Franken im Großen Krieg

Von Michael Weiser
Überfall auf ein Gasthaus. Stich von Jaques Callot. Foto: red Foto: red

In der Region finden sich keine Denkmäler an große Schlachten des großen Krieges. Im Windschatten der Geschichte stand Oberfranken dennoch nicht: Im Gegenüber von Katholiken und Protestanten, in der Unübersichtlichkeit der Lage, im Leiden der Zivilisten, im Hin und Herr der Truppen steht Oberfranken geradezu beispielhaft für den Dreißigjährigen Krieg. Eine Ausstellung in Tüchersfeld erzählt ab Samstag vom Schrecken jener Zeit.

 
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Glaubt man Maria Anna Junius, Nonne im Bamberger Dominikanerinnenkloster, gingen die bayerischen Truppen, Soldaten des Generals Kratz, in Hollfeld so unauffällig wie gnadenlos vor. Ungefähr 500 „Schwedten“ hätten sie angetroffen, „die noch in der Ruh gelegen und sich gar nicht besorgt haben“. Die katholischen Angreifer machten die Überraschten, wo sie sie fanden, nieder. „In aller Stille“, wie Schwester Junius salopp schreibt, „nur Bysch, Basch“ sei es gegangen.

Spielfeld der Feldherren

Bitsch batsch machte es öfter in den turbulenten Zeiten zwischen 1618 und 1648. Franken wurde, nachdem es in den ersten Kriegsjahren vor allem von Heeresdurchzügen und Einquartierungen geplagt worden war, nach 1631 mehr und mehr Spielfeld der Feldherren. Gustav Adolf von Schweden, von den Protestanten als „Löwe aus Mitternacht“ gefeiert, hatte sich mit der Schlacht bei Breitenfeld den Weg in den Süden des Reichs geebnet. 1632 geriet Bamberg in die Hand der Schweden, doch von Nördlingen rückte der bayerische Generalleutnant Tilly an.

Spätestens der Handstreich von Hollfeld wird den Schweden klargemacht haben, dass die Bayern es ernst meinten. Mit dem Verlust von Bamberg wenige Tage darauf erlitten die Schweden eine erste empfindliche Niederlage, die allerdings kaum etwas entschied. Wenig im Kleinen (in Pegnitz lagen weiterhin schwedische Reiter, die sich beim Drangsalieren der Bauern nicht stören ließen), gar nichts im Großen: Im April 1632 siegten die Schweden in Rain am Lech, überrannten Bayern, wurden ihrerseits geschlagen und so fort. Der Krieg zog sich so lange hin, bis die Kriegsparteien ermatteten. Wegen seiner Verheerungen, des großen Leids auch der Zivilbevölkerung, ging er als der Große Krieg ins deutsche Kollektivgedächtnis ein.

Zeit nehmen

Das Fränkische Schweiz-Museum illustriert den Krieg in Franken und darüber hinaus mit Dokumenten, Grafiken und Objekten, Panorama mehr denn regionalhistorische Graswurzelforschung. Wie schon in den vergangenen Jahren sucht das kleine Museum seine Objekte aus großer Ferne zusammen. Kraus mischt Nahes und Allgemeines und versucht für die beengten Verhältnisse fast zu viel. Einfach zu konsumieren ist die Ausstellung nicht, sie bietet interessante Details für den Besucher, der sich Zeit nimmt. Wie etwa an der Audiostation, für die Rainer Streng und Tengist Kraus Alltagsszenen hörspielartig aufbereitet. haben

Man liest aus Lebensbeschreibungen und kann Flugblätter studieren, strotzend vor Anspielungen, die kaum verstehen kann, wer kein Spezialist ist. Man entziffert Schreiben von Bamberger Amtsleuten in der Fränkischen Schweiz, die einander vor durchziehenden Truppen warnen und staunt ob der Geschwindigkeit der Kuriere. In Statistiken dokumentiert Jens Kraus, der neue Chef des Museums, wie sich Hunger und Pest auswirkten. Manche Dörfer und Weiler müssen nahezu ausgestorben sein. Auf einer Karte kann man studieren, wo in der Gegend sich Scharmützel zutrugen und wo überall Burgen zerstört wurden. Formen für Ofenkacheln zeugen vom Star-Status mancher Akteure wie etwa Friedrich V. von der Pfalz, dem „Winterkönig“.

Parallelen zur Moderne

Historiker betonen, wie viele Parallelen das chaotische, teilprivatisierte Gewaltgeschehen des Dreißigjährigen Krieges zu heutigen Kriegen aufweist. Selbiges gilt für Angewohnheiten. Man sieht einen Schädel, dessen Gebiss das für so viele Soldaten typische „Pfeifenloch“ aufweist: jene Abschleifung der Schneidezähne durch das rauhe Mundstück der Tonpfeife. „Es waren ja die Söldner, die das ,Tabaktrincken’ über Europa verbreiteten“, sagt Kraus. Originale, seltene Waffen kann man bestaunen, von der Muskete bis zum Schwert, aber auch Freizeitgerät der Soldaten: Ein kleiner knöcherner Würfel erinnert daran, womit die Söldner gern die Zeit totschlugen, wenn sich kein Gegner fand.

Dass Soldaten letztlich nicht nur Täter, sondern auch arme Schweine waren, zeigt ein anderer Raum. Eine Amputationssäge, Zangen und Bohrer zum Entfernen von Kugeln gemahnen an den Schrecken nach der Schlacht. Unnötig waren diese Instrumente bei dem Söldner, der in der Schlacht von Wittstock 1636 sein Ende fand: Eine Kugel durchschlug den Kopf glatt. Auch dieser Schädel ist ausgestellt, als gruseliger Zeuge des Krieges, der vor genau 400 Jahren seinen Anfang nahm.


Info: "Söldner, Schrecken, Seuchen. Franken und Böhmen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, ab 24. März im Fränkische-Schweiz-Museum.

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