Franz-Josef Selig ist Bayreuths neuer Daland

Er hat sie alle durch – die Wiener Staatsoper, Covent Garden in London, die Mailänder Scala, die Opéra de la Bastille und das Théâtre du Châtelet in Paris, die Met in New York und die Oper Chicago, das Théâtre de la Monnaie in Brüssel, die Deutsche Oper Berlin, die Bayerische Staatsoper in München, das Festspielhaus in Salzburg. Nur eine große Bühne fehlt ihm noch in seiner Vita – Bayreuth! Nach einer über zwanzigjährigen Karriere als Sänger debütiert Franz-Josef Selig nun als Daland im „Fliegenden Holländer“.

 
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Späte Erfüllung, ein langgehegter Traum? „Auf alle Fälle“, sagt Selig mit angenehmem, sonorem Bass: „Ich bin seit bald 20 Jahren im Sommer häufig in Salzburg gewesen. Und zwischen Salzburg und Bayreuth gibt es ja bekanntlich kaum Schnittmengen. Da ist man entweder hier oder eben dort.“ Nachdem er aber in den letzten Jahren immer mehr Wagner gesungen hat, sieht es der gebürtige Neuwieder durchaus als Erfüllung an, das nun auch mal am Grünen Hügel tun zu dürfen.

Stipendiat in Bayreuth

Der Ort ist ihm gleichwohl nicht ganz fremd. 1980 war Selig schon einmal zu Gast am Grünen Hügel – als Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes Koblenz. Der schien seinerzeit ein gutes Näschen für die spätere Karriere des jungen Mannes gehabt zu haben, denn zu der Zeit war Selig Kirchenmusiker und „mit damals 24 Jahren das erste Mal überhaupt in einer Oper. Ich hatte bis dahin noch nie eine Oper von innen gesehen, geschweige denn eine Wagneroper gesehen oder gehört.“ Seine Eindrücke? Er war hingerissen von dem König Marke, den Matti Salminen damals gab, hingerissen von der Oper: „Ich war ziemlich positiv geschockt davon, was da so alles ging.“ Insgeheim aber hätte sich der gelernte Kirchenmusiker, wie er heute einräumt, nie träumen lassen, mal außerhalb der Kirche zu singen.

Dabei hat er früh mit dem Singen begonnen. Schon während des Kirchenmusikstudiums an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln war er in Oratorien zu hören, zudem war Selig Gründungsmitglied des Ensembles Cantus Cölln. „Dass daraus mal ein Wagnersänger werden würde, hätte ich mir gleichwohl nie träumen lassen“, sagt Selig lächelnd. Dabei war ihm das schon immer prophezeit worden. Von seinem Gesangslehrer ermuntert, machte Selig ein Gesangsaufbaustudium. Er gab erste Konzerte. Der Intendant des Essener Aalto-Theaters hörte ihn, lud ihn ein zum Vorsingen, wollte ihn engagieren. Selig zweifelte noch immer. Er war mit Leib und Seele Organist, das war sein Leben, das er im Grunde nicht aufgeben wollte: „Kirchenmusik war meine Berufung. Ich musste richtiggehend darauf hingestoßen werden, dass da noch eine Berufung auf mich wartete. Aus heutiger Sicht bin ich dafür denen, die mir diesen Weg aufgezeigt haben, natürlich unendlich dankbar.“

Selig fühlt sich in Bayreuth heimisch

Die Partie des Daland ist für Selig nicht neu. Er hat ihn in Köln und Paris (in der Inszenierung von Willy Decker) gesungen, zudem einmal konzertant. mit der Cappella Coloniensis. Selig: „Das war die erste Gesamteinspielung einer Wagneroper auf historischen Instrumenten.“ Die Bayreuther Inszenierung aber ist seine erste „Holländer“-Neuproduktion, sagt Selig, der sich am Grünen Hügel schnell zu Hause gefühlt hat. Warum? „Im Laufe der Jahre hat man natürlich unglaublich viele Leute kennengelernt – und plötzlich waren viele von denen in Bayreuth. Ein sehr schönes Gefühl, wenn man sich als Neuling gleich heimisch fühlt.“

Einen kennt er schon seit Jahren – Christian Thielemann. Mit ihm hat er in Berlin „Tristan und Isolde“ und in Wien „Parsifal“ gemacht – oder auch Beethovens „Missa Solemnis“ in Dresden aufgeführt. Das Publikum liebt Thielemann, was schätzt der Sänger Selig an ihm? „Das ist einfach ein grandioser Musiker. Schon nach den ersten Sitzproben sind wir Sänger rausgegangen und haben gesagt: ,Wir hören Sachen, die wir im Holländer niemals zuvor gehört haben.‘ Es ist etwas ganz Besonderes, mit ihm zu musizieren – es ist die reine Freude.“ Was ihm besonders gefällt? „Der Holländer ist praktisch schon eine reife Wagnerpartie, der Daland aber ist noch bei Lortzing angesiedelt. Diesen Kontrast so bewusst zu zeigen, das habe ich so noch nicht erlebt.“

Als Sänger freut ihn natürlich auch der Umstand, dass „die Regie von Jan Philipp Gloger sehr musikalisch“ sei – und das Konzept stimmig. Was kommt nach Bayreuth? Der Fasolt im „Rheingold“ an der New Yorker Met, in Toronto König Marke im „Tristan“ von Peter Sellars mit Dirigent Jirí Belohlávek. Und wie erholt er sich von all dem Opernstress? Selig: „Am besten zu Hause, bei der Familie.“ Und indem er sich mal wieder an seine Orgel setzt und Kirchenmusik spielt. Die alte Liebe rostet nicht.

Foto: gdm

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