Festspiele: Kartenhaie im Netz

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Wer Tausende von Euro ausgeben will und sich gerne auf dem Schwarz- oder Graumarkt tummelt, kann mit wenigen Klicks an Festspielkarten gelangen. Zu völlig überteuerten Preisen. Seriös sind diese Praktiken nicht.⋌Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wer bietet mehr? 850 Euro für zwei „Tristan“-Karten im Parkett? Oder doch lieber die Festspielpremiere mit Übernachtung, Frühstück und Richard Wagners „Meistersinger“ für 1890 Euro? Solche Angebote kann man derzeit auf Ticketplattformen im Internet finden. Jedoch: „Man kann davor nur warnen“, sagt Peter Emmerich, Pressesprecher der Bayreuther Festspiele im Gespräch mit dem Kurier.

 
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Das Treiben der Kartenhaie – also derjenigen, die mit dem Weiterverkauf von Festspielkarten den großen Reibach machen wollen – soll schon Wolfgang Wagner zur Weißglut getrieben haben. Erzählt man sich. Inzwischen hat sich der Schwarz- beziehungsweise Graumarkt zu großen Teilen ins Internet verlagert.

Einer, der auf seiner Homepage Festspielkarten inklusive Hotelübernachtungen anbietet, ist Rainer Röhm aus Freiburg. Tatsächlich findet man hier das Angebot zur Festspielpremiere am 25. Juli inklusive Übernachtung und Frühstück für 1890 Euro. Klickt man auf „Anfrage“, so öffnet sich ein Formular zur schriftlichen Bestellung, in dem der Kunde zwischen mehreren Hotels von Bayreuth bis Thurnau wählen kann. Wobei im Falle des Hotels Goldener Anker zusätzlich ein Aufpreis fällig wird.

Wie Rainer Röhm an die begehrten Karten gelangt? Jedenfalls nicht durch die Festspielleitung. In mehr als 30 Jahren habe man ein Netz an Kontakten aufgebaut, sagt Röhm im Gespräch mit dem Kurier. Personen aus Bayreuth aber auch von außerhalb würden die Tickets besorgen. Momentan seien viele davon verkauft, „Tristan“ sei aber noch zu haben, sagt Röhm. Kunden, die sich darauf einlassen, müssen freilich ein Vielfaches des regulären Kartenpreises zahlen.

Adresse in Genf

Beim Stöbern nach Festspielkarten im Netz landet man schnell auf einer Online-Plattform, die neben Operntickets auch Karten für die Spiele des FC Bayern München oder die Tour von Helene Fischer anbietet. Ein Klick aufs Impressum offenbart eine Adresse in Genf. Namentlich gekennzeichnet ist die Seite nicht. Wer sich auf dieser Plattform für Karten interessiert, wird zunächst einmal Zeuge einer ausgeklügelten Dramaturgie. Sogleich wird man angeblich in eine Warteschlange eingereiht. Das dauert ein paar Sekunden. Plötzliche erscheint rötlich unterlegt der Hinweis: „Die Eintrittskarten werden wahrscheinlich schnell ausverkauft sein! Tipp: Nicht warten, bis es zu spät ist! Jetzt kaufen und sich den heutigen Tagespreis sichern.“ Nach einigen Klicks durch das Angebot erscheint plötzlich der verschärfte Hinweis mit Aufforderungscharakter: „In den letzten drei Tagen sind die Preise gestiegen! Tipp: Wir empfehlen Ihnen jetzt zu kaufen. Die Preise könnten weiter steigen.“

Das taten sie allerdings im Beobachtungszeitraum in dieser Woche nicht. Für die zweite „Tristan“-Aufführung wurden für zwei Karten im Parkett konstant 850 Euro aufgerufen – was jedenfalls deutlich über dem regulären Kartenpreis liegt.

Schwarz- oder Graumarkt

Ob man ein solches Geschäftsmodell nun als Schwarz- oder Graumarkt bezeichnen mag – Peter Emmerich stellt zunächst einmal ganz nüchtern fest: Auf diesen Online-Plattformen werden Karten zum Kauf angeboten, die ja erst in diesen Tagen verschickt werden. Oder vor wenigen Tagen rausgegangen sind. Emmerich sagt es so: „Der Handel mit Festspielkarten besitzt keine seriöse Grundlage.“ Was durchaus als eine schöne Umschreibung für dubiose Geschäftspraktiken durchgehen kann.

Was sich seit Wolfgang Wagners Zeiten sonst noch verändert hat? „Es hat sich verlagert“, sagt Emmerich. Im Internet würden sich mehr Anbieter tummeln als das früher der Fall war. Ob diese allerdings ihre teilweise exorbitant hohen Preise auch tatsächlich erlösen, wird sich erst in den Tagen vor den Aufführungen zeigen.

Weitere Termine für Online-Verkauf

Was sich inzwischen auch geändert hat: Alle Vereinbarungen, die es früher zwischen den Festspielen und einigen Reiseveranstaltern gegeben hat, existieren nicht mehr. Da habe man die Rüge des Bundesrechnungshofes sehr ernst genommen.

Für all’ diejenigen, die Festspielkarten für 2017 regulär, also über die Homepage der Bayreuther Festspiele, erwerben wollen, ist der Zug noch nicht ganz abgefahren. In absehbarer Zeit sollen unbezahlte oder in Kommission zurückgenommene Karten erneut online zum Kauf angeboten werden. Der genaue Termin seht noch nicht fest.

Info

Festspielkarten bestellen und dann eine Absage nach der anderen erhalten – das war über Jahrzehnte hinweg die Realität für viele Opernfans, die die Richard Wagner-Festspiele besuchen wollten. Einige Jahre lang wurde gar kommuniziert, dass das Kontingent zehnfach überbucht gewesen sei. Inzwischen will Pressesprecher Peter Emmerich eine vergleichbare Zahl nicht mehr nennen. Zwar könne es nach wie vor sein, dass jemand, der etwa gezielt eine Aufführung in der Premierenwoche oder gar die Festspielpremiere bestellt, bis zu zehn Jahre auf eine Karte warten muss, doch generell hat sich die Wartezeit verringert. Wer beim online-Kartenverkauf im Februar zugreifen wollte, konnte – mit etwas Glück – die Prozedur sogar innerhalb weniger Minuten abwickeln. roko

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