Gottschalk spielt coole Retro-Mucke

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Moderator Thomas Gottschalk tritt jeden ersten Sonntag im Monat gegen den Tatort an. Die erste, dreistündige Sendung scheint ihm viel Spaß gemacht zu haben - und den meisten Hörern auch. Foto: Alexander Heinl/dpa Foto: red

Thomas Gottschalk und Martin Luther, Katholik und Protestant: Geht das zusammen? Ja, weil der Moderator den Ausspruch des Reformators „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ zum Leitspruch seiner Bayern 1-Radioshow machte. Nach kurzer Zeit des Zuhörens musste selbst einem kritischen Hörer aufgehen: Radio ist das, was Gottschalk einfach am besten kann.

 
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Eine Reise mit der Zeitmaschine, so fühlte sich dieser Abend an. Es war wieder wie in den Achtzigern, als Thomas Gottschalk, der Kulmbacher, am BR-Mikrofon lustige, freche Sprüche riss und gute Musik auflegte. Okay, den Kassettenrekorder lässt man wie damals heute nicht mehr mitlaufen, weil es sowas ja gar nicht mehr gibt. Dafür lässt sich alles problemlos im Internet nachhören. Mit der ersten Bayern 1 Radioshow zeigte der 66-Jährige, dass er das immer noch drauf hat: Anekdoten erzählen, spontan reagieren, im Wahnsinnstempo quasseln - und damit die Leute unterhalten.

Geschichten von früher

Als gegen 20 Uhr am Sonntag zuhause die Frage aufkam, Gottschalk oder der Frankfurt-“Tatort“, fiel die Wahl aufs Radio. Wie wird die Musikauswahl des Entertainers sei? Ob er Geschichten von früher, vielleicht sogar aus seiner Heimatstadt, erzählt? Zwar machte der Moderator in dem Jahr Abitur, in dem die Autorin dieser Zeilen geboren worden ist. Das macht aber nichts. Gottschalk war in den Achtzigern Kult, ob im BR, im ZDF mit „Na sowas“ oder seinen „Supernasen“-Kinofilmen mit Mike Krüger. Lang, lang ist’s her.

Erstaunlich jugendliche Stimme

Obwohl der frühere „Wetten, dass..?“-Moderator längst in den Ruhestand gehen könnte, macht er weiter. Und das, zumindest am Mikrofon, mit einer erstaunlichen, jugendlichen Frische. Das eigene Alter und das der Zuhörer brachte Gottschalk immer wieder zur Sprache. Mit ihm sind ja auch seine Fans gealtert, also was soll’s? Er sei einer der wenigen Prominenten, die das Jahr 2016 überlebt hätten, sagte Gottschalk. David Bowie und Leonard Cohen sind nicht mehr unter uns, doch ein tröstlicher Gedanke bleibt: Ihre Musik wird den Tod überdauern. Wie sie spielte Gottschalk weitere Unsterbliche wie Johnny Cash, die Rolling Stones, Queen oder Status Quo.

"Von mir ist man Unsinn gewohnt"

So entstand eine Sendung, die sich überraschend vom üblichen Mainstream-Rock in den Radiosendern durchaus angenehm abhob. „Ich spiele, was ich kenne und was man von mir zu Recht erwartet“, sagte Gottschalk. „Ich erzähle das dazu, was man von mir immer gewohnt ist, nämlich mehr oder weniger großen Unsinn – das macht Spaß!“ Arbeit sei das keine, was er da mache. Der 66-Jährige plauderte über Miley Cyrus, die ihm ein Haus abgekauft habe. Den davor stehenden Berliner Bären, ein Geschenk, habe er selbst mit der Schubkarre abtransportiert. Dafür spielte er Mileys kaum bekannte Cover-Version des Beatles-Songs „Lucy in The Sky With Diamonds“.

Kommissar ermittelt im Studio

Ein bisschen kamen auch die „Tatort“-Fans auf ihre Kosten. Denn Gottschalk holte sich selbst einen Kommissar ins Studio: Axel Milberg, den Kieler Ermittler Borowski. Sie redeten über Milbergs Leseprojekte und die zunehmende Gewalt in den TV-Krimis. Ein Thema jagte das nächste, langweilig wurde es nie. Denn Milberg durfte ebenfalls Songs auswählen und wünschte sich „Junimond“ von Rio Reiser. Er werde künftig mehr deutsche Lieder spielen, sagte Gottschalk in Anspielung auf eine Leserzuschrift. Als ihm mitgeteilt wurde, dass er eben ein riesiges Thema auf Twitter sei, sagte er nur trocken: „Axel, das geht uns doch am Arsch vorbei.“ Und erinnerte daran, dass er sich früher solche Ausfälligkeiten im Radio nicht habe leisten dürfen.

"Schön war's!"

Der BR meldete am Montag stolz, über Facebook eine halbe Million Menschen mit dem Comeback erreicht zu haben. Eine überwältigende Mehrheit der Kommentatoren habe sich positiv geäußert. „Thomas Gottschalk zurück im BR – das ist jetzt schon die genialste Idee 2017!“ lautete ein Kommentar. Knapp 1000 Tweets seien abgesetzt worden. Tweets wie: „Schön war’s“ über „Großartig!“ bis zu „Danke Thommy, war echt klasse!“ 250 Mails seien zur oder während der Sendung eingegange

Eine nicht-repräsentative Umfrage auf der BR-Homepage lässt die Reaktionen nicht ganz so gut aussehen: Nur 14,5 Prozent derjenigen, die abstimmten, fanden die Radioshow „super“. Dass sie kein großer Wurf gewesen sei, befanden 41,6 Prozent. „Durchgefallen“ war sie gar bei 43,3 Prozent. Das könnte mit der jüngeren Zielgruppe von Online-Medien zu tun haben. Eine genaue Reichweitenmessung sei nicht möglich, erklärte Pressesprecherin Sonja Christlein. Erst die nächste Media-Analyse verrate darüber mehr. Durchschnittlich erreicht Bayern 1 drei Millionen Hörer täglich.

Info: Bei Sat.1 soll Thomas Gottschalk künftig die Show „Little Big Shots“ moderieren. Bei RTL soll „Mensch Gottschalk - Das bewegt Deutschland“ fortgesetzt werden.

 

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