Zum Ende der Spielzeit 2014 Festspiel-Bilanz: Die Bühne wackelte

Von Florian Zinnecker
"Auch Zufälle ergeben in ihrer Gesamtheit ein Bild" - eine Szene aus "Der Fliegende Holländer" mit Ricarda Merbeth als Senta. Foto: Bayreuther Festspiele/Nawrath Foto: red

Neue Zuschauer, neue Parkgebühren, alte Probleme: Als gewöhnlich und ein bisschen langweilig war die Festspielzeit 2014 angekündigt. Was dann passierte, war alles andere als durchschnittlich. Bilanz eines Sommers auf dem Hügel.

 
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Heute Abend um 21.10 Uhr enden die Bayreuther Festspiele 2014. Internationale Operngucker formulieren das ein wenig knapper, sie würden sagen: Heute endet Bayreuth. Das sagt man so, obwohl es völliger Blödsinn ist; dass mit der letzten Vorstellung der Festspiele auch gleich die Festspielstadt verklingt, das glaubt nur einer, der auch annimmt, dass manchmal Manchester gegen ganz Bayern Fußball spielt.

In diesem Jahr stimmte das aber noch viel weniger als sonst. Bayreuth und die Festspiele, die gleichzeitig schon immer sehr viel und sehr wenig miteinander zu tun haben, hatten einander dieses Jahr erstaunlich wenig zu sagen, man könnte auch sagen, sie sind einander fremd geworden.

Es könnte auch am vorzeitig ausgebrochenen Herbst liegen, die diesjährige Festspielzeit jedenfalls hat sich aus der Stadt vornehm zurückgehalten. Man konnte an den behängten Fahnenmasten täglich ablesen, dass es noch nicht vorbei ist, aber: So wenig Festspielstadt war Bayreuth lange nicht. Noch drastischer formulierte das ein von weither angereister Festspielgast, der seit Jahren kommt und am Tag zwischen „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ twitterte: Die einzige Attraktion in Bayreuth an einem solchen Tag sei der Stadtfriedhof.

Neben diesen weichen gibt es für die gefühlte Entfremdung aber auch harte Anzeichen: Die Festspielleitung will Sänger künftig noch häufiger auch in anderen Städten für Bayreuth-Engagements vorsingen lassen. Weil Bayreuth manchmal schlecht zu erreichen ist, wie der kaufmännische Direktor Heinz-Dieter Sense am 25. Juli im Interview sagte. Umgekehrt kassierte die Stadt, die seit diesem Jahr nur noch Minderheitsgesellschafter der Festspiele ist, erstmals Parkgebühren auf den Parkplätzen am Festspielhaus – Parkplätze, die ja immer schon der Stadt gehörten, was nie wirklich eine Rolle spielte, jetzt aber schon; und jetzt sieht’s der Stadtrat nicht mehr ein, dass die Festspielgäste dort umsonst parken sollen, zumindest dann, wenn sie nach 14 Uhr kommen.

Denn dass die Festspielgäste kostenlos parken, das kommt zwar außerhalb Bayreuths so nicht vor, war in Bayreuth bisher aber immer so.

Diese Logik, nach der auf dem Grünen Hügel sehr lange sehr vieles funktionierte, soll jetzt also nicht mehr gelten. „Gibt es sonst nirgendwo, wurde hier aber immer schon so gemacht“ – es gibt auf dem Grünen Hügel auch immer wieder Jahre, in denen diese Handhabung das einzige Alleinstellungsmerkmal der Festspiele ist.

Gehört dieses Jahr dazu?

Dazu gleich mehr, erst muss in diesem Zusammenhang eine andere Frage geklärt werden, eine, die wichtiger ist: Parkgebühren, Vorsing-Orte – ist das wirklich, wirklich so wichtig? Sagt das wirklich etwas aus über den Zustand der Festspiele, so viel, wie man meinen könnte, wenn man sich durch ein paar Pausengespräche hindurchgeplaudert hat? Gibt es da nicht Wichtigeres, auch Interessanteres, über das zu diskutieren und sich aufzuregen mehr lohnt?

(Um nur ein paar Namen zu nennen: Siegfried, Wotan, Castorf, Baumgarten, Petrenko, Vogt, Ricarda Merbeth – da wäre dieses Jahr jeder für sich viel mehr als eine ganze Pausenunterhaltung wert).

Die Saison 2014 war angekündigt als eine Spielzeit, die durchschnittlich und darum vielleicht sogar ein bisschen langweilig werden würde. Weil es keine Neuinszenierung gab. Und weil zur Premiere die Bundeskanzlerin nicht kam, das waren die beiden Gründe, die im Zusammenhang dieser Prognose häufig genannt wurden.

Die Saison wurde dann alles andere als durchschnittlich. Rein rechnerisch waren mehr Besucher als sonst zum ersten Mal auf dem Grünen Hügel als sonst, zum ersten Mal blieben gleichzeitig viele Stammgäste – mit lauter Ankündigung – weg. Das Publikum, das da war, äußerte sich begeisterter als gewohnt, zumindest in der Wahrnehmung derer, denen da ein Vergleich möglich ist.

Katharina Wagner machte ihre Pläne für die Festspiele bis 2019 öffentlich, öffentlich sichtbar trat sie nur mit ihrem musikalischen Berater Christian Thielemann auf. Mit ihrer bis zum Ende der nächsten Spielzeit als Co-Festspielleiterin amtierenden Schwester Eva Wagner-Pasquier nicht. Ein Zufall, vermutlich, aber auch Zufälle ergeben in ihrer Gesamtheit ein Bild.

Das einzig durchschnittliche war die Eröffnungspremiere: eine vier Jahre alte, nicht gerade herausragende Produktion, die nach der Saison vom Spielplan verschwindet. Und die schon deshalb nicht funktionierte, weil sie sich die Stärken des Festspielhauses als Konzentrationsmaschine mit enormem akustischen und auch optischen Sog nicht zunutze macht, sondern von vornherein dagegen arbeitet. Mit weggelassenem Vorhang, mit Pausenbespielung, mit Publikum auf der Bühne.

Allerdings: Gerade diese Zuschauer waren von ihrem Ausflug auf den Abenteuerspielplatz so begeistert, dass sie mit Sicherheit wiederkommen – es gibt nichts Schlechtes ohne was Gutes.

Die Premierenaufführung, um die es hier geht, wehrte sich dann aber ganz von allein gegen ihre Durchschnittlichkeit. In der Aufführung, die prinzipiell ohne Vorhang auskommen soll, fiel 20 Minuten nach Beginn der Vorhang.

Was war passiert?

„Die Bühne wackelte!“ (Bild.de)

„Dann knallte es zweimal und es brachen Stöcke aus einem beweglichen Käfig des Bühnenbildes.“ (Deutsche Welle)

„Das Stück brach sich selbst ab. Die Versenkung blieb stecken.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)

„Es gab einen riesen Knall, dann flog ein etwa ein Meter langes Teil über die Bühne.“ (Bild.de)

„Ein Käfig, der den Venusberg darstellen soll, ließ sich nicht hochfahren.“ (Augsburger Allgemeine)

„Die Seilzüge des Bühnenvorhangs sind kaputt und werden repariert.“ (Bild.de)

„Die Seile an dem großen Käfig waren aus der Verankerung gerissen.“ (Deutschlandfunk)

„Ein Käfig ist samt Sängern und Statisten etwa zwei Meter über der Bühne hängengeblieben.“ (Süddeutsche.de)

In manchen Dingen wird Bayreuth immer ein Mysterium bleiben.