Der Anwalt hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Moritz lobt die gründliche Prozessführung von Richter Ott. «Wenn man bedenkt, dass die Grundlage der Strafzumessung nicht nur die Schwere der Tat, sondern auch der Grad der persönlichen Schuld des Täters ist, wird einem schnell bewusst, warum ein Schleuserprozess nicht innerhalb kürzester Zeit abschließend korrekt verhandelt werden kann.» Der Verteidiger kritisiert, dass Verfahren gegen Schleuser an manchen Gerichten derzeit «im quasi 15-Minutentakt abgearbeitet werden». Solche Verfahren dokumentierten das Versagen der Justiz, «einen juristischen Mindeststandard auch in einer zugegebenermaßen schwierigen Situation zu wahren», sagt Moritz.
Nur wenige Stunden vor dem Traunsteiner Verfahren steht ein 47-Jähriger vor dem Amtsgericht Rosenheim. Auch in dem Fall lautet die Anklage auf Einschleusen von Ausländern. «Ich habe nicht geglaubt, dass ich im Gefängnis lande, wenn ich jemandem helfe», sagt der Automechaniker aus Rumänien. Im Zug von Wien nach München hätten ihn acht Frauen und Männer aus Pakistan und Indien angesprochen, ob er ihnen Tickets nach München besorgen könne. «Ist es ein Verbrechen, Fahrkarten zu kaufen?», fragt er Richterin Bärbel Höflinger.
In der Verhandlung stellt sich heraus, dass der Angeklagte doch nicht aus reiner Nächstenliebe handelte. Er knöpfte den Flüchtlingen zusammen mehrere hundert Euro für die Tickets ab, kaufte aber wesentlich billigere Sammeltickets. Die Differenz - immerhin 270 Euro - behielt er für sich - der Schleuserlohn. Einem Flüchtling kam die Sache gleich komisch vor. Bei seiner Vernehmung durch die Bundespolizei nach der vorläufigen Festnahme in Rosenheim sagte der Vater von vier Kindern: «Ich glaube, er wollte uns betrügen.»
Verteidiger Hans Sachse meint in seinem Plädoyer: «Den ganz großen Schleuser kann ich hier nicht erkennen.» Das sieht auch die Richterin so. «Sie sind weder Teil eines organisierten Schleuserrings noch haben Sie aus Nächstenliebe gehandelt», sagt Höflinger in ihrer Urteilsbegründung. Das Strafmaß: elf Monate Haft ohne Bewährung, weil der 47-Jährige bereits mehrere Vorstrafen auf dem Kerbholz hat.
dpa