Gedächtnis der Stadt in Gefahr

Von Michael Weiser
Das Bayreuther Stadtarchiv. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Frust zwischen Aktenbergen:  Ein Archivar geht frühzeitig in den Ruhestand, weil die Stadt in seinen Augen ihr Archiv vernachlässigt. Und Stadträte sehen die Zukunft des Archivs in Gefahr. Christoph Rabenstein  (SPD) und Norbert Aas (Grüne) schlagen nun mit einem Antrag Alarm.

 
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Das Stadtarchiv muss umziehen, so viel ist sicher. Es wird in einen Neubau an der Bernecker Straße ziehen, dort, wo jetzt das Schreibmaschinenmuseum beheimatet ist – das scheint nach der Zustimmung des Stadtrats wahrscheinlich. Wie aber wird es umziehen, und wie effizient kann es in Zukunft arbeiten? Da bleiben Fragen offen. Und das liegt daran, dass jetzt ein Archivar die Brocken hingeschmissen hat. Walter Bartel ist vorzeitig in Ruhestand gegangen. Weil er nicht mehr glaubt, dass das Stadtarchiv so weiterarbeiten kann.

Um zu verstehen, wie er dazu kommt, kann man sich vergegenwärtigen, wie das in der Vergangenheit für gelegentliche Nutzer lief. Man erkundigte sich wegen einer Angelegenheit, erhielt in der Regel schnell Bescheid – und fand dann im Lesesaal einen Stapel gut geordneter Dokumente vor, versehen mit gelben Einmerkern: Dort lohnt es sich zu lesen. Die Archivare in Bayreuth leisteten Bemerkenswertes, sie leisten überhaupt mehr, als die Infrastruktur hoffen ließe.

Zu eng, zu dunkel, altmodisch

Es passt kaum mehr etwas hinein. Es ist eng und dunkel dort, technisch ist man andernorts viel weiter. Immerhin hat Bartel Findbücher eingerichtet, man kann im Internet nachschauen, was im Bayreuther Archiv eigentlich liegt. Aber: Die Sorgfalt und Wertschätzung, die das Gedächtnis der Stadt seiner Ansicht nach verdient hätten, bekam das Archiv nicht. „Kein Mensch kümmert sich, kein Mensch macht sich Gedanken“, sagte er auf Nachfrage zu seinem Abschied. Mit ihm geht viel Kompetenz, Bartel kennt sich gleichermaßen in Aktenkonvoluten wie in Bayreuther Geschichte aus. Seine Meinung war dennoch nicht gefragt. „Es hat kein Gespräch stattgefunden“, sagt Bartel, der nunmehr seinen Ruhestand vorgezogen hat.

Was wiederum  zwei Stadträten die Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Es sei von „großer Wichtigkeit, dass der professionelle Betrieb des Archivs aufrecht erhalten werden kann“, schreiben Christoph Rabenstein von der SPD und Norbert Haas von den Grünen in ihrem gemeinsamem Antrag. Sie fordern aus diesem Grund, dass Bartel annähernd gleichwertig ersetzt wird. Und plädieren für das Ende einer Bayreuther Eigenart: dass die Leitung des Historischen Museums auch für das Stadtarchiv zuständig ist. Für diese Trennung sehen sie gute Gründe: Martina Ruppert, seit Juni im Amt, ist mit der Neuausrichtung des Museums vollkommen ausgefüllt. Und die Herausforderungen für das Archiv sind so groß, dass sie nur von einem exzellenten Fachmann gemeistert werden können.

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„Wir können es uns nicht leisten, aus Gründen des Sparens auf eine adäquate Neubesetzung zu verzichten“, sagt Christoph Rabenstein. Wie sein Kollege Norbert Aas ist er Historiker – und daher vom Wert eines Archivs nicht erst zu überzeugen. Es hat sich daher bei der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns erkundigt – und folgendes erfahren. Erstens, dass die Experten die Bayreuther Einrichtung zu den „bedeutenden kommunalen Archiven auf bayerischem Boden“ zählen. Zweitens: dass Städte vergleichbarer Größe mehr Personal einsetzen. In Bamberg zum Beispiel weist die Generaldirektion einen Beamten des höheren Dienstes als Leiter plus sechs Mitarbeiter aus. Drittens: Die Generaldirektion weist auf die hohen Anforderungen hin, die dem Archivar „heute in vermehrtem Umfange Spezialkenntnisse“ abverlangten.

Bamberg und andere haben stärkere Truppen

In Bayreuth arbeiten nach Bartels Ausscheiden zwei Archivarinnen und Museumschefin Martina Ruppert als Leiterin. Eine kleine Truppe, gemessen an den großen Herausforderungen. Ein Umzug steht bevor, in den nächsten Jahren muss es dann aufnehmen, was in Jahrzehnten zu kleiner Magazine im Rathaus liegen geblieben ist. 3000 laufende Meter könnten das werden, das Dreifache von dem, was bislang im Archiv liegt. Es muss auch noch andere Archive bearbeiten, wie das Bernd-Mayer-Archiv. Und es muss für den digitalen Wandel gerüstet werden, für den Umstand auch, dass die angeblich perfekten neuen Speichermedien oft nicht annähernd so haltbar sind wie Papier.

Auch Museum steht vor Herausforderungen

Martina  Ruppert wird sich tatsächlich kaum um den Umzug kümmern können. Sie ist keine Archivarin, muss sich nach Jahren des Stillstands vor allem erstmal ums Historische Museum kümmern. Es soll sich neu orientieren, stärker in Richtung von Themen wie Nationalsozialismus oder Industriegeschichte. „Ich leite das Haus, das am schlechtesten dasteht“, sagte sie bei ihrem Amtsantritt, „die halbe Stelle, die ich zuvor innegehabt hatte, wurde eingespart.“ Historisches Museum und Archiv seien zu trennen, das findet daher auch Kulturreferent Fabian Kern: „Mittel- oder langfristig wäre das auf jeden Fall sinnvoll.“ 

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Den für diesen Fall notwendigen Archivleiter aber will die Stadt fürs erste nicht einstellen. Die Stadt hat Bartels Stelle geschwind ausgeschrieben. In dieser Woche sprechen die ersten Bewerber vor, für einen Job, bei dessen Besoldungsklasse der so genannte gehobene Dienst beginnt. „Wir brauchen jemanden, der volle Ahnung hat, die volle Ausbildung“, sagt Christoph Rabenstein, um etwa beratend bei den Planungen für den in den Neubau mitzuwirken. Beim Bayreuther Sparmpodell könnte das schwierig werden, schwant es ihm.

 

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