Die deutsche Rodel-Legende im Interview Georg Hackl: "Das Lernen hört nie auf"

Von Jürgen Schott
Wiedersehen: Während Georg Hackl noch quicklebendig in der Rodelszene mitwirkt, ist einer seiner früheren Schlitten im Museum gelandet.Foto: Franziska Kraufmann/dpa Foto: red

Seit neun Jahren rodelt er nicht mehr selbst, doch zu sagen hat Georg Hackl (48) immer noch eine Menge. Der dreifache Olympiasieger (1992, 1994 und 1998) und zehnmalige Weltmeister (sieben Mal mit dem Team) aus Berchtesgaden ist seinem Sport als Trainer der besten deutschen Schlittensportler erhalten geblieben. Am Freitag ist Hackl beim Ökonomiekongress der Universität Bayreuth, wir sprachen schon vorher mit ihm.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

„Von den Besten lernen“ – so lautet das Thema des derzeit laufenden 7. Ökonomiekongresses an der Uni Bayreuth. Sind Sie als dreimaliger Olympiasieger und nun als Trainer noch immer in einer Lernphase oder eher in der Rolle desjenigen, der sein Wissen als „Bester“ weitergibt?
Georg Hackl (lacht): Es sollte eigentlich bei jedem Menschen angekommen sein, dass das Lernen, solange man lebt, nie aufhört. Ich wollte irgendwann mal der Beste sein, aber um dahin zu kommen, muss man von den Besten lernen. Wenn man das im Leben beherzigt, kommt man sehr gut voran.

Nach der 2006 beendeten Karriere haben Sie sich nicht zurückgelehnt, sondern wieder gelernt und die Ausbildung zum Diplomtrainer in Köln als Jahrgangsbester mit Note 1,1 abgeschlossen. Hätten Sie es sich nicht auch leichter machen können?
Hackl: Es war für mich eine große Überraschung, dass die Ausbildung so gut gelaufen ist. Schulbank drücken und lernen war nämlich nicht immer meine Stärke. Dadurch, dass ich es mir im Sport angeeignet habe, autodidaktisch zu lernen, und durch die Motivation, für eine Sache zu lernen, der man sich mit Leidenschaft verschrieben hat, klappte es besser als erwartet und hat mich in gewisser Weise auch stolz gemacht. Es ist im Normalfall nicht so meins, mir den leichtesten Weg auszusuchen. Aber auch wenn man fleißig ist, kann man nicht alle Bereiche optimal abdecken. Wo es meine Ressourcen übersteigt, mache ich es mir also durchaus schon mal einfacher und lasse mir helfen.

Von wem haben Sie gelernt oder wovon haben Sie profitiert, nachdem Sie in Ihrer sportlichen Karriere bereits oben waren?
Hackl: Ich gehe mit offenen Augen durch die Gegend und merke, wenn jemand seinen Bereich im Griff, seinen Schreibtisch aufgeräumt hat. So was beeindruckt mich, und ich versuche dann, es wirken zu lassen und mir auch zu eigen zu machen – was aber nicht immer gut klappt. Daraus lernen zu wollen, ist aber das Wichtigste.

Sind nach Ihren Erfahrungen „die Besten“ auch in ausreichendem Maße bereit, ihr Wissen preis- und weiterzugeben?
Hackl: Die Besten wären dumm, wenn sie grenzenlos gratis ihr Wissen preisgäben. Was man sich selbst erarbeitet hat, besitzt einen sehr großen Wert. Und das schmeißt man ja nicht so einfach den anderen in den Rachen. Einem, der etwas einfach kopiert, es gedanklich aber nicht durchdrungen hat, nützt die Kopie meist auch gar nicht. Gegenüber der Konkurrenz muss man die eigenen Erkenntnisse wirksam schützen. Anders ist es beim „inner circle“, der einander unbedingt vertraut, da muss man seine Erkenntnisse natürlich teilen und die Hintergründe erläutern. Wer zu meinem Team gehört, soll dann auch von meinen Informationen profitieren.

Sie arbeiten mit Rodel-Bundestrainer Norbert Loch zusammen und sind ein anerkannter Spezialist auf dem Gebiet der Rennschlittentechnik. War das ein nahtloser Übergang nach Karriereende oder ein schwieriger?
Hackl: Sehr nahtlos, weil man voll im Metier ist und die technischen Hintergründe sowie die Leute gut kennt. Es nahm nur Zeit in Anspruch, sein Team zu formieren. Die jungen Sportler, die hinzukommen, müssen sich gut einfügen. Im Augenblick sind alle kooperativ, bringen ihre eigenen Stärken ein und profitieren von denen der anderen. Das ist ideal, kann und wird aber mit anderen Leuten nicht immer so laufen. Ich habe schon etwas Angst vor dem Tag, an dem innerhalb des Teams Konflikte entstehen. Es ist die schwierigste Aufgabe für den Trainer, auf sozialer Ebene für eine kooperative Stimmung zu sorgen.

Digitalisierung ist ein großes Thema an diesen beiden Kongress-Tagen in Bayreuth. Wie sind Ihre Erfahrungen mit den neuen Medien, der neuen Art, Nachrichten zu verbreiten?
Hackl: Gleichermaßen positiv wie negativ. Diese Medien sind einfach zu bedienen, werden gerade von Jungen gern genutzt, aber du bist im Internet auch irgendwie gläsern. Ich persönlich brauche Facebook nicht, um mich darzustellen.

