Juana Zimmermann erklärt im Interview, wie man ohne Ahnung viele Follower für ein Wagner-Portal sammelt Festspiele auf Twitter: Wie's zum Schwindel kam

Von Michael Weiser

Auf einmal waren die Bayreuther Festspiele auf Twitter zu finden. Und sammelten Follower. Was die digitalen Gefolgsleute nicht ahnten: Sie waren einem Fake aufgesessen, einem Schwindel, den Betreiber eines Musikblogs ausgeheckt hatten. Unter ihnen Juana Zimmermann. Der "Kurier" sprach mit ihr. Und fragte, wie man dazu kommt, sich für die Bayreuther Festspiele auszugeben.

 
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Für einen Spaß haben Sie sich ja schon ganz schön Arbeit gemacht. Haben Sie sonst noch Hobbys?
Juana Zimmermann: Ja, und nicht nur Hobbys. Wir haben alle auf ganz unterschiedlichen Gebieten zu tun. Ich studiere in Hannover, Musikforschung und Musikvermittlung, Philipp Krechlak ist Trainee für Orchestermanagement, Holger Kurtz macht ein Praktikum bei "Live Kritik".

Ihr Fake hat eine ganz schöne Welle verursacht - waren Sie überrascht?
Zimmermann: Ja, schon ein bisschen. Es war ja gar nichts wirklich geplant. Wir betreiben einen Musik-Blog und sammelten Ideen. Was können wir zu den Bayreuther Festspielen machen? Wir haben erst mal einen Account angelegt. Und dann ein festgestellt, wow, der sammelt Follower. Erst da haben wir gesagt, das nehmen wir ernst, wir versuchen mal, was draus zu machen. Wir hätten auch nicht gedacht, dass es sich so lange trägt. 

Außer dem Spaß für das Team - was war der Zweck der Übung?
Zimmermann: Wir hatten nichts Böses vor, den Festspielen wollten wir auf gar keinen Fall schaden.

Die Infos waren ja auch nicht gerade kritisch...
Zimmermann: Wir wollten nur zeigen, dass große Kulturereignisse auf Twitter gehören. Wir wollten auch zeigen, wie einfach das geht. Wir sind ja gar keine Wagner-Spezialisten. Ich werde zur historischen Musikwissenschaftlerin ausgebildet, aber ich war genau einmal im „Holländer“ – das war’s. Wir waren ja nicht einmal vor Ort. Ist ja auch schwierig, wenn du normal arbeiten musst. Wir hatten keine Ahnung, konnten nicht hinter die Kulissen schauen, und wir hatten keine Fotos.

Wie sind Sie dann an Infos gekommen?
Zimmermann: Wir haben gegoogelt. Einmal ist eine Frage aufgetaucht, ob es in dem und dem Stück eine Pause gibt. Ich habe dann im Büro der Festspiele angerufen, habe die Auskunft eingeholt und dann darauf geantwortet. Schon witzig, dass nicht mal der Medienpartner "BR Klassik" etwas gemerkt hat.

Schön, dass es so viel Urvertrauen gibt

„Rheingold“ und „Holländer“ – das wären die beiden Wagner-Opern ohne Pause.
Zimmermann: Ich wusste das nicht, deswegen dachte ich, ich rufe da mal an. Wir wollten keinen Schaden verursachen, sondern, wenn schon Fragen auftauchen, diese Fragen dann auch ernsthaft beantworten.

Was sagt Ihr ersuch über Leichtgläubigkeit im Internet?
Zimmermann:  Es ist an sich auch schön, dass da so viel Urvertrauen ist. Es gab so viele Wagner-Fans, die haben sich richtig gefreut. Es gab schon Zweifel, dann aber gab es einen Retweed von der Süddeutschen Zeitung, die Komische Oper hat uns dann noch viel Erfolg gewünscht – und auf einmal war das durch. Es war überraschend: "Süddeutsche", "Zeit", "BR" – niemand hat angerufen, auch Orchester sind uns einfach so gefolgt. Es kamen keine Nachfragen. Die Bayreuther Festspiele haben sich auch nicht gemeldet. Ich habe nur gehört, dass die jetzt offenbar einen Anwalt einschalten wollen.

Offenbar will man’s auf sich beruhen lassen. Erleichtert?
Zimmermann: Ah, okay, ein bisschen schon. Auf der anderen Seite haben wir auch nicht so viel befürchtet. Wir wollten ja wirklich niemandem schaden.

Andere machen ohne ihren Anwalt gar nichts...
Zimmermann: Wir haben schon einen Anwalt, der sich mit so etwas auskennt. Auch die AGBs von Twitter hatten wir uns vorher angesehen. Fanzines und Satire sind demnach nicht verboten. Und das sind wir. Als offizielle Seite hatten wir uns ohnehin nicht ausgegeben.

Wir sind echt. Behauptet die Hamburger Staatsoper

Geben Sie doch mal eine Schätzung ab: Wie viele Twitter-Kontos sind echt, wie viele gefälscht?
Zimmermann: Oh, keine Ahnung, das ist schwer zu sagen. Die Hamburger Staatsoper hat nun auch einen Account. Sogar mit dem Hinweis, „wir sind echt“. Das ist eine Anspielung auf uns, und ich finde das eine schöne Reaktion. Das wollten wir ja, dass Leute aus der Kultur feststellen, wir müssen miteinander reden. Auch auf Twitter ist unser Publikum zu finden, wir können uns davon nicht mehr abgrenzen. Also, vorausgesetzt der Account der Hamburger Staatsoper ist echt – dann ist das eine Super Reaktion.

War Ihr Angebot ernst? Das Twittern für die Bayreuther Festspiele zu übernehmen?
Zimmermann: Nein, das werden wir nicht machen. Wir haben alle andere Jobs. Wir würden uns geehrt fühlen, würden denen natürlich helfen, mit einer Einführung zum Beispiel.