Forschung: Puzzeln mit Eiweißen

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Sie bastelt an einem "Proteinbaukasten": Professorin Birte Höcker. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Es ist ein bisschen wie Lego spielen, nur im Labor. An der Uni Bayreuth sucht Birte Höcker nach einer Möglichkeit, Antikörper gegen Krankheitserreger herzustellen. Und das billiger als es bisher der Fall war.

 
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Die 43-jährige Professorin Birte Höcker arbeitet seit knapp zwei Jahren an der Universität Bayreuth. Zuvor war  die Mutter von zwei Kindern zehn Jahre lang am Max-Planck-Institut in Tübingen beschäftigt. Nach dem Biologie-Studium in Göttingen, der Promotion in Köln und einem USA-Forschungsaufenthalt kehrte sie nach Deutschland zurück. Höcker ist Spezialistin für Protein-Design und erforscht komplexe Proteinmoleküle und ihre Funktionen. Die zentrale Frage dabei ist: „Wie kann ich Proteine selbst bauen?“

Erreger ausschalten

Denn bei Antikörpern handelt es sich um Proteine, also Eiweiße). Sie arbeiten für das Immunsystem und werden als Reaktion auf Antigene gebildet. Das sind Substanzen, die der Körper als fremd erkennt. Die Antikörper werden in den Zellen von den weißen Blutkörperchen gegen die in den Organismus eingedrungenen Fremdkörper produziert. Sie gehen chemische Verbindungen mit diesen Antigenen ein und können sie im besten Fall unschädlich machen. „Monoklonale Antikörper werden schon seit über vier Jahrzehnten industriell hergestellt“, erklärt die Biochemie-Professorin. In der medizinischen Forschung und Diagnostik werden sie dazu benutzt, Antigene im Körper anzuzeigen. Sie geben zum Beispiel einen Hinweis auf Infektionen, von denen bekannt ist, welche Antigene sie auslösen. Auch bei der Früherkennung von Krebs, der Diagnose von Allergien und in Schwangerschaftstests würden sie zum Einsatz kommen, erläutert Höcker.

Sichere Diagnose

Die bislang bekannten Verfahren zur Produktion von Antikörpern, zum Beispiel mit Mäusen, hätten allerdings noch Schwachstellen: „Sie sind aufwendig und oft nur zu einem Bruchteil effektiv.“ Denn sie binden sich teilweise auch an andere molekulare Strukturen. Damit könne nicht mit Gewissheit das Vorhandensein eines bestimmten Krankheitserregers diagnostiziert werden.

Schlüssel-Schloss-Prinzip

Doch genau das will Birte Höcker mittels ihres „Pre-Art“-Projekts erreichen. Dazu untersucht sie genauestens den Faltungstyp eines Proteins und seine Interaktionen mit anderen Molekülen. Dann versucht sie zu erkennen, welche Aminosäuren im Protein für die Bindung wichtig sind. Bei den verwendeten, nach bestimmten Bausteinen aufgebauten Proteinen ist die Erkennung einer Zweier-Struktur benachbarter Aminosäuren möglich. „Diese können wir wie Legobausteine zu neuen Sequenzen zusammenbauen.“ Das bedeutet: Jedes Modul kann in einem Antigen zwei Aminosäuren erkennen und an sie andocken. Man kann sich das so vorstellen, als ob jedes Modul zwei Schlüssellöcher besitzt, die zu zwei schlüsselartigen Bindungsstellen passen.

Europäisches Forschungsvorhaben

Bei dem Forschungsvorhaben handelt es sich um ein europäisches Projekt. Von der Europäischen Union wird es mit 3,5 Millionen Euro über vier Jahre lang gefördert. Knapp eine Million Euro erhält dabei die Universität Bayreuth und damit die Mitarbeiter von Birte Höcker, Professorin für Biochemie. Weiterhin sind Wissenschaftler aus dem britischen Birmingham und der Universität Zürich in der Schweiz beteiligt.

Proteine aus dem Baukasten

Die Forscher wollen gemeinsam eine Vielzahl von Proteinen herstellen, die an bekannte Antigen-Sequenzen andocken können. Nach diesem Baukastensystem sollen Proteinmodule zu größeren Molekülen zusammengesetzt werden. Jene Moleküle sollen eines Tages die bisher verwendeten monoklonalen Antikörper ersetzen. „Die neuen Proteine werden im Organismus wie treffsichere Sonden agieren und spezielle Antigene zuverlässig anzeigen können“, sagt Höcker optimistisch, in deren fachübergreifenden Team Biochemiker und Informatiker zusammenarbeiten. Zumal es Werkzeuge gebe, mit denen sich die Wissenschaftler selbst überprüfen können. „Mit jedem Zyklus werden wir schneller. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es funktioniert.“

Hintergrund:

Das Forschungsvorhaben wird von der Europäischen Union im Programm „Horizon 2020“ als FET-Projekt finanziert. Die Abkürzung steht für „Future and Emerging Technologies“ (zukünftige und aufstrebende Technologien). Dabei geht es um hochinnovative und technologisch anspruchsvolle Forschungsideen, deren Anwendung in Wirtschaft und Gesellschaft in greifbare Nähe rücken.

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