Neues Dach, neue Fassade: Nürnberger Firmen mit dubiosen Verträgen auf Kundenfang in Pegnitz Gefährliche Geschäfte an der Gartentür

Von und Sabine Strickstroc
Sogenannte Dachhaie ziehen zurzeit verstärkt durch Pegnitz und versuchen mit vermeintlichen Preisschnäppchen die Kunden zu locken. ⋌Foto: Archiv/dpa Foto: red

Die ältere Dame werkelt im Garten. Plötzlich spricht sie ein unbekannter Mann an: „Ihre Hausfassade sieht schlecht aus, da muss unbedingt was gemacht werden.“ Und schon drückt er ihr einen Vertrag in die Hand, dass die Fassade neu gemacht wird. Kostenpunkt 6000 Euro. Zwei Tage später steht das Gerüst da.

 
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Als die Frau ihrem Schwiegersohn davon erzählt und ihm das Papier zeigt, stutzt der erst einmal. Kein offizieller Vertrag und es fehlt vor allem die gesetzlich vorgeschriebene Widerspruchsklausel. Auch der Preis ist nur handschriftlich eingetragen, keine Mehrwertsteuer aufgeführt und im Kleingedruckten steht, dass sich der Endpreis nach Aufmaß berechnet. Mündlich hatte man der älteren Dame dann noch angeboten, wenn sie die Hälfte sofort in bar zahle, ließe sich beim Preis noch etwas machen. „Ich habe dann sofort Widerspruch bei der Firma aus Nürnberg eingelegt“, erzählt der Pegnitzer (Name der Redaktion bekannt) weiter. Der Vertreter habe dann ziemlich schnell auf sein resolutes Auftreten reagiert und gesagt, dass aber auf jeden Fall die Gerüstkosten bezahlt werden müssten. „Ich habe denen dann recht deutlich meine Meinung gesagt“, so der Pegnitzer und ein paar Tage später wurde das Gerüst auch wieder abgebaut. Eine Rechnung kam bislang nicht.

In Pegnitz treten zurzeit häufiger solche Auftragsjagden auf, gerade im Bereich von Fassaden und Dächern, weiß auch Martin Lenk, Chef des gleichnamigen Dachdeckerbetriebes. Er hat selber schon in seiner unmittelbaren Nachbarschaft beobachtet, dass Mitarbeiter, ebenfalls einer Nürnberger Firma, bei den Leuten geklingelt haben. „Verboten ist das ja nicht, denn meistens sind die Firmen ja in die Handwerksrolle eingetragen“, so Lenk. Nach seiner Erfahrung handelt es sich meist um überteuerte Angebote und werde auch schnell zur Unterschrift gedrängt. Lenk mahnt zur Vorsicht bei solchen Haustürgeschäften und rät, sich weitere Angebote von einem Fachmann einzuholen oder vorher mit der Handwerkskammer zu sprechen. „Man sollte sich überlegen, warum eine Firma aus Nürnberg so weit fährt, um Aufträge zu holen. Haben sie keine Arbeit oder ist ihre Qualität so schlecht?“

Auch die Dachdeckerinnung Bayreuth warnt nachdrücklich vor spontanen Aufträgen an der Gartentür, so Joachim Lenkeit, zuständiger PR-Beauftragter der Innung und selbst Dachdeckermeister. Er appelliert, erst einmal bei der zuständigen Innung anzurufen und zu klären, ob der Betrieb Mitglied ist. Vor einer Auftragserteilung sollte man sich zudem wenigstens „zwei oder drei Angebote“ von Firmen einholen und „keinesfalls sofort unterschreiben“, macht Lenkeit deutlich. Denn: Aus dem Vertrag wieder herauszukommen, „ist schwierig“. Ist die betreffende Firma nicht bei der Handwerkskammer für das betreffende Gewerk gelistet, ist eine Vertragsaufhebung weniger problematisch. Denn dann ist der Betrieb gar nicht dazu berechtigt, derlei Arbeiten auszuführen. Das wurde beispielsweise einer Firma aus dem Landkreis Bayreuth zum Verhängnis, die von der Innung dabei erwischt wurde: „Die Firma wurde mit Anzeige und Bußgeld wegen unberechtigter Handwerksausübung belegt“, erzählt Lenkeit. Wird der Betrieb ein zweites Mal dabei erwischt, „wird das richtig teuer.“

Dass die Masche mit den Haustürgeschäften aber immer noch funktioniert, verwundert auch Lenkeit. Aber was wohl einfach zu verlockend ist, ist das meist durchaus seriöse Auftreten und vor allem der überaus günstige Preis: „Das blendet.“ Der Auftrag, der angeblich etwa 100 bis 250 Euro kostet, soll auch sofort unterschrieben werden. Ist der Vertrag aber erst einmal unterzeichnet, ist der auch bindend. Die danach so teuren Posten auf der Rechnung, verbergen sich in den „Vertragsdetails“, weiß Lenkeit.

Das Problem „Dachhai“ ist dabei kein neues und deutschlandweit ein Thema, nur die Masche hat sich verändert: „Die werden immer dreister“, ergänzt Innungs-Geschäftsführer Reinhard Bauer.

Vor Haustürgeschäften warnt auch der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks. Ulrike Heuberger, Pressesprecherin des Verbandes, erklärt dazu: „Insbesondere ältere Hausbesitzer in Wohngebieten mit Ein- oder Zwei-Familienhäusern werden von den Dach- und Fassadenhaien gern über den Tisch gezogen.“ Sie rät zur Vorsicht, wenn ein Handwerker „unangekündigt vor der Haustür steht, darauf hinweist, er habe gerade in der Nachbarschaft zu tun gehabt und dabei einen kleineren Schaden am Dach entdeckt, den er gleich preiswert reparieren könne.“ Trotz intensiver Aufklärungsarbeit würden darauf immer noch viele Menschen hereinfallen.

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