Ein Vortragsthema in Bayreuth lautet: „Die sieben Thesen glücklichen und erfolgreichen Führens“; wie lauten zwei oder drei persönliche Thesen von Ihnen dazu?
Hackl: Wie wir als junge Menschen geführt wurden, nämlich absolut autoritär, das funktioniert heute nicht mehr. Und es ist auch nicht mein Stil. Ich habe es früher über mich ergehen lassen, möchte es aber selbst nicht umsetzen. Viele schwören noch auf diesen Führungsstil, aber die jungen Leute heutzutage lassen sich auch nicht so viel gefallen wie wir, die wir von Lehrern noch Ohrfeigen bekommen haben. Auch harte Ansagen wie „Das wird jetzt so gemacht“ funktionieren nicht mehr. Mein Credo ist, die Leute durch überzeugende Argumente in die richtige Spur zu bringen. Wer keine stichhaltigen Argumente liefern kann, muss es freilich auch zulassen, dass jemand seine eigenen, womöglich negativen, Erfahrungen macht.

Katja Kraus, frühere Fußball-Nationalspielerin, spricht an der Bayreuther Uni darüber, wie man das Scheitern lernen kann. Wie sind Sie mit Situationen umgegangen, in denen es anders lief als erhofft?
Hackl: Scheitern gehört dazu. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Und daraus folgt, dass man aus dem Scheitern die richtigen Schlüsse zieht. Der richtige Umgang mit Misserfolgen führt unweigerlich wieder zum Erfolg.

Fällt Ihnen dazu spontan eine eigene Erfahrung ein?
Hackl: Nichts Konkretes, das wäre auch zu speziell. Aber: Nach dem Scheitern muss man glasklar herausfinden, woran es gelegen hat. Falsche Begründungen führen zu falschen Schlüssen, so dass man den Holzweg eventuell weiter beschreitet. Scharfsinnige Analyse und logische Begründungen müssen zeigen, warum was schief lief. Dann ist es einfach, einen neuen Weg zu gehen, auf dem man dann aber auch überwachen muss: Geht es jetzt wirklich besser oder schlechter?

Ex-Fußball-Nationaltorhüter Jens Lehmann äußert sich in Bayreuth zu „Schnelldenken unter Hochdruck“ – erinnern Sie sich an Situationen mit blitzschnellem Umdenken, das während Ihrer Sportlerlaufbahn nötig wurde? Wie bereite(te)n Sie sich auf solche Fälle vor?
Hackl: Umdenken ist im Sport das tägliche Brot. Man muss binnen Sekundenbruchteilen die Situation realisieren, eine Entscheidung treffen und die dann ausführen. Man muss wissen, was schiefgehen kann, muss eine Strategie dafür parat haben. Antizipation ist das Wesen des Rennsports und wird täglich bis zum Exzess trainiert.

Das Interview mit Ihnen wird der Schlusspunkt des Bayreuther Kongresses sein – mit welchen Fragen rechnen Sie als unzählige Male Interviewter? Haben Sie sich speziell vorbereitet?
Hackl: Ich kann ja nur erzählen, was ich kenne und worüber ich Bescheid weiß. Deshalb lasse ich die Sache mal auf mich zukommen.

Kein Interview aber mit dem Hackl-Schorsch ohne spezielle Rodel-Fragen, hier noch zwei: Woran tüfteln Sie derzeit? Kommen in Ihrem Sport weitere Neuerungen nach Teamstaffel und Sprint?
Hackl: Ich habe gerade heute Vormittag mit dem Julian von Schleinitz (dreimaliger Junioren-Weltmeister; d. Red.) eine neue Form für seinen Schlitten gebastelt, das Modell, aus dem dann die Verkleidung gegossen wird. Ganz normales Handwerk. Und das andere: Der Sport sollte immer an sich arbeiten, um attraktiv zu bleiben, für den Zuschauer spannend, aber verständlich. Das ist mit der Teamstaffel sehr, sehr gut gelungen. Ein tolles Format, das ja auch auf Anhieb olympisch geworden ist. Die Fernsehleute, die Sportler, die Zuschauer lieben es. Man sollte aber die Sportarten nicht mit zu vielen Formaten versehen, siehe Biathlon, deshalb sehe ich den Rodel-Sprint etwas differenzierter, zumal entscheidende Leistungsparameter ausgeklammert werden, wenn etwa der Start fliegend erfolgt. Da könnte man ja gleich ein Seifenkistenrennen machen.

Fünf Kernsätze von Georg Hackl:

- Es sollte eigentlich bei jedem Menschen angekommen sein, dass das Lernen, solange man lebt, nie aufhört.

- Ich merke, wenn jemand seinen Bereich im Griff, seinen Schreibtisch aufgeräumt hat. So was beeindruckt mich, und ich versuche dann, es wirken zu lassen und mir auch zu eigen zu machen.

- Was man sich selbst erarbeitet hat, besitzt einen sehr großen Wert. Die Besten wären dumm, wenn sie grenzenlos gratis ihr Wissen an den Wettbewerber preisgäben.

- Mein Credo ist, die Leute durch überzeugende Argumente in die richtige Spur zu bringen.

- Der richtige Umgang mit Misserfolgen führt unweigerlich wieder zum Erfolg.

Lesen Sie auch:

Google-Manager Lars Lehne: Vom Silicon Valley lernen

Erfolgreich führen: Sieben Thesen von ProSiebenSat1-Chefin Katja Hofem

das Programm des 7. Bayreuther Ökonomiekongresses

Hier sehen Sie ein Video der Vorbereitungen zum Ökonomiekongress:

Bilder