Oberfrankens Kammern wünschen sich mehr Unternehmergeist Keine Gründer-Stimmung mehr?

Von Elmar Schatz
Werden sie mal Firmen gründen? Die Neugier dafür haben diese Kinder schon. Foto: egs Foto: red

Die oberfränkischen Kammern wünschen sich mehr Gründerstimmung. Doch lässt der Trend zur Selbstständigkeit in der Region tatsächlich besorgniserregend nach?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

In Industrie und Handel wurden vergangenes Jahr oberfrankenweit 6243 Neugründungen gezählt, im Jahr 2006 waren es aber noch mehr als 9000, teilt Oliver Gießübel, der Vize-Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Oberfranken in Bayreuth, mit.

Im oberfränkischen Handwerk sei die Zahl der Existenzgründungen tendenziell zwar ebenfalls rückläufig, sagt Thomas Koller, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer in Bayreuth. Mit 860 Gründungen im vergangenen Jahr (2013: 881) sei die Zahl aber noch sehr passabel.

Koller: "Wir wollen keine Kümmer-Existenzen"

Wichtig sei vor allem die Qualität der neuen Betriebe, betont Koller: „Wir wollen keine Kümmer-Existenzen.“  Ein Meister starte erfahrungsgemäß erfolgreicher in die neue Existenz als jemand, der aus der Arbeitslosigkeit komme. Die Handwerkskammer berate potenzielle Gründer.

Wer sein Handwerksunternehmen gut vorbereitet und hervorragend qualifiziert aufbaue, der schaffe in der Regel in fünf bis sechs Jahren sieben bis acht Arbeitsplätze. Ein typischer Handwerksbetrieb habe fünf Beschäftigte. Die Zahl der Betriebe im oberfränkischen Handwerk sei mit aktuell 16 227 nahezu konstant, das seien 39 mehr als im Vorjahr.

Lieber sicherer Job als das Risiko Selbstständigkeit

Potenzielle Firmengründer entschieden sich bei der guten Konjunktur heute eher für einen sicheren Arbeitsplatz als für den Schritt in die Selbstständigkeit, stellen Koller und Gießübel fest. Gießübel betont, das bedeute andererseits, die Mehrzahl der Interessenten für eine Betriebsgründung, die bei der IHK ein Gründungskonzept vorlegt, tue dies vornehmlich aus unternehmerischem Antrieb. Nicht aber aus Mangel an beruflichen Alternativen.

Der IHK-Vizepräsident: „Für diese Menschen ist das eigene Unternehmen nicht nur eine Notlösung, sondern erste Wahl.“ Dementsprechend gut vorbereitet „gehen sie in die Beratung und tauschen sich in Gründerzentren mit anderen Existenzgründern aus“. Gießübel hebt hervor: „So beginnen erfolgreiche Unternehmensgeschichten.“

IHK: Firmengründer vor hohen Bürokratiehürden

Existenzgründern stünden jedoch leider häufig hohe Bürokratiehürden im Weg. Auch das sei ein Grund, warum viele vor einer Gründung zurückschreckten. Gießübel wünscht sich: „Es müsste möglich sein, innerhalb eines Monats ein Unternehmen zu gründen, inklusive aller erforderlichen Genehmigungen.“

Die IHK biete einen Gründerservice aus einer Hand an – von der Erstberatung bis zu Hilfen bei Förderanträgen und Gewerbeanzeigen. Im Deutschland-Vergleich sei es aber in Oberfranken um das Gründerinteresse noch gut bestellt: Denn bundesweit sei die Zahl der Beratungsgespräche mit potenziellen Existenzgründern bei den IHKs 2014 im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent gesunken, bei der IHK Oberfranken aber habe es einen leichten Anstieg gegeben: 4400 Gespräche hätten die Berater insgesamt registriert.

Die Zahl der Selbstständigen sinkt deutschlandweit stark

Deutschlandweit erreichte die Zahl der Selbstständigen im Jahr 2011 ihren Höhepunkt, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach sank sie bis 2014 um knapp 150 000 Personen oder reichlich drei Prozent. Der Rückgang hat sich im laufenden Jahr fortgesetzt. So war die Zahl der Selbstständigen im zweiten Quartal um fast 100 000 oder 2,2 Prozent kleiner als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Dass Deutschland bei Existenzgründungen hinterherhinke, liege zum Teil an der guten Konjunktur. Der Druck, den Schritt in die Selbstständigkeit zu tun, ist momentan geringer. Gießübel bedauert eine fehlende „Gründerkultur“ in Deutschland. „Wir brauchen ein Umdenken, das mehr Anerkennung für Gründer und Mut zum Risiko entstehen lässt – und die Angst vor dem Scheitern nimmt.“

In der Schule müssten Wirtschaft und Unternehmertum  – etwa in Form eines Schulfachs – eine größere Rolle bekommen. Ein Lob spricht der IHK-Vize der Universität Bayreuth aus; sie vermittle Studenten unternehmerisches Denken. Viele Start-ups seien im innovativen Umfeld der Unis und Hochschulen entstanden.

Nachfolger gesucht

Wir brauchen mehr junge Unternehmer“, betont Thomas Koller, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer in Bayreuth. Etwa ein Viertel der oberfränkischen Handwerksbetriebe suche in den kommenden Jahren einen Nachfolger. Ein Betrieb müsse allerdings tragfähig sein und sich am Markt behaupten können. Derzeit biete die Energiewende gute Chancen für Selbstständige. Ausbildungsgänge würden angepasst, damit Handwerker in der neuen Welt des energieeffizienten Bauens, altersgerechten Wohnens oder des Elektroautos erfolgreich arbeiten könnten.