Betriebswirt findet trotz Qualifikation keine Arbeit Kulmbach: Hartz IV-Empfänger schreibt Buch über seine Erfahrungen

Von Peter Engelbrecht
Der Buchautor, der nicht erkannt werden will, mit seinem Werk. Foto: Wittek Foto: red

„Ich schäme mich“. Das ist der erste Gedanke, als Max Frey das erste Mal in seinem Leben eine Arbeitsagentur betritt. Über seine Erfahrungen als Hartz-IV-Empfänger hat der 34-jährige Kulmbacher ein Buch geschrieben. Es ist ein bitterer Lebensbericht, denn die Arbeitslosigkeit macht Max Frey krank.

 
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Die deutsche Wirtschaft boomt, die Stimmung der Verbraucher ist optimistisch. So wird es uns jeden Tag über die Medien erzählt. Doch wer sind die Gewinner des Booms und wer sind die Verlierer? Die Frage stellt Max Frey. Der Betriebswirt will seinen wahren Namen nicht nennen, um in Kulmbach nicht erkannt zu werden; er veröffentlicht sein erstes Buch unter Pseudonym.

Frey selbst sieht sich auf der Seite der Verlierer. Er zeichnet ein schonungsloses Bild seines Schicksals, das ihn trotz einer guten Berufsausbildung und eines erfolgreichen Betriebswirtschaftsstudiums in die ausweglose Lage eines Hartz IV-Empfängers bringt. Wut und Empörung über die Ungerechtigkeit dieser Gesellschaft machen sich Luft, denn selbst ein Studium ist offenbar keine Garantie dafür, eine ordentlich bezahlte Arbeit zu finden. „Die gesetzlich zugesicherte Chancengleichheit gibt es nicht, solange raffgierige Banker und Politiker das Sagen haben“, lautet seine zornige Bilanz. Mit dem Buch will Frey einen Beitrag zu einem ehrlicheren Bild unserer Gesellschaft leisten und anderen in der gleichen Situation Mut machen.

Frey hat sein BWL-Studium im September 2006 erfolgreich abgeschlossen, rutscht dann in Hartz-IV, da er zwangsläufig nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. „Meine 60 Bewerbungen bundesweit waren erfolglos“, berichtet er. Entweder fehlte die Berufserfahrung oder ein Auslandsaufenthalt oder einfach beides. „Das war lachhaft. Wir haben doch einen Wirtschaftsboom und einen Fachkräftemangel“, zitiert er tägliche Nachrichten. Für 1500 Euro brutto im Monat findet er schließlich eine Arbeit in einer Steuerkanzlei. „Ich habe das akzeptiert, um aus meiner ausweglosen Situation wieder herauszukommen“, sagt er. Doch nach einiger Zeit hatte er Probleme, mit dem Arbeitsdruck fertig zu werden, Frey verlässt die Firma.

Die Arbeitsagentur in Kulmbach ist für ihn nicht zuständig, schickt ihn zum Jobcenter. Dort verpflichtet man ihn zu einem Fortbildungskurs, bei dem er nach eigener Erinnerung das Ein- und Ausschalten des Computers und das Arbeiten mit dem Programm Word lernt, um einen Lebenslauf richtig schreiben zu können. „Das hat mir überhaupt nichts gebracht.“ Die Fortbildungsprogramme der Arbeitsagentur haben laut Frey hauptsächlich den Zweck, Arbeitslose aus der amtlichen Statistik fallenzulassen.

Die ausweglose Situation macht ihn krank, er landet in der Bezirksklinik in Bayreuth. Auch die Kurse zur beruflichen Reintegration für psychisch Kranke scheinen sinnlos: Teilweise sei die Gruppe eine Woche lang ohne Dozent gewesen, die Stellensuche im Internet hätte er auch selbst von zu Hause aus erledigen können. Trotz aller Hoffnungslosigkeit will Frey kämpfen: „Hartz IV beziehen, bis ich 100 Jahre alt bin? Nein, danke.“

Die Kurse sollten Arbeitslosen helfen, Bewerbungsunterlagen zu erstellen oder diese „aufzupeppen“, versichert Horst Vormann, Pressesprecher des Jobcenters Kulmbach auf Anfrage unserer Zeitung. „Es kann sein, dass Arbeitslose mit einem Studienabschluss hier unterfordert sind“, räumt er ein. Der Fall sei „korrekt gelaufen“, alle Förderungen seien gewährt worden.

Max Frey: Die Ware Leben, Erfahrungsbericht eines Hartz-IV-Empfängers, Weimarer Schiller-Presse, Frankfurt, ISBN 978-3-8372-1408-6, 87 Seiten, 10,80 Euro. Der Autor ist unter der E-mail-Adresse maxfrey79@web.de erreichbar.

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