Der Titanwurz und sein Blüh-Rekord im Ökologisch-Botanischen Garten der Uni Bayreuth: Gestank zieht 4500 Menschen an

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Der Titanwurz, die größte Blume der Welt, lässt sich normalerweise Zeit. Zwei Jahre dauert es von Blüte zu Blüte. Der Bayreuther Titanwurz, der im Ökologisch-Botanischen Garten (ÖBG) der Uni sein Zuhause hat, hat es eiliger. Zehn Monate. Weltrekord. Der Rekord-Wutz und sein charakteristischer Duft nach vergammeltem Fleisch wirkt anziehend. Mehr als 3500 Menschen strömen allein am Wochenende zur Uni.

 
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Die Beschreibung des Geruchs, den der Titanwurz verströmt, lässt viel Raum zur Phantasie. Abgestandenes Bier, muffelnde Socken, Mundgeruch vom Hund. Sehr nahe ran kommt die Beschreibung eines Besuchers am Samstagabend beim Verlassen des Gewächshauses: "Riecht aweng wie a gfreggde Maus, gell?" Gregor Aas, der Direktor des ÖBG konkretisiert: "Gfreggde Maus nach drei Tagen unterm Schrank kommt schon hin." Am Samstagabend erreicht der Duft nach vergammelndem Fleisch seinen Höhepunkt. Wenige Stunden ist die Pflanze da offen, gegen 14 Uhr hat sie ihre Blütenblätter vom Kolben weggeklappt.

Die Besucher kommen. Es sind viele schon am Samstagabend, die einen kurzen Blick auf die riesige Pflanze werfen wollen, die normalerweise nur im Urwald von Sumatra in freier Natur wächst. "So, schnell a Näsla vull gnumma. Etzat kömma zum Essn", ruft eine Besucherin Gregor Aas und den Helfern aus dem Förderverein des ÖBG beim Gehen zu. 30 Freiwillige decken seit Mittwoch und am  Wochenende die langen Öffnungszeiten ab. "Anders würde das gar nicht gehen", sagt Gregor Aas.

1650 Besucher allein am Samstag

Rund 1650 Menschen kommen am Samstag, dem ersten Blüh-Tag, am Sonntag werden es noch einmal gut 2000, die allein wegen der stinkenden Blume kommen. Gregor Aas sagt am Sonntag: "Der Titanwurz hat die Nacht gut verbracht. Er riecht sogar noch ein bisschen. Das wundert mich selber." Normalerweise duftet die Pflanze nur wenige Stunden nach verwesendem Fleisch. "Ich habe den Eindruck, sie hat stärker gerochen als beim ersten Mal", sagt Aas. Es seien - anders als beim ersten Mal vor zehn Monaten - sogar Aaskäfer über die Lüftungsklappen des Tropenwaldhauses zum Titanwurz gelangt. Ein Beleg, dass die Pflanze auch hier ihr Ziel erreicht: Mit dem Duft Käfer anzulocken. Über viele Kilometer weit, damit die in der Blüte herumkrabbeln, Pollen aufsammeln und dann in den nächsten blühenden Titanwurz fliegen, um ihn zu bestäuben - und so für die Fortpflanzung der riesigen Blumen zu sorgen. "Eine Täuschung sorgt für Fortpflanzung. Das ist das Verrückte an dieser hoch anfälligen Pflanze."

Dass die Besucher nicht mehr in so riesigen Mengen kommen wie vor zehn Monaten findet Aas nicht schlimm. Im Gegenteil: "Möglichst viele Menschen durchzuschleusen ist ja nicht das Ziel. Die Leute sollen was mitnehmen von ihrem Besuch hier. Wir wollen ihnen etwas über die Besonderheit dieser Pflanze erzählen können." Deshalb stehen Aas, seine Kollegin Marianne Lauerer und viele Helfer am Wochenende Stunde um Stunde vor dem Titanwurz, erklären die Faszination, die Phasen des Wachstums. Und warum es so besonders ist, dass die Blume zwei Mal in so kurzer Zeit blüht.

Rekord lag bei 19 Monaten

Aas sagt, bei keiner der etwa 120 Pflanzen, die weltweit in Kulturen gehalten werden, habe es das bisher gegeben: Dass eine Titanwurz so kurz hintereinander eine Blüte bildet, sei ein Rekord. Dass sie ein zweites Mal blüht, ohne vorher eine Blatt-Phase gehabt zu haben, sei einzigartig in der Welt. In Basel, sagt Aas, blühte ein Titanwurz bislang zwei Mal innerhalb von 19 Monaten. Mit Blattphase. "Wir haben extra mit denen gesprochen. Die haben es nicht glauben können, was bei uns passiert."

16 Jahre hat es bis zur ersten Blüte gedauert, zehn Monate bis zur zweiten. Jetzt steht die Mannschaft des ÖGB vor der großen Herausforderung, den Titanwurz - einen von drei in Bayreuth - "über die Ruhephase zu bringen. Die Knolle muss herausgenommen werden aus dem Topf, darf dabei nicht verletzt werden, sonst können Infektionen entstehen", sagt Aas. "Da man nicht weiß, wenn sie wieder loslegt, ist gärtnerisches Fingerspitzengefühl gefragt beim Gießen." Nicht zu viel sonst fault der Wurz. Nicht zu wenig. Sonst vertrocknet er.

Doch egal, wie lange er bis zur nächsten Blüte braucht: der stinkende Wurz ist Botschafter für den Botanischen Garten. "Viele sind durch den Titanwurz auf uns aufmerksam geworden. Und der Altersdurchschnitt hat sich verändert", sagt Aas.   

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