Grusel mit dem Holländer

Von Gordian Beck
Kay Stiefermann in der Rolle des fliegenden Holländers. Foto: Jörg Schulze/Bayreuther Festspiele Foto: red

Mit der Kinderoper legen sich die Bayreuther Festspiele ganz schön ins Zeug. Diesmal mit einem richtig guten "Holländer", der unseren Kritiker - man höre und staune - mit den Ohren sehen ließ. 

 
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Kindermund tut Wahrheit kund. Wie denn Kinder auch als das härteste Publikum der Welt gelten. Wie gestern am späten Vormittag in der Probebühne IV der Bayreuther Festspiele zu erleben war. Da hatte der „Fliegende Holländer“ Premiere. Rund eine Stunde Wagner für Kinder. Und die saßen denn auch in der großen Mehrheit auf der Tribüne und stimmten am Ende dröhnend mit den Füßen ab. Erstaunlich war dabei, wie abgestuft dies geschah. Wen man für gut, wen man für herausragend, wen man für „nun ja“ befand, all dies ließ sich verblüffend klar aus dem Beifall der jungen Zuhörerschaft heraushören.

Demnach hat dieser Holländer durch die Bank hindurch sehr gefallen, vermutlich auch deshalb, weil Julia Huebner in ihrer Regiearbeit höchst solide gearbeitet und eine durchwegs verständliche Bilderwelt geschaffen hat. Auf der einen Seite Senta, ganz auf ihr Zimmer fixiert – eine Art Schaukasten, in sterilem Weiß gehalten – auf der anderen Seite der Holländer, unter einer Plane in einem schäbig blauen Ruderboot hausend. Ein Fernseher verbindet die beiden Welten; Senta (Christiane Kohl) nutzt ihn, um sich, auf dem Boden liegend, leicht gelangweilt einen „Holländer-Comic“ reinzuziehen. Leider war der Comic nur für einen Teil des Publikums zu sehen; im Publikum links wurde dies prompt bissig kommentiert.

Kino für die Ohren

Nichtsdestotrotz, beim Auftritt des Holländers war das junge Publikum wieder voll bei der Sache. Was insbesondere Kay Stiefermann zuzuschreiben ist. Einen „Holländer“ mit einem derart schwarz gefärbten Bariton hört man selten. Und Stiefermann wusste zudem seine Stimme punktgenau effektvoll einzusetzen. Das war großes Kino für die Ohren. Zudem hatte dieser „Holländer“ nicht nur in seiner Stimme jenen Sehnsuchts- und Gruselfaktor, der ihn für Senta so attraktiv macht, nein, auch von seinem Auftreten her, brachte Stiefermann alles mit, um die Faszination Sentas verständlich zu machen.

Eine Faszination, die Huebner im Übrigen so inszeniert hat, dass sie durchwegs glaubhaft ist. So steht etwa in der einen Ecke Sentas Zimmer eine lebensgroße Pappfigur des Holländers, allerdings mit einem Paar Engelsflügel verziert. Eine Mädchenfantasie, umso dramatischer wirkt dann die tatsächliche Gegenüberstellung mit dem hier fast schon geisterhaft wirkenden Stiefermann. Und hier wird denn auch die romantisch verklärte Liebe Sentas gebrochen; von diese Punkt an ist Sentas Liebe eine Lebensaufgabe, die vor allem Willen und Kraft verlangt. Das ist seitens der Regie gut auf den Punkt gebracht, zumal Kohl bereits in der Holländer-Ballade zu Beginn des zweiten Teils jene Kraft, Energie und Willen demonstrierte, die sie am Ende dazu brachten, mit einem kleinen Hüpfer aus dem wohl behüteten, aber kalten Mädchenzimmer in die graue Welt des Holländers zu springen.

Daland stapelt Goldbarren

Zurück bleiben die anderen, die Figuren am Rand: der geldgierige, verwahrlost wirkende Daland, etwa – Jukka Rasilainen gab ihn mit sonorem Bass als Goldbarren stapelnder Clown –, der leicht sentimentale Steuermann – David Ameln sang ihn in klarer Diktion und fein geführtem Tenor – oder der traurige Naturbursche Erik, dem Charles Kim leider auch stimmlich nur wenig Leben einzuhauchen wusste. Dieses Los teilte auch die Mary Eva Maria Summeres – auch im Original eher eine undankbare Rolle.

Umso dankbarer war man im Publikum über die Leistung des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt an der Oder. Ein in übersichtlicher Besetzung angetretener Klangkörper, der es jedoch unter der engagierten wie feinfühligen Leitung Boris Schäfers schaffte, einen typischen Wagnerklang zu kreieren. Chapeau! Das sah das Publikum im Übrigen auch so – die Kinder brachten die Tribüne entsprechend zum Beben.

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