein Unternehmen, das in der Pflege tätig ist, beratend begleiten. Ich glaube, das Unternehmen kann von meinen Erfahrungen profitieren. Und ich selbst konnte viel von den Auswirkungen von Gesetzen auf die Arbeit in der Pflege lernen.

Sie sind Ehrenvorsitzender der Kreis-CSU. Welche Rolle möchten Sie künftig in der Kommunalpolitik spielen?

Koschyk: Ich bin auch noch Mitglied im Kreistag. Ich werde diese Aufgaben weiter wahrnehmen, aber zusammen mit anderen in Reih und Glied arbeiten und mit Sicherheit keine herausgehobene Position wahrnehmen.

 Was werden Sie jetzt tun, wozu Sie bisher noch nie Zeit hatten?

Koschyk: Ich bin gerne  in der Natur, gehe gerne Radfahren und Wandern, mache Skilanglauf, fotografiere und lese gerne. All das kam in den letzten Jahren zu kurz. Ich freue mich, dass das jetzt anders wird.

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