Forschung: Arbeiten, wenn Strom billig ist

Von Norbert Heimbeck
Im Stromnetz muss zu jedem Zeitpunkt so viel Energie verbraucht wie erzeugt werden. Zwei Professoren der Universität Bayreuth arbeiten in einem Forschungsprojekt mit, das die industriellen Produktionsprozesse entsprechend flexibler machen soll. Foto: Andreas Beil Foto: red

Die Bundesregierung gibt für die Energiewende viel Geld aus. 30 Millionen Euro fließen drei Jahre lang in das Projekt „SynErgie“, in dem auch zwei Professoren aus Bayreuth forschen. Ziel der Arbeit ist es unter anderem, teure Netzschwankungen wie zur partiellen Sonnenfinsternis 2015 zu verhindern.

 
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Im Stromnetz muss zu jedem Zeitpunkt so viel verbraucht wie erzeugt werden. Je mehr Energie aus Sonne und Wind gewonnen wird, desto schwieriger wird dieser Ausgleich. Speichertechnologien werden dazu noch entwickelt, Stromtrassen sind teuer und umstritten, viele Großverbraucher in der Industrie können aber ihren Verbrauch anpassen. Das Projekt „SynErgie“ soll im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung insbesondere die flexible Gestaltung energieintensiver Prozesse erforschen und alle wichtigen Branchen abdecken. „Die Industrie muss lernen, den Strom dann zu nutzen, wenn er vorhanden und kostengünstig ist, und auf ihn zu verzichten, wenn er knapp und teuer ist. Folglich wird im Stromsystem von Morgen nicht mehr wie bisher das Stromangebot der Stromnachfrage folgen können. Vielmehr muss die Nachfrage ans Angebot angepasst werden“, sagt Gilbert Fridgen, Professor für Wirtschaftsinformatik.

Insgesamt 21 Forschungseinrichtungen – wozu die beiden Bayreuther Teams gehören – und 40 Industriepartner werden bei „SynErgie“ zehn Jahre lang zusammenarbeiten. Mit im Boot sitzen zum Beispiel Ingenieure, Volkswirte und Sozialwissenschaftler aus allen Regionen Deutschlands, zählt Fridgen auf. Zu den Industriepartnern gehören besonders energieintensive Unternehmen, Maschinenbauer und IT-Firmen. Fridgens Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT gehört zum Kernteam der beteiligten Forschungseinrichtungen. Von den Fördergeldern fließen jedes Jahr mehrere Hunderttausend Euro nach Bayreuth: „Wir werden wohl vier Mitarbeiter für dieses Projekt einstellen können“, sagt der Professor.

Insgesamt stellt der Bund über zehn Jahre hinweg 100 Millionen Euro für „SynErgie“ in Aussicht, berichtet Fridgen. Seinem Forscherteam kommt dabei die Aufgabe zu, Industrieunternehmen und Stromanbieter informationstechnisch anzubinden. Außerdem wollen die Bayreuther Wirtschaftsinformatiker innovative Produkte im Strommarkt, die in Zukunft automatisiert gehandelt werden, gestalten und bewerten. Eine Aufgabenstellung für Fridgens Team könnte es sein, Lösungen zu entwickeln, wie mit Stromschwankungen etwa aufgrund von Wetterwechseln umgegangen wird: „Wenn Wolken aufziehen, gibt es weniger Solarstrom,“ sagt Fridgen, „und wenn Sturm aufzieht, werden Windkraftanlagen abgeschaltet.“ Die Bayreuther wollen analysieren, wie Unternehmen ihre Maschinen unter solchen Umständen am sinnvollsten einsetzen. Im Fokus stehen vor allem die Großverbraucher: Am Projekt ist eine Aluminiumschmelze beteiligt, die laut Fridgen „so viel Strom braucht wie ganz Berlin. Wenn die ihre Maschinen zur richtigen Zeit an- oder abschalten, können sie das ganze Netz stabilisieren.“ Ein anderer Industriepartner der Forscher ist der Lebensmittelhersteller Dr. Oetker. Am Standort Wittlich werden täglich eine Million Pizzen aufgebacken - und dann tiefgefroren. Wie hier der Energieverbrauch sinnvoll gesteuert werden kann, soll am Ende der Forschungsarbeiten klar sein.

Der zweite Bayreuther Partner des Konsortiums ist Prof. Knut Werner Lange, Direktor der Forschungsstelle für Energierecht. Seine Rolle liegt in der Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen der Flexibilisierung von Industrieprozessen. Soll heißen: Wie müssen Verträge gestaltet werden, die schwankenden Stromlieferungen gerecht werden sollen? Wie eng dürfen auch Konkurrenten aus Sicht des Kartellrechts zusammenarbeiten, um unser Netz stabil zu halten?

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