Festival Junger Künstler geht zuende

Von Anne Müller
Das Abschlusskonzert in der Stadtkirche beim Festival junger Künstler widmete sich den "unerhörten" Komponisten. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Das Festival Junger Künstler Bayreuth 2016 hat seinen Schlusspunkt in der Stadtkirche gesetzt. Ein Schlusspunkt, der das Motto „Kultur ist Verständigung“ auf eine eindringliche musikalische Art umsetzte. Das Orchester „Camerata Orphica“ unter der Leitung des französischen Dirigenten Amaury du Closel spielte drei Werke von Komponisten, die während des Dritten Reichs diffamiert wurden und lange Zeit in Deutschland nicht zu hören waren.

 
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Erwin Schulhoffs „Fünf Stücke für Streicher“, das „Concerto Funèbre“ von Karl Amadeus Hartmann und Mendelssohn-Bartholdys „Symphonie für Streicher Nr 9“ stehen in einem starken Zusammenhang, gerade wenn es um die Freiheit der Kunst und der Meinung geht. Das Konzert am Donnerstag stand auch im Zusammenhang mit einem größeren, europaweiten Projekt namens „1945 Europa im Jahr Null“. Die Camerata Orphica spielt in diesem Rahmen fast nur Stücke von Komponisten, die totalitären Regimen zum Opfer gefallen sind. „Diese Werke zu spielen, bringt die jungen Menschen in diesem Orchester zusammen, lässt sie verstehen, wie breit gefächert die europäische Kultur ist und schafft Versöhnung“, so Amaury du Closel. „Wir bringen Komponisten zu Gehör, die sonst verschwunden und vergessen sein würden.“

Ungewohnte Klänge

Die Klänge, die Akkorde und Intervalle von Schulhoffs „Fünf Stücken für Streicher“ waren den Gesichtsausdrücken der Zuhörer nach zu urteilen wirklich ungewohnt, doch nicht minder faszinierend. Immer wieder wanderten die Blicke zum Programm mit dem Titel „Echo des Unerhörten“, um die Tragik von Schulhoffs Leben nachzulesen. Der tschechische Komponist, der so experimentierfreudig komponierte wie kaum einer seiner Zeitgenossen, war überzeugter Kommunist und starb 1942 in einem Internierungslager. In seinen 1923 komponierten Stücken kommen die Stimmen des Kammerorchesters oft wie in einer Fuge einzeln zu Wort, und die Stimmungen wechseln von Satz zu Satz. Besonders der Tango, der vierte Satz der fünf Stücke, war ein spannungsvolles Duett zwischen den ersten Violinen und den Celli, das beeindruckend gelang.

Ein Stück wie ein Aufschrei

Prof. Mario Hossen, der künstlerische Leiter der Camerata Orphica, trat als Solist bei einem Stück auf, das wie ein entsetzter Aufschrei wirkte – und auch als solches komponiert wurde. 1938 entstand das Werk, als Karl Amadeus Hartmann seinen Protest gegen den deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei musikalisch auszudrücken versuchte. Das „Concerto Funèbre“, das Hossen und dem Camerata Orphica höchste Konzentration abverlangte, war das wohl eindringlichste Orchesterwerk, das heuer beim Festival aufgeführt wurde. Hossen, der völlig in der Musik versunken den Tonumfang seiner Violine voll ausreizte, übersetzte Hartmanns Verzweiflung, seine Abwehrhaltung und schließlich die Resignation eindrucksvoll.

Nazis verboten Mendelssohn-Bartholdy

Zum Abschluss des Festivals hatten die Musiker ein Werk von Felix Mendelssohn-Bartholdy ausgewählt, das zwar öfter als Harmanns und Schulhoffs Musik gespielt wird, nichtsdestotrotz aber in gleicher Tradition des „Unerhörten“ steht. „Obwohl Mendelssohn schon fast 100 Jahre tot war, ließen die Nazis 1936 alle seine Denkmäler in den deutschen Städten abreißen und verboten seine Musik“, erklärte Amaury du Closel. „Für mich ist die Musik eine universelle Sprache, die auch interkulturelle Differenzen überwindet. Und Geschichte ist für uns nicht nur Gedächtnis, sondern soll eine greifbare Verbindung zur Gegenwart herstellen.“

Umarmungen zum Schluss

Das lebensfrohe und temperamentvolle Werk mit den vielen Dynamik- und Tempowechseln schien auf die schönen Seiten des Lebens aufmerksam machen zu wollen. Diese Aufgabe ist dem Orchester Camerata Orphica hervorragend gelungen. Die Symbolkraft dieses Konzertes bewegte nicht nur die Zuhörer zu einem minutenlangen Schlussapplaus, auch die jungen Musiker, die aus verschiedenen Ländern stammen, umarmten sich bewegt nach diesem einmaligen Konzerterlebnis.