Als Ausnahme wäre der Rocco von Felix Rathgeber zu nennen, der überhaupt die stimmigste Vorstellung abgibt, mit einem schönen, runden Bass. Aber auch er kann eine zentrale Frage im Drama nicht beantworten: Warum ist dieser Gefängniswärter, der bei Frey eigentlich ein Totenfährmann ist, erst Helfer der Diktatur und dann geläuterter Tugendbold? Das aber ist ein Problem des Librettos: Oper halt, viel Gefühl, nicht immer viel Logik. Über Zweifel erhebt sich das von Roland Kluttig herausragend geleitete Orchester. Was in dieser musikalischen Darbietung - übrigens mit der 3. Leonoren-Ouvertüre statt der "Fidelio"-Eingansmusik - an Dynamik drinsteckt, von Leisesten bis zum Forte, was bei der nachsichtigen Begleitung der vertrackten Stellen mit voller Sängerkraft noch an Transparenz bleibt: dem gebührt Beifall.
Jubelchor mit zwei Trauernden
Am Ende stehen gnädiger Minister, geläuterter Wärter und befreite Gefangene im Jubelchor beinander. Nur bei Florestan und Eleonore passen Gesten und Haltung nicht zur Freude. In Freys Lesart hat sich Florestan eine wohl tödliche Wunde in der Brust eingefangen, und da ist keine Waffe mehr, die noch taugt: Er wird sterben, in der Unterwelt bleiben, und Eleonores Befreiungswerk ist gescheitert. Im Augenblick der fürchterlichen Erkenntnis birgt sie den Kopf in ihren Händen. Geht man von der Theorie der Trauerarbeit aus – dass auf die schmerzliche Feststellung des Verlusts irgendwann so etwas wie die Rückkehr ins eigene Leben folgen sollte – hätte Beethoven eigentlich eine Fortsetzung geschrieben haben müssen. In Coburg verlassen wir das Theater ungetröstet: Mancher Schlag ist eben nie zu verschmerzen.
INFO: Nächste Termine in diesem Monat: 12., 16. und 20. Oktober