Prozess um versuchte Brandstiftung: Warum mehrere angekokelte Bäume im Wald bei Mistelbach zu einem entlastenden Indiz wurden Freispruch für Baum-Zündler

Von Manfred Scherer
Die Flamme an der Kifernrinde ging von selbst wieder aus. Foto: Scherer Foto: red

Mit dem Feuer spielt man nicht, sagt der Volksmund. Einem jungen Mann hat das Schöffengericht nun nachgewiesen, dass er offenbar genau das gerne tut. Im Prozess gegen ihn werden mehrere angekokelte Kiefern im Wald bei Mistelbach allerdings zu einem entlastenden Indiz.

 
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Wie würde jemand vorgehen, der einen Wald in Brand setzen will? Er würde Reisig sammeln, totes Holz aufschichten und wohl irgendeinen Brandbeschleuniger hinzutun, etwa Benzin, um sicher zu gehen, dass der Wald abbrennt.

Was ein 44-jähriger Hobbyfotograf beim Gassi gehen mit seinem Labrador am 17. Oktober 2017 im Waldgebiet „Heide“ am Ortsrand von Mistelbach entdeckte – war es ein beginnender Waldbrand? „Ich wollte meinen Hund bei einem Fotoshooting fotografieren. Da roch ich den Gestank. An einem Baum oben am Felsen sah ich Rauch. Es brannte an der Hinterseite des Baums. Ich sah eine Flamme.“ Der Zeuge sah noch etwas anderes: Einen jungen Mann im Blaumann, der in der Nähe des Baums stand und sich verdrückte. Wenige Minuten später an einem Parkplatz in der Nähe sah er den jungen Mann wieder: Er saß in einem roten Auto und fuhr davon. Der Zeuge machte ein Foto von dem Auto. Danach ging er mit dem Waldbesitzer hinauf zum Schneiderfelsen, einen etwa fünf Meter hohen, moosbewachsenen Sandsteinblock in einem steilen Waldstück zwischen Mistel, Forkendorfer Straße und Geseeser Weg: Das Feuer an dem Baum war aus.

Über das Foto des roten Autos ermittelte die Polizei einen 23-Jährigen aus einem anderen Ort im Landkreis. Und die Polizei stellte fest, dass es in dem Kiefernwald rund um den Schneiderfelsen mehrere Bäume mit demselben Brandmal gibt: Die Rinde ist angeritzt, das auslaufende Baumharz wurde offenbar jeweils angezündet.

Die angekokelten Bäume vom Schneiderfelsen

Die Staatsanwaltschaft klagte den 23-Jährigen wegen versuchter Brandstiftung an. Das Gesetz sieht für eine solche Straftat eine Mindeststrafe von einem Jahr vor. Im Prozess überließ der Angeklagte seinem Verteidiger Karsten Schieseck das Reden: Der Anwalt begann den Prozess mit einer Erklärung, in der er rügte, dass es überhaupt zu dem Verfahren gekommen sei. Nie und nimmer hätte sein Mandant angeklagt werden dürfen – schon deshalb nicht, weil der Tatbestand nicht verwirklicht sei. Eine Höhle im Schneiderfelsen sei offenbar Treffpunkt Jugendlicher, in der Höhle sei eine Feuerstelle, rund um den Felsen seien mehrere Bäume in ähnlicher Weise „angekokelt“. Offenbar sei das Abbrennen von Baumharz ein üblicher Zeitvertreib, wenn am Felsen Party sei.

Ein Polizist sieht "kindliche Neugier"

Was steckte dahinter? Die Sorge, dass hier ein kleiner Feuerteufel heranwächst und am Schneiderfelsen Zündel-Übungen macht? Immerhin war dem jungen Mann im Ermittlungsverfahren nahegelegt worden, sich im Bezirkskrankenhaus auf seine Zurechnungsfähigkeit untersuchen zu lassen, was sein Verteidiger harsch kritisierte. Ein Polizist, der gegen den jungen Mann ermittelte, sagte aus: „Ich denke, er handelte aus kindlicher Neugier und nicht mit der Absicht den Wald abzufackeln.“ Der Polizist bestätigte auch, dass rund um den Felsen mehrere derartige Brandstellen an Bäumen seien – worauf der Vorsitzende des Schöffengerichts, Torsten Meyer, ein juristisches Zwischenfazit zog: „Unterstellt, der Angeklagte hat schon vorher an anderen Bäumen gekokelt und es hat nie zu einem Waldbrand geführt, dann ist dieses Mal doch ein untauglicher Versuch.“

In dieser Bemerkung des Richters liegt der Kern des Prozesses: Wer einen Baum anzündet, muss es für möglich halten, dass das Feuer eben nicht ausgeht und auf den Wald übergreift. Genau das hielt Staatsanwalt Julius Kolb für erwiesen und beantragte einen Schuldspruch, allerdings wegen eines minder schweren Falles. Verteidiger Schieseck forderte Freispruch.

Gericht sieht keinen Vorsatz

Das Gericht urteilte: In Brand setzen eines einzelnen Baumes sei noch keine Brandstiftung. Jemand, der mehrere Male erfahren hat, dass das Ankokeln von Baumharz nur zu einer Flamme führt, die von selbst ausgeht, könne nicht einmal den bedingten Vorsatz haben einen Waldbrand zu legen. Richter Meyer sagte: „Es ist eher unwahrscheinlich, dass jemand, der einen Wald in Brand setzen will, so handelt.“ Und: „Dieser Freispruch ist kein Freibrief. Wenn sie am Kokeln Spaß haben, machen sie das auf dem Grill und nicht im Wald.“

Richter Meyer machte auch deutlich, dass der junge Mann nun durch den Prozess aktenkundig sei. Als einer, der offenbar gerne mit dem Feuer spielt.

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