Noch keine Entscheidung über den Fortbestand Frühförderung: Galgenfrist bis zum Jahresende

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Ohne die Therapie der Frühförderung wäre ihr Sohn Lars nicht so fit, ist Kirsten Schneider (links) überzeugt. Einen großen Anteil an der Entwicklung des Jungen mit Down Syndrom hat Pädagogin Sonja Linhardt.Foto: Gunter Becker Foto: red

Noch gibt es keine Entscheidung über den Fortbestand der Frühförderung der Diakonie. Zumindest bis zum Jahresende soll die Einrichtung betrieben werden. Noch suche man nach Lösungswegen, sagt Geschäftsführer Thomas Opitz. Mit Kirsten Schneider hat sich jetzt eine Mutter eines Kinder mit Down-Syndrom zu Wort gemeldet, die vehement den Erhalt der Frühförderung fordert. 

 
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Lars steht vor dem Spiegel und betrachtet sein Konterfei. Zum ersten Mal in seinem jungen Leben erkennt er sein Gesicht im Spiegel. Seine Mutter Kirsten Schneider klatscht vor Begeisterung in die Hände. Wieder hat der zweieinhalbjährige Junge mit Down-Syndrom einen Entwicklungssprung getan. "Ohne die pädagogisches Betreuung und Ergotherapie hier bei der Frühförderung der Diakonie wäre Lars in seiner Entwicklung noch deutlich zurück", ist Kirsten Schneider überzeugt. Diese Einrichtung könne unmöglich geschlossen werden, hofft sie. Im Interesse ihres Sohnes nicht, vieler anderer Kinder und deren Eltern nicht und auch nicht im Interesse der Mitarbeiter.

Großes Netzwerk

"Wir wissen nichts", beschreibt Sonja Linhardt den Informationsstand im Kollegenkreis der Frühfördereinrichtung. Sie und ihre Kollegen wüssten nur das, was sie in der Zeitung lesen. Dass die  Diakonie finanzielle Probleme habe, dass gespart werden müsse und dass die Zukunft der Frühförderung ungewiss sei. "Seit fast 40 Jahren helfen wir Kindern und ihren Eltern. Oft schon direkt nach der  Geburt.  Wir haben in der Zeit viel Vertrauen aufgebaut, verfügen über ein großes Netzwerk, arbeiten mit dem Klinikum, Kinderärzten und dem Verein Bunter Kreis zusammen. Das kann man doch nicht einfach aufgeben", sagt Kirstin Meißner, die Lars seit seinen ersten Lebenswochen ergotherapeutisch betreut.

Im Alter von fünf Wochen wird Lars erstmals in der Frühförderung betreut. "Er profitiert immens von der pädagogischen und ergotherapeutischen Behandlung", sagt seine Mutter. "Ohne die Frühförderung wäre er heute nicht so weit", ist Kirsten Schneider überzeugt. Mit seinen zweieinhalb Jahren kann er schon einmal die Woche eine Minigruppe des Integrativen Kindergartens in der Erlanger Straße besuchen. Im nächsten Jahr wird er täglich in den Kindergarten gehen. Die Entscheidung, Lars anzumelden, hat sie erst nach Rücksprache mit den Mitarbeitern der Frühförderung getroffen. "Wir begleiten die Eltern bei ihrem Tun und ihren Entscheidungen", sagt Sonja Linhardt. Stehen ihnen beratend im Alltag zur Seite und unterstützen sie mit wichtigen Informationen. "In Lauf gibt es eine Infostelle für Eltern mit Kindern, die Downsyndrom haben. Dort erhalte ich wichtige Ratschläge. Ohne den Hinweis durch die Frühförderung auf diese Anlaufstelle hätte ich davon nie erfahren", sagt Kirsten Schneider.

Fähigkeiten verbessern

Lars sitzt im Bällchenbad und reicht Sonja Linhardt bunte Bälle. In der Spielstunde, die Lars einmal die Woche besucht,  arbeitet die Pädagogin im Moment an seinem Sprachverständnis. Spielerisch Schwächen des Jungen erkennen und daran arbeiten, seine sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten zu verbessern, steht auf dem Behandlungsprogramm. Tatsächlich sagt Lars zum ersten Mal bitte, als er Sonja Linhardt einen Ball reicht. Kinder mit Down-Syndrom sind in ihrer Entwicklung verzögert, sagt Ergotherapeutin Kirstin Meißner, die mit Lars das Laufen übt. Sie hält ihn an einem Seil, das sie unter seine Arme gelegt hat. Lars läuft zur Tür, wo ein Spiegel hängt, entdeckt sein Konterfei, lächelt und winkt sich zu. Zum ersten Mal in seinem kurzen Leben erkennt er sich. Damit Lars besser Laufen lernt, werden seine Knöchel von Stützen gehalten. "Wir beobachten die Kinder sehr genau und besprechen dann mit den Kinderärzten, ob und welche Hilfsmittel die Kinder benötigen", erklärt Kirstin Meißner. "Lars ist superfit", freut sich seine Mutter. "Wie kann man nur auf die Idee kommen, diese Einrichtung schließen zu wollen", fragt sie. Die Diakonie sei viel mehr als nur Heilpädagogik. Es müsse deshalb so weitergehen. Unbedingt. Zum Wohle von Lars und all der anderen Kindern.

Voll ausgelastet

Im Moment sind das 300 Kinder, die die Frühfördereinrichtung besuchen, sagt deren Leiter Klaus-Peter Linhardt. "Wir sind voll ausgelastet, weitere Kinder stehen auf der Warteliste", sagt der Sozialpädagoge, der 1984 zur Frühförderung kam und sie seit elf Jahren leitet. Wenn die Einrichtung geschlossen wird, verlieren nicht nur seine 17 Mitarbeiter ihre Stellen, sondern auch rund 20 weitere, die bei medizinischen Kooperationspartnern angestellt sind.  Linhardt hat im Mai eine Liste mit möglichen Einsparmöglichkeiten erstellt. Manche greifen schon, bei anderen dauert die Auswirkung etwas länger.  "Was wir beitragen können zum Erhalt der Frühförderung, werden wir beitragen", sagt  Linhardt. Ob dies genügt? Er weiß es nicht.

Thomas Opitz weiß es auch - noch - nicht. Der Geschäftsführer des Trägers der Frühförderung, dem gemeinützigen Verein Hilfe für das behinderte Kind, betont immerhin, dass diese Einrichtung "extrem wichtig für Bayreuth" sei und man an verschiedenen Lösungen arbeite. An Stellschrauben drehen, nennt das Opitz. Sicher sei bisher nur eines: Dass die Frühförderung bis zum Jahresende bestehen bleibe.

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