Haft für die Hintermänner

Von Marcel Staudt
 Foto: red

Sie handelten fünf Monate lang mit kiloweise Marihuana, müssen aber nicht ins Gefängnis: Zwei junge Auerbacher Dealer wurden von der Großen Jugendkammer des Landgerichts Amberg zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Hintermänner müssen in Haft. Ein Verrat und seine Folgen.

 
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Was der Volksmund als „verpfeifen“ oder „petzen“ bezeichnet, ist im Betäubungsmittelgesetz Paragraf 31 Absatz 1 verankert. Auf Strafmilderung darf jener hoffen, der „durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte“, heißt es wörtlich.

Die große Frage an die Große Jugendkammer war, ob der Verrat des 22-jährigen Benjamin (Namen aller Angeklagten geändert) und des 21-jährigen Lars an dem 26-jährigen Moritz und dem 29-jährigen Daniel ausreicht, um ihnen das Gefängnis zu ersparen. Für die Beantwortung dieser Frage zog sich das Gericht nach den Plädoyers für zwei Stunden zur Urteilsberatung zurück.

Drogenfund im Kofferraum

Staatsanwalt Wagner wollte lediglich Lars den großen Rabatt durch  Paragraf 31 gewähren. Benjamin und Lars waren noch keine zwei Wochen in U-Haft gewesen, da brach Lars vor dem Ermittlungsrichter sein Schweigen. Lars erzählte ihm, wie Benjamin und er immer wieder zu Moritz und Daniel nach Amberg fuhren, um dort jeweils mehrere Hundert Gramm Marihuana zu kaufen. Die Auerbacher verkauften es dann ihrerseits gewinnbringend weiter; fünf Monate lief das so, etwa sechs Kilo Marihuana kamen zusammen. Er sei mehr Mitläufer, Benjamin dagegen die treibende Kraft gewesen.

Zwei Tage nach Lars Aussage wurde die Polizei bei Daniel und Moritz vorstellig. Die Kriminalbeamten durchsuchten eine Garage im Amberger Stadtteil Dreifaltigkeit. Im Kofferraum eines Pkw fanden sie 250 Gramm Haschisch, 280 Ecstasy-Tabletten, 70 Gramm Marihuana und 50 Gramm Kokain.

Erst danach redete auch Benjamin, präzisierte Lars Angaben und benannte Lars als gleichberechtigten Partner. Außerdem verriet Benjamin zwei seiner größeren Abnehmer, was Staatsanwalt Wagner für einen Strafnachlass nicht genügte: „Er hat seine Chance verpasst.“ Daher sollte Benjamin drei Jahre Haftstrafe verbüßen und Lars „mit einigem juristischen Augenzwinkern“ (Wagner) zu zwei Jahren auf Bewährung nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.

Knapper kann man dem Gefängnis nicht entgehen: Eine Freiheitsstrafe, die mehr als zwei Jahre beträgt, darf nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. „Es geht um einsperren oder nicht einsperren“, sagte Benjamins Verteidiger Christian Wiesneth in seinem Plädoyer. Er wollte, dass die Strafe für seinen Mandanten zur Bewährung ausgesetzt wird, schließlich habe auch Benjamin zur Aufdeckung der Taten beigetragen und daher Strafmilderung verdient.

„Das Gesetz sieht Verrat vor“

Hans Wolfgang Euler, der neben Werner Greißinger Lars vertrat, folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft. „Ich schließe mich den Ausführungen ausdrücklich an“, sagte der bekannte Frankfurter Anwalt, der schon Ernst-August von Hannover („Prügel-Prinz“) und die RAF-Terroristin Verena Becker zu seinen Mandanten zählte. Und: „Das Gesetz sieht eben den Verrat vor und belohnt ihn.“

So kam es dann auch: Lars und Benjamin wurden jeweils zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wird. Beide müssen 120 Sozialstunden ableisten und regelmäßig zur Drogenberatung. Außerdem haben sie über ihre Bewährungszeit, die bei Benjamin sogar vier Jahre beträgt, mit vier jährlichen Urinproben nachzuweisen, dass sie drogenfrei sind.

Die Hintermänner müssen dagegen ins Gefängnis. In Moritz sah das Gericht einen Helfer, der Dennis und dessen Kunden Benjamin und Lars regelmäßig zusammenbrachte. Und in Dennis einen Dealer, der mit noch mehr Drogen und weiteren Kunden handelte. Er muss für sechs Jahre in Haft, Moritz — verrechnet mit anderen Straftaten — etwas weniger. Beide werden die Strafzeit teilweise in Entziehungsanstalten verbringen.