Handwerksnachwuchs aus Schanghai

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Was kann China von Oberfranken lernen? Wie man Autos repariert, zum Beispiel. Gerade haben wieder rund 15 chinesische Maschinenbau-Studenten in der Handwerkskammer für Oberfranken in Bayreuth ihre Gesellenprüfung zum Kfz-Mechatroniker abgelegt. Am Donnerstag kam auch noch hoher Besuch: Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner.

 
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Neun Monate lang sind die jungen Chinesen in Bayreuth – und müssen dafür viel Geld in die Hand nehmen. Denn den oberfränkisch-chinesischen Wissenstransfer gibt es nicht gratis. Rund 17.000 Euro kostet die Ausbildung zum Mechatroniker, eine staatliche Förderung gibt es nicht. Wie können sich die jungen Leute das überhaupt leisten?

Geld kommt von der Oma

Das geht nur, weil sie in der Regel sechs Finanziers haben, sagt Zhiming Wu, Uni-Dozent und China-Beauftragter der Handwerkskammer im Gespräch mit dem Kurier. Die Geldgeber, das sind Vater, Mutter, zwei Opas, zwei Omas. Die würden sehr viel Wert auf Bildung legen, damit die Kinder später gute Jobs bekommen. Die duale Ausbildung eröffnet den Bachelor-Studenten aus Schanghai beste Berufschancen. „Jeder bekommt garantiert eine Stelle“, sagt Wu.

Oft hätten sie mehrere Angebote. Von VW, Audi, BMW, Daimler, Bosch, Continental, Brose, ZF oder anderen Autobauern und Zulieferern, die in China schon lange Fabriken unterhalten. Das Geschäft mit der Ausbildung der Chinesen läuft gut und mittlerweile schon zehn Jahre lang. Diesen Samstag holt Wu die nächste Gruppe am Nürnberger Flughafen ab: 14 Studenten aus Schanghai. Als Ilse Aigner den jungen Leuten beim Abschied sagt, dass sie auch gelernte Technikerin ist, geht ein langes "Ooooh" durch die Reihen.

Autos billiger reparieren

Zweite Station für Aigner in Bayreuth ist die Abschlusspräsentation des Projekts „Kfz-Service-Engineering 2020“, eine Gemeinschaftsleistung von Uni Bayreuth, Fraunhofer und der Handwerkskammer. Im Kern ging es bei dem mit Steuergeldern geförderten vierjährigen Projekt darum, neue Reparaturlösungen zu entwickeln, sagt Thomas Koller, Hauptgeschäftsführer der Kammer. Eine defekte Servolenkung, die für 1600 Euro getauscht werden müsse (Handwerker-Anteil 227 Euro), könnte auch für 600 Euro repariert werden. Die Wertschöpfung des Handwerks würde auf über 400 Euro steigen, der Preis für den Kunden sinken.

Nur etwas Wärme

Prof. Rolf Steinhilper, einer der Köpfe des Projekts und passionierter Hobby-Schrauber, will neue Serviceprozesse anstoßen und das Reparieren wieder stärker in die Köpfe bringen. Bei modernen Auto-Scheinwerfern könne man heute nicht mehr die Glühbirne wechseln. Der Scheinwerfer sei zunächst auch gar nicht zu öffnen, weil er verklebt sei. Rund 1600 Euro würde ein Neuer kosten. Es gehe aber auch viel billiger. „Mit etwas Wärme“ könne man die Scheibe abheben – und die LED-Leuchte, die es für ein paar Euro gibt, ersetzen. Erste Handwerker haben sich schon auf Scheinwerfer-Reparaturen spezialisiert.

Ausbildung für Flüchtlinge

Aigner lobte das Handwerk als Leistungsträger. „Wir wissen, was wir am Handwerk haben.“ Die Bayreuther Kammer habe mit dem Projekt ihren Ruf als Technologiekammer untermauert. Bereits am Morgen hatte Aigner sich in Bamberg ein Bild vom HWK-Modell „Assistierte Ausbildung für Flüchtlinge“ gemacht. Seit Anfang September 2015 haben 15 junge Asylbewerber im Raum Bamberg eine Ausbildung im Handwerk begonnen: fünf Bäcker, zwei Anlagenmechaniker, zwei Tiefbaufacharbeiter, ein Glaser, zwei Kfz-Mechatroniker sowie drei Bauten- und Objektbeschichter aus Syrien, Somalia, Sierra Leone, Äthiopien und Afghanistan. Bei Concept Laser in Lichtenfels informierte sich Aigner über Digitalisierung im Handwerk.

Drei Fragen an Wirtschaftsministerin Ilse Aigner

Sie sind auf Informationsreise beim oberfränkischen Handwerk. Ihre Eindrücke bisher?

Ilse Aigner: Eine schlagkräftige, eine innovative Handwerkskammer hier in Oberfranken mit modernem Technologietransfer nach China. Das ist schon ein unglaubliches Spektrum

Sie haben auch Flüchtlinge in Ausbildung besucht. Können Flüchtlinge die Lehrlingsnot lindern?

Aigner: So einfach ist das in der Regel nicht, weil man muss sie erst einmal vorqualifizieren. Da steht ein großer Kraftakt bevor. Aber wir wollen natürlich die jungen Menschen, die zu uns kommen, in Arbeit integrieren. Das ist eine Herausforderung und auch nicht unbegrenzt möglich.

Sie waren selbst mal Handwerkslehrling. Was kann eine Ministerin vom Handwerk lernen?

Aigner: Eine Ministerin kann vom Handwerk immer lernen, dass man hier anpackt und die Probleme nicht theoretisch sondern praktisch angeht und vor allem löst.

Das Gespräch führte Roland Töpfer