Friedlicher Protest gegen Rechts

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Rund 500 Bürger haben am Samstagnachmittag in der Wunsiedeler Innenstadt gegen die rechtsextreme Szene protestiert. Etwa 250 Rechtsextreme waren zu ihren alljährlichen „Heldengedenken“ gekommen. Die Bürgerinitiative „Wunsiedel ist bunt nicht braun“, die Kirchen und Wunsiedeler Stadtratsfraktionen hatten für diesen Tag zum demokratischen Widerstand aufgerufen. Die Veranstaltungen liefen alle friedlich ab.

 
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Unter dem Motto "Wunsiedel ist bunt" zeigten zahlreiche Bürger Flagge gegen Rechts. Bereits um 14 Uhr startete der Protest mit einer Aktion des Arbeitskreises Wunstock und etwa 100 jugendlichen Teilnehmern.

Die Zahl der Rechtsextremisten, die zu ihrem alljährlichen Heldengedenken am Vortag des Volkstrauertags nach Wunsiedel gekommen waren, bezifferte die Polizei auf rund 230, die Rechtsextremen selbst nannten die Zahl 250. Auch bei ihrem Zug kam es zu keinen Zwischenfällen.

Der Sprecher der Bürgerinitiative „Wunsiedel ist bunt nicht braun", Karl Rost, hatte bereits im Vorfeld betont, dass es gerade in Zeiten der Flüchtlingskrise und der wachsenden Gewalt gegen Flüchtlinge besonders wichtig sei, Gesicht zu zeigen gegen Extremismus, Ausländerhass und für Demokratie und Toleranz.

Im vergangenen Jahr hatte Wunsiedel mit einer Gegenaktion zum Neonazi-Aufmarsch für großes Medieninteresse gesorgt. Mehrere Initiativen machten den Aufmarsch der Rechten mit Plakaten, Flyern und Zieleinlaufs-Jubel kurzerhand zum „unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands". Diesen Spieß wollten die Rechten heuer umdrehen. Ein unbekannter Spender hatte sich bereit erklärt, für jeden Gegendemonstranten einen Euro zu spenden – das Geld sollte laut dem Rechtsextremen Matthias Fischer dem Wahlkampf der Rechten in Rheinland-Pfalz zugutekommen.

Mit einem ökumenischen Gottesdienst unter freien Himmel ging der Protest der Wunsiedler gegen Rechts weiter. Viele der Teilnehmer hielten Kerzen in der Hand. Der evangelische Pfarrer Jürgen Schödel sprach davon, damit „Lichter gegen den dunklen Weg“ zu setzen. Um für „Menschlichkeit einzutreten“. Im Moment sei Dunkelheit zu spüren – wegen menschenverachtender Parolen. „Lassen Sie im Engagement  gegen Rechtsextremismus nicht nach", sagte der katholische Pfarrer Günter Vogel.

Danach starteten die Stadtratsmitglieder von Wunsiedel zu einem Umzug auf der sogenannten Todesmarschroute zum Gedenken der NS-Opfer. Hiermit wollten sie „Zivilcourage zeigen“. „Wir stehen hier gegen die Rechten und unter dem Eindruck von Paris", sagte Ulrike Gothe (Grüne) bei der Kundgebung am Busbahnhof. Sie erinnerte daran, dass  rechtsextremer Terror „derzeit in Deutschland jeden Tag“ zu erleben sei.

Rost warnt immer davor, die Neonazis zu verharmlosen. Sie marschierten nur deshalb „brav zu Brahms Requiem", um kein Verbot ihres Umzuges zu riskieren. Tatsächlich dröhnte auch dieses Jahr bei ihrem Heldengedenken wieder das bekannte Requiem aus den Lautsprechern.

Die Rechtsextremen, die sich unter der Flagge der Partei „Der III. Weg“ versammelt hatten, wollten ursprünglich vom Busbahnhof aus starten und durch die Innenstadt ziehen. Das Landratsamt aber hatte ihnen eine Route durch ein abseits gelegenes Wohngebiet zugeteilt. Zudem hat die Behörde verfügt, dass die Rechtsextremen maximal 50 Fackeln und keine Trommeln mitführen dürfen.

Worum es den Rechten wirklich ging, zeigten einige Redebeiträge. So kritisierte der deutschlandweit bekannte Rechtsextreme Thomas „Steiner“ Wulff das Verbot, den Namen des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zu erwähnen. Seit mehr als zwei Jahren darf dieser Name nicht mehr fallen, auch keine ähnlich klingenden Laute. Manchmal riefen die Rechten „yes, yes, yes“, was aber auch verboten ist, denn auch das klingt ähnlich wie der verbotene Name. Wulff kündigte an, weiter vor Gericht gegen das Verbot der Namensnennung zu kämpfen.

Die Stadt Wunsiedel ist deshalb immer wieder Anlaufstelle von rechtsextremen Demonstrationen, weil dort jahrzehntelang das Grab des Hitler-Stellvertreters lag. Seitdem er 1987 gestorben war, entwickelte sich das Grab zu einer Art Wallfahrtsort. Bis zum Sommer 2011. Damals ließ die Familie, die ursprünglich gegen die Exhumierung war, dann doch in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde in Wunsiedel das Grab von Heß auflösen, seine sterblichen Überreste wurden exhumiert und auf offener See bestattet.

Zwar wurden die Märsche der Rechtsextremen als Heß-Gedenkmärsche verboten, was diese aber nicht abhielt, immer wieder nach Wunsiedel zu kommen. Die Rechtsextremen setzten weiter auf die Anziehung der Stadt in der Szene und auf die Provokation, die von den Demonstrationen ausgingen. Und sie veranstalteten seit dem Verbot Schweigemärsche oder stellten ihre Aufmärsche unter ein anderes Motto, meist Heldengedenken.

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