Psychiater sagt im Wiederaufnahmeverfahren aus Gutachter schließt Wahn bei Mollath nicht aus

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Wahnkrank vielleicht, gefährlich auf keinen Fall: Das ist das Ergebnis, zu dem der Münchner Psychiatrieprofessor Norbert Nedopil (66) kam. Im Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht stellte er sein Gutachten über Gustl Mollath (57) vor. Der zeigte sich vor den Kameras der Journalisten enttäuscht. „Eine Gruppe von Leuten hat mich über die Klinge springen lassen.“

 
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Gutachter Nedopil attestiert Mollath die gleichen auffälligen Persönlichkeitszüge wie die Gutachter zuvor. Mollath sei unter anderem rigide, kompromisslos, rechthaberisch oder egozentrisch. Seine Selbstüberschätzung zeige sich darin, dass er gemeint habe, mit vier Seiten eines Flugblattes die größte Friedensdemonstration der Welt ins Leben gerufen zu haben. Dass es zu ständigen Konflikten mit seinen Mitpatienten gekommen sei, belege: Mollath ignoriere die Bedürfnisse anderer. Aber eine Persönlichkeitsstörung sei „ohne weitere Erkenntnisquellen“ nicht festzumachen.

Allerdings müsste Mollath sich, um dies festzumachen, untersuchen lassen. Und das hat er auch im Wiederaufnahmeverfahren nicht gemacht. Nedopil hält Mollath zugute, dass er im Jahr 2001, als er seine Frau misshandelt haben soll, in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen sei. Allerdings muss er einräumen: „Was ich über Mollath weiß, ist herzlich wenig.“ Also bleibt ihm, mit dem Mollath auch nicht spricht, nur das, was andere Gutachter vor ihm hatten: Mollaths Schreiben. Und darin seien „durchaus Informationen erhalten“, die eine Einschätzung ermöglichen. Außerdem sei in der Verhandlung in Regensburg das Verhalten des Angeklagten „erkennbar“ gewesen.

Allerdings ist die Situation der Regensburger Verhandlung eine andere als die der Verhandlung in Nürnberg, nach der Mollath zwar freigesprochen, aber in der Psychiatrie untergebracht wurde. Und trotzdem weist sie Ähnlichkeiten auf. „Gericht und Mollath wollten nicht das Gleiche im Jahr 2006“, sagte Nedopil. Den Juristen ging es um die Misshandlungen seiner Frau und Reifenstechereien, Mollath ging es darum, einen Finanzskandal aufzuklären. Es ging ihm um „Existenzielles“. Nedopil: „Er hatte das, worum es ging, nicht aus den Augen verloren.“ Ein Charakterzug, der für Geradlinigkeit spreche oder Beharrlichkeit. Oder wenn man es negativ ausdrückt: stur, starrsinnig und engstirnig.
Nicht die Geldverschiebungen, die Mollath seiner Frau und einer Reihe von Menschen unterstellte, seien das Problem, sondern, ob die Machenschaften dieser Menschen nahezu alle Ereignisse, die Mollath widerfuhren, erklären konnten und er für andere Erklärungsmodelle nicht mehr zugänglich gewesen sei.

So bot ihm ein Psychiater in Erlagen an, in „wenigen Tagen“ ein Gutachten zu erstellen. Sonst könne das für ihn ungünstig werden. Mollath machte daraus, dass der Erlanger Psychiater ihm ein günstiges Gutachten angeboten habe, wenn er die Geldverschiebungen außen vor lasse. Denn er hatte zufällig entdeckt, dass der Psychiater neben einem Kunden der Bank wohnte, der er vorwarf, in die Geldschiebereien verwickelt zu sein. Mollath gab auch an, die geschäftliche Beziehung zwischen dem Bank-Kunden und dem benachbarten Psychiater „aufgedeckt“ zu haben. „Allein die Nachbarschaft als Zugehörigkeit zu Gelderschieberkreisen“ zeige „ein System, das sich von den meisten Menschen abhebt“.

Nedopils Fazit: „Tatsächlich wäre es damals richtig gewesen zu sagen, dass der Realitäts-Bezug von Mollath fehle.“ Eine Wahnkrankheit sei nicht auszuschließen, könne aber auch nicht bestätigt werden.

Nedopil: „Aus meiner Sicht ist es nachvollziehbar, dass die Diagnose einer wahnhaften Störung erwogen werden muss, weil die Persönlichkeit von Mollath jene Züge enthält, die  … Kennzeichen enthält, die wahnhafte Symptome entwickeln.“ Allerdings nur in besonderen Situationen. „Wie wenn der Schlüssel in das passende Schloss hineinfällt.“

Mollath war in einer Ausnahmesituation, „die nachvollziehbar zu einer Änderung der Persönlichkeit geführt haben kann“. Er habe Überzeugungen gewonnen, die er auf Personen übertagen habe, für die diese nicht gerechtfertigt gewesen seien. Mollath habe seine politische Überzeugung so dargestellt, wie sie nicht in Wirklichkeit waren Deshalb hält Nedopil die Diagnose seiner Vorgänger für „nachvollziehbar“. Eine wahnhaften Störung liege auch dann vor, „wenn die Dinge eine reale Basis haben“, so der Gutachter. Dies gelte allerdings nur für den Vorwurf, Mollath habe seine Frau misshandelt.

Bei den Reifenstechereien, derer Mollath angeklagt ist, sieht der Gutachter keine Gefahr. Sie seien nicht auf einen Wahn zurückzuführen. Mollath habe eine berechtigte Wut gehabt. Und – vorausgesetzt er hat 126 Reifen zerstört – sei dies eine „normalpsychologische Reaktion“. Und kein Wahn. Also auch keine Gefährlichkeit. Nedopil schloss allerdings eine Einschränkung der  Steuerungsfähigkeit bei Mollath nicht ganz aus. Das heißt, Mollath wäre für die Reifenstechereien nicht zu verurteilen, wegen verminderter Schuldfähigkeit.
Folgt das Gericht dem Gutachter, dann entfallen die Gründe für eine Unterbringung Mollaths in die Psychiatrie. Er hätte dann sieben Jahre zu Unrecht dort verbracht.

Mollath und seine Verteidiger haben sich noch nicht vor Gericht zu dem Gutachten geäußert.

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