Früherer Chef der Spinnerei in U-Haft

Von Peter Engelbrecht
Der Chef der Spinnerei Mainleus, Marco Marchetti, nach der Übernahme. Foto: Melitta Burger/Archiv Foto: red

Marco Marchetti, der frühere Besitzer der Kulmbacher Spinnerei in Mainleus, sitzt in der Schweiz in Untersuchungshaft. Das bestätigte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Inzwischen schwinden die Chancen, dass frühere Mitarbeiter eine Bürgschaft in Millionenhöhe zurückbezahlt bekommen.

 
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Gegen den Manager mit Wohnsitz in der Schweiz sei ein Verfahren wegen Vermögensdelikten anhängig, erläuterte Corinne Bouvard, die Pressesprecherin der Oberstaatsanwaltschaft. Marchetti hatte die Kulmbacher Spinnerei in Mainleus nach der Insolvenz im Dezember 2011 übernommen, meldete dann aber im September 2012 erneut Insolvenz an - 120 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz.

Holding erstattete Strafanzeige

Bei der Inhaftierung des heute 51-Jährigen geht es offenbar um sein Geschäftsgebaren bei der Industriegruppe Accu Holding AG in der Schweiz, bei der er Mehrheitseigner war. In einer offiziellen Medieninformation zum Halbjahresabschluss 2016 erhoben Verantwortliche der Holding schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Chef. Die Staatsanwaltschaft Zürich habe im April 2016 eine Untersuchung gegen den früheren Verwaltungsratspräsidenten Marchetti eingeleitet, hieß es in der Mitteilung.

Gegen den seit 11. April 2016 in Untersuchungshaft befindlichen Marchetti sei in der Zwischenzeit auch von Seiten der Holding eine Strafanzeige wegen mehrfach ungetreuer Geschäftsbesorgung sowie Urkundenfälschung gestellt worden. Das Management der Holding habe eine Vielzahl von finanziellen Problemfeldern aufgedeckt und bisher unbekannte Verpflichtungen an den Tag gebracht, lauteten die Vorwürfe gegen Marchetti. Das Konkursamt Hochdorf hatte im Februar 2017 über die Holding den Konkurs eröffnet.

Telefonisch niemand erreichbar

Auch über die 1 C Industries Zug AG mit Sitz in Zug in der Schweiz, deren Chef ebenfalls Marchetti war, wurde am 6. Dezember 2016 der Konkurs eröffnet, hieß es in einer Veröffentlichung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Am früheren Firmensitz in der Industriestraße 13c in Zug war telefonisch kein Verantwortlicher mehr erreichbar. "Die 1 C Industries ist nicht mehr bei uns", sagte eine Frau auf telefonische Nachfrage. "Ich habe keine Information, wo die Firma ist", fügte sie hinzu.

Bürgschaft von einer Million Euro

Nun kommt der regionale Aspekt ins Spiel. Marchetti hatte gegenüber den früheren Beschäftigten der Kulmbacher Spinnerei in Mainleus eine Bürgschaftserklärung über rund eine Million Euro geleistet, war dann aber doch nicht bereit, zu zahlen. Etliche ehemalige Beschäftigte hatten mit Hilfe der IG Metall in Münchberg und der DGB-Rechtsschutz GmbH in Bayreuth wegen der verweigerten Lohnzahlung Klagen beim Arbeitsgericht eingereicht. Die Firma, gegen die geklagt wurde, war die 1 C Industries Zug AG, bei der Marchetti Verwaltungsratspräsident war.

30 Beschäftigte klagten

Die Insolvenz verringerte die Chancen auf Rückzahlung der Löhne offenbar massiv. Ingrid Hilgner von der DGB-Rechtsschutz GmbH in Bayreuth sagte auf Anfrage, sie habe die offenen Forderungen der rund 30 früheren Beschäftigten im Zuge des Konkursverfahrens in der Schweiz angemeldet. Marchetti habe die Bürgerschaftserklärung über die 1 C Industries Zug AG abgegeben. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg habe letztendlich in einem Versäumnisurteil entschieden, dass die 1 C Industries zahlen müsse.

Wie hoch die auszuzahlende Quote für die Insolvenzgläubiger sein werde, sei derzeit nicht abzuschätzen. Eine Quote von zehn Prozent der ursprünglichen Forderungen bezeichnete Hilgner als hoch, es könnten auch nur fünf Prozent sein. "Das ist erschreckend wenig", kommentierte die Juristin.

In Hof verurteilt

Marchetti war als Chef der Kulmbacher Spinnerei in Mainleus im März 2016 vom Amtsgericht Hof wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs in 42 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Der Manager musste zudem eine Million Euro in die Insolvenzmasse zahlen, um den erheblichen Schaden wiedergutzumachen, wie Richterin Diana Fritzsche damals formulierte.

Marchetti hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufung könne nicht stattfinden, da Marchetti "derzeit nicht erreichbar" sei, hieß es aus Hofer Justizkreisen.

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