Große Unsicherheit nach Putschversuch

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Nach dem Putschversuch in der vergangenen Woche blicken die wichtigsten deutschen Exportbranchen mit Sorge auf die wirtschaftliche Lage in der Türkei. Vertreter der Automobilindustrie und des Maschinenbaus sehen ihre Geschäfte gefährdet.

 
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„Im Bezirk der IHK für Oberfranken Bayreuth haben rund 90 Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit der Türkei“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführerin Christi Degen auf Kurier-Anfrage. „Die Ereignisse in der Türkei sorgen für Verunsicherung. Wir gehen davon aus, dass viele Unternehmen zunächst eine abwartende Haltung einnehmen werden, insbesondere auch in Bezug auf geplante Investitionen“, so Degen weiter.

Wichtiger Handelspartner

Um die genauen Auswirkungen der jüngsten Ereignisse auf die Geschäftsbeziehungen oberfränkischer Unternehmen zu benennen, sei es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Die weitere politische Entwicklung in der Türkei bleibe zunächst abzuwarten. Bayern importierte nach Kammerangaben aus der Türkei 2015 Waren im Wert von 2,6 Milliarden Euro und exportierte im Wert von 3,1 Milliarden Euro. „Damit rangiert die Türkei unter unseren 20 wichtigsten Handelspartnern“, sagte die Kammer-Hauptgeschäftsführerin. Oberfränkische Unternehmen würden unter anderem direkt oder indirekt Chemieprodukte, Maschinen und Fahrzeugteile in die Türkei liefern.

Kein gutes Umfeld

„Politisch unruhige Zeiten sind grundsätzlich kein gutes Umfeld für Investitionen“, teilte auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mit. Mögliche Investitionen in der Türkei würden jetzt sicherlich „besonders kritisch geprüft“. Auch für die deutsche Autoindustrie sei nun entscheidend, „dass dieses Land wieder zur politischen Stabilität zurückfindet und damit Planbarkeit für die Unternehmen gegeben ist. Dies gilt auch für die Rechtsstaatlichkeit“, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) mitteilte.

Wachsender Automarkt

Die Türkei ist für die Autohersteller seit Jahren ein wichtiger Wachstumsmarkt. Mit steigendem Wohlstand konnten sich immer mehr Türken den Traum vom eigenen Auto erfüllen. So hat sich seit 2007 der türkische Automarkt mehr als verdoppelt. Noch im vergangenen Jahr legte die Zahl der Neuwagen um 24 Prozent auf mehr als 725.000 Stück zu. Eine bedeutende Rolle spielen die deutschen Autoschmieden: Der Anteil von Fahrzeugen deutscher Konzernmarken betrug laut VDA zuletzt knapp 45 Prozent. Autos, Motoren oder Fahrzeugteile mit einem Wert von rund sieben Milliarden Euro wurden 2015 in die Türkei exportiert.

Auch für den deutschen Maschinenbau ist das Land nach VDMA-Angaben ein „interessanter Markt“, in den nahezu die gesamte Bandbreite an Technologien geliefert werde. 2015 wurden Maschinen mit einem Wert von 3,8 Milliarden Euro exportiert. Dies entspricht einem Zuwachs von 8,5 Prozent. Zudem erfülle die Türkei mit ihrer geografischen Lage eine „wichtige Drehscheibenfunktion in die Nachbarländer“.

Unter den Top 20

Im gesamten deutschen Außenhandel spielt die Türkei in den Top 20: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts rangierte das Land im vergangenen Jahr auf Rang 14 der größten Abnehmer deutscher Waren (22,4 Milliarden Euro). Damit lag die Türkei noch vor Russland, Japan oder Südkorea. Rund 60 Prozent aller deutschen Exporte entfielen auf den Maschinenbau sowie auf die Automobil- und die Chemiebranche. Allein in diesen drei Wirtschaftsbereichen wurden Waren mit einem Volumen von insgesamt 14 Milliarden Euro in die Türkei exportiert.

Doch die zunehmend unsichere politische Lage dämpft offenbar die Aussichten vieler deutscher Geschäftszweige: Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, sieht neue Geschäftsdeals bedroht. Ein Abfluss des Kapitals habe zudem bereits eingesetzt. Dabei ist die Türkei auf Geldgeber aus dem Ausland angewiesen. Hintergrund ist das chronisch hohe Leistungsbilanzdefizit des türkischen Staats. Das Land verbraucht wesentlich mehr Waren und Dienstleistungen als es exportiert – und baut somit Auslandsschulden auf.

Ramschniveau droht

Hauptursache für das Ungleichgewicht im Außenhandel ist nach Angaben des Auswärtigen Amts die hohe Abhängigkeit von importierten Energie- und Rohstoffen sowie Vorerzeugnissen für die Industrie. Damit nicht genug: Auch die Kreditwürdigkeit der Türkei steht nun offenbar auf dem Spiel. Wegen der unsicheren Lage nach dem gescheiterten Staatscoup erwägen die Bonitätsprüfer von Moody’s, das Rating der Türkei auf Ramschniveau zu senken. Durch die Auswirkungen der Unruhen könnten sich Reformen und das wirtschaftliche Wachstum deutlich verzögern, so die Annahme.

Mit Material von dpa

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