Guttenberg: Der Staatsmann war nicht da

Von Thorsten Gütling
Karl-Theodor zu Guttenberg eilt der Ruf des perfekten Staatsmannes voraus. In Kulmbach konnte man davon wenig
spüren, findet Kommentator Thorsten Gütling. Foto: Sven Hoppe/dpa Foto: red

Es ist eine undankbare Aufgabe. Wer kann schon Erwartungen erfüllen, die an einen Messias gestellt werden. Enttäuscht hat Karl-Theodor zu Guttenberg in Kulmbach aber vor allem all jene, die den Adligen bisher wegen seines staatsmännischen Auftretens bewundert hatten.

 
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Ganz zu Beginn gibt es sie noch. Die Momente, in denen zu Guttenbergs Humor noch erfrischend wirkt, in denen er allen voran sich selbst aufs Korn nimmt und zeigt: Da ist jemand, nachdem er beim Abschreiben seiner Doktorarbeit erwischt wurde, in sich gegangen. Da ist jemand geläutert. Beispielsweise als zu Guttenberg sagt, dass er vorne am Bühnenrand stehe und nicht hinter dem Rednerpult, um zu verhindern, dass er eine nicht selbst verfasste Rede ablese. Zu dieser Zeit konnte zu Guttenberg noch nicht ahnen, dass sich unter den Zuhörern auch der Journalist der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ befindet, der vor zwei Wochen über das geplante Engagement von Gerhard Schröder beim Ölkonzern Rosneft titelte: „Alte Liebe rosneft nicht“. Und der zu Guttenberg, wenige Minuten, nachdem der sich in Kulmbach dieses Zitates bedient hatte, gleich das nächste Plagiat vorwirft. Da könnte einem zu Guttenberg schon leidtun.

 

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Aber dann gibt es da auch diese Momente – und es sind viele –, in denen er Sätze sagt, die überraschend platt daherkommen. Bei denen man versucht ist, verschämt wegzuhören. Bei denen man sich fragt: Spricht das wirklich einer, der mal Verteidigungsminister dieses Landes war? Der dafür bekannt ist, dass er auf der ganzen Welt vor Elitestudenten über die internationalen Beziehungen referiert? Diese Gedanken kommen beispielsweise, wenn zu Guttenberg über Sigmar Gabriel sagt, er habe stark abgenommen und insofern nicht alles falsch gemacht. Oder wenn „KT“ den amerikanischen Präsidenten Donald Trump erst als „blonden Wüterich“, dann als den „lustigen Dickmops mit dem ebenso lustigen Haarschnitt“ bezeichnet und schließlich von Trump und seinem Vizepräsidenten Mike Pence sagt, dass sich wohl nicht einmal Walt Disney habe träumen lassen, dass einmal Donald und Micky die USA regierten.

Klartext statt Etikette

Diplomatisch ist das nicht. Und aus dem Mund eines Adeligen, dem der Ruf eines galanten Staatsmannes vorauseilt, klingt das komisch, beinahe aufgesetzt. Aber Diplomatie ist auch nicht der Titel des Abends, sondern „Klartext“. Und um die Etikette muss sich zu Guttenberg an diesem Abend sowieso nicht scheren. Die meisten sind gekommen, ihn zu feiern. Das können nicht einmal Witze wie dieser verhindern, in dem zu Guttenberg seinen Neffen nach der Bedeutung von Mariä Himmelfahrt gefragt und als Antwort erhalten haben will: „Das habe ich auch auf Nintendo.“

Richtig in Fahrt klatscht sich das Publikum, als „KT“ über Leitkultur spricht. Sätze wie „Wer sich als Flüchtling bei uns strafbar macht, muss weg, und zwar schnell“ haben schon Politiker jeglicher Couleur gesagt. Drei Minuten tosenden Applaus haben dafür aber die wenigsten bekommen.

Alles furchtbar schade

Das alles ist furchtbar schade. Nicht nur, weil der bei der FAZ geklaute Rosneft-Witz seine zuvor gezeigten Reue- und Demutsbekenntnisse gleich wieder zunichte zu machen droht. Sondern noch viel mehr, weil an diesem Abend auch immer wieder aufblitzt, was zu Guttenberg der deutschen Politik alles bieten könnte. Sein Auftritt in Kulmbach zeigt, dass er den Menschen die wirtschaftlichen und geostrategischen Zusammenhänge unterhaltsam erklären kann. Dass die Menschen an zu Guttenbergs Lippen hängen, wenn er ihnen erklärt, dass die weit entfernt scheinenden Krisenherde Einfluss auf die Renten hier im Land haben können und uns eben auch deshalb nicht egal sein sollten.

Er wäre doch so wichtig

Und zu Guttenberg hat in der Politwelt einen beinahe einzigartigen Vorsprung. Es bräuchte mehr Politiker, die bereit seien, für eine gute Sache zu scheitern, sagt er. Wer, wenn nicht er, der bereits erlebt hat, dass sich die Welt auch für Gescheiterte weiterdreht, könnte ein solches Scheitern auf sich nehmen.

Am Ende steht zu Guttenberg auf der Bühne, minutenlang, umgeben von donnerndem Applaus, Getrampel und begeisterten Pfiffen. Zu Guttenberg nickt und hebt besänftigend die Hände, als wolle er sagen: „Ich hab doch gar nichts gemacht.“ Als der Applaus nicht abebbt, zeigt er verschämt auf Weggefährten, die er im Publikum entdeckt, beinahe so, als wolle er endlich von sich ablenken.

Abgeliefert aber nicht ausgeschöpft

Beim neutralen Beobachter kann an diesem Abend der Eindruck entstehen: „KT“ hat abgeliefert in der alten Heimat. Sein Potenzial ausgeschöpft hat er aber nicht.

thorsten.guetling@nordbayerischer-kurier.de

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