"Die positiven Wirkungen ihrer Wertpapierkäufe werden wohl überschaubar bleiben" Bayreuther Professor Herz: Geldflut löst Probleme nicht

Von Elmar Schatz
 Foto: red

Der Bayreuther Volkswirtschaftler Bernhard Herz betrachtet die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), in großem Umfang Staatsanleihen zu kaufen, mit Sorge. Wo lauern die Gefahren?

 
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Herr Professor Herz, erleben wir tatsächlich eine Schicksalswoche, was den Euro, unser Geld, betrifft?

Professor Bernhard Herz: Zumindest erleben wir eine sehr spektakuläre Woche mit der lange vorbereiteten Ankündigung der EZB, die Märkte mit Euro zu fluten. So dramatisch die Ankündigungen der EZB auch klingen, die positiven Wirkungen ihrer Wertpapierkäufe werden wohl leider überschaubar bleiben. Die Zinsen sind schon heute auf einem Rekordtief und können kaum nocht weiter sinken. Die wirtschaftlichen Probleme in einer Reihe von Euro-Ländern sind im Wesentlichen hausgemacht und können nicht durch einen Geldflut im gesamten Euroraum gelöst werden. 

Welche Risiken und Nebenwirkungen haben die Schuldscheinkäufe mit Zentralbankgeld, die die EZB beschlossen hat?

Herz: Seit der Finanzkrise hat die EZB in bisher ungekanntem Ausmaß Schuldscheine aufgekauft und damit zusätzliches Geld in Umlauf gebracht. Sie hat damit auch Schuldscheine zweifelhafter Qualität gekauft. Diese Risiken tragen letztlich auch die deutschen Steuerzahler. Das zusätzlich in Umlauf gebrachte Geld könnte auch zu Preisblasen führen, etwa auf den Aktien- und Immobilienmärkten. Wenn solche Preisblasen platzen, dann drohen schwerwiegende wirtschaftliche Probleme. Auch die große Finanzkrise begann schließlich mit dem Platzen einer Preisblase, in diesem Fall auf den Immobilienmärkten in den USA. 

Der Kauf von Staatsanleihen dürfte den Euro weiter schwächen – gut oder schlecht für die deutsche Wirtschaft?

Herz: Der Euro hat seit letztem Sommer gegenüber dem Dollar rund ein Fünftel abgewertet. Das ist gut für deutsche Unternehmen, die in die USA exportieren, da sie jetzt wettbewerbsfähiger sind. Umgekehrt ist es schlecht für Unternehmen, die Vorprodukte und Dienstleistungen US-amerikanischer Unternehmen importieren, da diese teurer werden. Das gilt natürlich auch für die Verbraucher, die amerikanische Waren kaufen oder in den USA Urlaub machen wollen. Auch Öl und Benzin werden dadurch teurer.

Sparer machen sich große Sorgen um ihr Geld – berechtigter- oder unberechtigterweise?

Herz: Die Sorgen der Sparer kann ich schon nachvollziehen. Mit dem weiteren Fluten der Finanzmärkte werden die Aussichten, dass die Sparer wieder höhere Zinsen bekommen, noch weiter in die Zukunft verschoben. Es ist nur zu hoffen, dass uns nicht auch noch schweizerische Verhältnisse drohen. Dort sind inzwischen die Zinsen für solide Anlagen bis zu einer Laufzeit von rund acht Jahren negativ. Es drohen dem Sparer also Strafzinsen. Auch die Risiken, die mit dem Kauf von Staatsanleihen zweifelhafter Qualität durch die EZB verbunden sind, sind real. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die EZB zumindest für ihr jetziges Kaufprogramm vereinbart hat, dass die Ausfallrisiken zum größten Teil von den betreffenden Ländern selbst zu tragen sind. Trotz aller dieser Probleme gibt es aber auch weiterhin kein Grund  zu unüberlegten Anlage- und Kaufentscheidungen.

Herr Professor, würden Sie dem Laien ganz schlicht erklären: Was ist Deflation und deren Wirkung?

Herz: Wir sprechen von Deflation, wenn die Preise im Durchschnitt sinken, wenn wir also weniger Geld für den Lebensunterhalt ausgeben müssen. In den letzten Monaten hat sich der Ölpreis halbiert, während andere Produkte - vor allem Lebensmittel - etwas teurer geworden sind. Insgesamt geht daher das Preisniveau etwas zurück; die Preise sinken im Durchschnitt also etwas. Ein solcher vorübergehender Rückgang des Preisniveaus ist unproblematisch - im Gegenteil, er kann die Konjunktur stärken, weil den Menschen das Geld, das sie beim Tanken sparen, für andere Dinge ausgeben können. Problematisch könnte eine dauerhafte Deflation sein, eine Situation also, in der die Menschen davon ausgehen, dass die Preise zukünftig andauernd sinken. Dann könnten sie den Kauf neuer Produkte in der Hoffnung aufschieben, zukünftig die gleichen Produkte billiger kaufen zu können. Auch wenn EZB-Präsident Draghi immer wieder ein solches Szenario dauerhafter Deflation an die Wand malt, spricht doch sehr viel dafür, dass die aktuelle, sehr geringe Deflation vor allem den sinkenden Energiepreisen geschuldet und daher nur vorübergehender Natur ist.

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