"Franken-'Tatort' nach Schnabelwaid"

Von Christina Holzinger
Die Bayreuther MedienwissenschaftlerinChristine Hanke analysiert amerikanische und deutsche Krimis. Foto: red Foto: red

Für den neuen Franken-"Tatort" wurden in den vergangenen Wochen in Nürnberg Statisten gesucht. Über 200 Nürnberger sollen neben den Kriminalhauptkommissaren Paula Ringelhahn – dargestellt von Dagmar Manzel – und Felix Voss (Fabian Hinrichs) zu sehen sein. Über die Handlung verrät die Redaktion des Bayerischen Rundfunks noch nichts. Nur eines lässt sie vorab durchblicken: Der neue Franken-"Tatort" spielt wieder in Nürnberg, dem Sitz der fiktiven Mordkommission Franken. Doch warum nicht bei uns in der Region?

 
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Eine, die sich von Berufs wegen mit dem "Tatort" auskennt und gespannt auf den vierten Fall ist, ist die Medienwissenschaftlerin Christine Hanke von der Universität Bayreuth.

Von den Plänen, den "Tatort" wieder in Nürnberg spielen zu lassen, ist sie „nicht hundertprozentig überzeugt“, auch wenn sie die beiden Kriminalhauptkommissare Ringelhahn und Voss sehr mag.

In Bayreuth oder Schnabelwaid

Hankes Meinung nach müsste der nächste Franken-"Tatort" eigentlich in Bayreuth spielen. „Bestenfalls sogar in Schnabelwaid“, sagt sie.

Denn aufgrund der Nähe zur tschechischen und ehemaligen ostdeutschen Grenze würden sich in Oberfranken viele Themen für einen "Tatort" anbieten: Nazi-Aufmärsche in Wunsiedel, Männerbündelei am Stammtisch, Drogenhandel.

 

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Ein "Tatort" in Bayreuth – da ist auch die BR–Redaktion nicht von vornherein abgeneigt. Denn grundsätzlich „kann der Franken-"Tatort" in allen Teilen Frankens spielen“.

Schon aus beruflichen Gründen schaut Hanke im Jahr einige Hundert Filme und Serienfolgen. Am liebsten jedoch Krimis.

Welt in Ordnung

Denn die sind ihrer Meinung nach für den Feierabend ideal: In jedem Krimi gibt es einen Fall, der von Ermittlern gelöst wird. Und nach dem Fall „kann ich beruhigt ins Bett gehen und weiß: Die Welt ist wieder in Ordnung.“

Ganz anders in Hankes Lieblingskrimi Dexter: Denn dort wird man „gezwungen, sich mit einem Serienmörder zu identifizieren“ und mitzufiebern, „ob er nicht erwischt wird.“

Problematische Weise

Dennoch ist die Medienwissenschaftlerin eher krimikritisch. Denn dort werde die Staats- und Ordnungsmacht auf „eine total problematische Weise“ präsentiert: Es werden Wohnungen ohne Durchsuchungsbefehl durchsucht, Türen eingetreten, Menschen gefoltert oder überwacht und Trojaner eingeschleust.

Dennoch seien die Kommissare „immer die Guten“. Denn der Einsatz der Praktiken wird in den Filmen als logisch und rechtmäßig dargestellt, als wären sie „das normalste der Welt“, was dazu führen könne, dass diese „unrechtmäßigen Polizeimethoden“ von der breiten Masse akzeptiert werden.

Lösung aller Probleme liegt im Labor

Folter, Überwachung und Einbruch sind meist Teil der amerikanischen Krimis, wurden aber auch schon im Hamburger "Tatort" mit Till Schweiger praktiziert – „zum Glück mit wenig Erfolg“, sagt Hanke.

Für sie gibt es einen großen Unterschied zwischen amerikanischen und deutschen Krimis: In amerikanischen Filmen wird „die Naturwissenschaft als Lösung aller Probleme“ präsentiert. Es stehen also eher Forensik und Laboruntersuchungen im Fokus, weniger die Ermittlertätigkeit.

Ermittler im Vordergrund

In deutschen Krimis wie dem "Tatort" stehen die Ermittler als Team mit „ihren persönlichen Geschichten und Kabbeleien“ im Vordergrund. Der naturwissenschaftliche Ansatz sei als „Reaktion auf den Angriff auf das World Trade Center“ entstanden.

Die Medien sorgten für Panik – etwas, das sich amerikanische Krimis zur Nutze machen: Denn mit Laboruntersuchungen und Spurensicherung gelingt es den Ermittlern immer, die meist sehr stereotypen Terroristen dingfest zu machen. Deshalb ist es für sie keine Überraschung, dass „diese Art von Krimi in Amerika entstanden ist“.

Mehr Experimente wären schön

Der "Tatort" hingegen versucht, die aktuelle politische Situation in Deutschland zu kommentieren – und das manchmal „auf eine ziemlich direkte Weise“. Dabei funktionieren die einzelnen "Tatort"e wegen ihrer Unterschiedlichkeit: Unterschiedliche Teams in unterschiedlichen Städten, die jeweils unterschiedliche Geschichten erzählen.

Für Hanke ist es ein „gutes Konzept, sich eher auf das Erzählen von Geschichten zu konzentrieren“, auch wenn sie sich mehr Experimente wünscht. Dass der Täter am Ende mal nicht überführt wird. Oder dass der Täter nicht immer der Böse ist.

Übrigens: Jährlich werden zwischen 34 und 39 "Tatort"-Folgen gedreht. Diese kosten zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Euro. Etwa ein Fünftel davon gehen an die 20 Darsteller und etwa 200 Statisten. Von den 17,50 Euro Rundfunkbeitrag gehen monatlich 14 Cent an den "Tatort" und den "Polizeiruf 110".

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