Nach dem abgelehnten Asylgesuch: Flüchtlinge versuchen alles, um trotzdem bleiben zu können Flüchtlinge wollen bleiben

Von Marcel Staudt
Nabizada Mokhtar, Abdul Hadi Popal und Said Moditaba (von links) teilen sich ihr Zimmer mit drei anderen jungen Männern. Foto: Marcel Staudt Foto: red

Auch in der Unterkunft am Kleinen Johannes gibt es Flüchtlinge. Einigen von ihnen wurde das Asylgesuch abgelehnt. Sie wollen aber ihr Recht auf Bleiben einklagen, weil sie gerade dabei sind, sich ein neues Leben aufzubauen. Und weil Afghanistan, wohin sie abgeschoben werden sollen, für manche ein fremdes Land ist.

 
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Nabizada Mokhtar und Said Moditaba waren noch Babys, als sie zum ersten Mal fliehen mussten. Beide kamen in Afghanistan zur Welt, doch ihre Kindheit verbrachten sie bereits in Pakistan. Die Familien bauten sich hier ein neues Leben auf, doch auf dem Papier blieben Mokhtar und Moditaba Afghanen. Verwandtschaft, Freunde, Bekannte – laut eigener Aussage fehlt den beiden in ihrem Geburtsland alles, was es als Heimat auszeichnen könnte. „Ich kenne in Afghanistan niemanden“, sagt Mokhtar. Ihr Zimmerkollege in der Unterkunft, der ebenfalls 20-jährige Abdul Hadi Popal, kann ihnen dafür einiges über Afghanistan erzählen. Er ist dort geboren, aufgewachsen und hat dort bis zur Flucht nach Deutschland gelebt.

Fremd in der Stadt

Aber Kabul? Diese Stadt, die angeblich sicher sein soll, die der Schauplatz für einen Neuanfang der abgeschobenen Afghanen sein soll, kennt auch Popal nur aus Geschichten. „Kabul ist zehn Stunden mit dem Auto von meinem Heimatort entfernt“, sagt Popal, „in dieser Stadt bin ich fremd. Und in mein Heimatdorf kann ich nicht, weil dort immer noch Krieg herrscht.“ Also versucht der Sohn das, was ihm die Familie in Telefongesprächen immer wieder rät: „Versuche alles, um in Deutschland zu bleiben.“ Das versucht Popal. Schon vor etwa einem Jahr kam das Schreiben, das umgangssprachlich als negativer Bescheid bezeichnet wird. Doch Popal legte Klage ein. Seitdem wartet er jeden Tag auf eine Wasserstandsmeldung, doch es tut sich nichts.

So ist die Ungewissheit der ständige Begleiter des Auszubildenden zum Systemgastronom. Vor vier Monaten hat Popal bei einer Schnellimbiss-Filiale begonnen, daneben lernt er in der Berufsschule Deutsch. Popal hat die Karrierepläne eines ehrgeizigen Berufsanfängers. „Vielleicht kann ich die Filiale eines Tages leiten.“ Popal hat die Träume eines jungen Mannes. „Ich möchte eine Familie gründen und in einem eigenen Haus leben.“ Was Popal allerdings nicht hat, ist eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio für 25 Euro. Nein, diesen Betrag überweist er monatlich an einen Anwalt aus Schweinfurt, damit der sich um seinen Fall kümmert, damit der Sohn alles versucht hat, um hier zu bleiben – so hat es Popal seiner Familie versprochen.

Noch ein Negativbescheid

Die Zimmerkollegen Nabizada Mokhtar und Said Moditaba haben ihren Leuten in Pakistan Ähnliches zugesagt. Vor ein paar Monaten bekamen auch sie einen negativen Bescheid. Sie erfuhren, dass sie weg müssen, obwohl sie doch gerade angefangen hatten, in Pegnitz anzukommen. Schönster Platz der Stadt: Wiesweiher. Bestes Essen: Gulaschsuppe. Deutsches Bier: „Naja, das dürfen wir eigentlich nicht trinken“, sagt Moditaba und grinst. Bei der Zeltkirchweih tranken sie trotzdem eine Maß, „das war in Ordnung, weil es ja ein großes Fest war. Es hat uns sehr gut geschmeckt“. Ob Popal, Mokhtar und Moditaba zur nächsten Kerwa noch in Pegnitz sein werden, kann ihnen niemand sagen.

Deutsch lernen in der Berufsschule

Auch Susanne Bauer aus dem Vorstand des Unterstützerkreises nicht. „Wir helfen dabei, dass die Flüchtlinge hier ein möglichst angenehmes Leben haben. Aber klagen müssen sie selbst. Keine Ahnung, wie viele Monate es noch dauern wird, bis sie Bescheid bekommen.“ Also gehen Mokhtar und Moditaba weiter in die Berufsschule, um Deutsch zu lernen und sich zu überlegen, was sie in Zukunft beruflich machen wollen, falls sie bleiben dürfen. Mokhtar hat in Pakistan für acht Jahre als Schuhmacher bei seinem Onkel gearbeitet, was der deutsche Staat aber nicht mit einer Lehre gleichsetzt.

Moditaba hat für drei Monate einen „Trainingskurs“ besucht, laut Zertifikat macht ihn das zum Autolackierer. Doch in Deutschland kann er damit nichts anfangen, „es wird nichts anerkannt“, sagt er. Es ist den beiden aber egal, in welchem Beruf sie in Deutschland arbeiten. Sie wollen einfach ein Leben in Sicherheit führen. „Es ist doch absurd“, sagt Bauer, „auf der einen Seite fehlen uns gerade in den Handwerksberufen junge Leute. Auf der anderen Seite müssen die, die diese Berufe gerne ausüben würden, das Land verlassen. Dabei bringen gerade diese Jungs eine unglaubliche Leistungsbereitschaft mit.“

Raus aus der Unterkunft

Verlassen: Auch Popal, Mokhtar und Moditaba wollen weg. Aber nicht nach Afghanistan, sondern raus aus der Unterkunft am Kleinen Johannes und hinein in eine eigene Wohnung, ein selbstbestimmtes Leben. Momentan leben sie aber gemeinsam in einem Zimmer, sechs junge Erwachsene auf engstem Raum.

Lesen Sie hierzu auch den Artikel Flüchtlingen aus Pegnitz droht Abschiebung.

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