Peter Stark dirigiert Mendelssohns 4. „Italienische“ und freut sich auf ein Heiligtum: Warum des den Briten nach Bayreuth zieht Festival Junger Künstler: Das große Finale

Von Wolfgang Karl

Mendelssohn Bartholdys „Hebriden“ und die „Italienische“ Symphonie stehen beim Abschlusskonzert des Festivals junger Künstler am morgigen Donnerstag, 27. August, um 20 Uhr in der Stadthalle auf dem Programm. Mit dem Dirigenten Peter Stark aus London sprach der Kurier über Maestros aus dem Wald und Mendelssohns Internationalität. Zunächst aber hatte Peter Stark eine Frage an den Kurier.

 
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Peter Stark: Aus welchem Blickwinkel berichten Sie?

Wir schauen immer auf das Lokalkolorit. Deswegen auch die erste Frage: Wie verschlägt es den ehemaligen Dirigenten des malaysischen philharmonischen Orchesters nach Bayreuth?
Stark: Ahh, ein guter Punkt. Nach Bayreuth bin ich über Verbindungen zum Jugendorchester der europäischen Union gekommen. Oliver Kipp ist zum Beispiel ein Tutor da, und der ist seit einigen Jahren mit dem Festival junger Künstler in Verbindung. Man dachte eben, dass das Orchester davon profitieren könnte, neben Tutoren auch einen Dirigenten zu haben. Also hat Oliver mich gefragt, ob ich daran interessiert sei. Ich war sehr interessiert: Davon abgesehen, dass ich gern mit jungen Künstlern arbeite, war ich auch noch nie in Bayreuth. Ich wollte sehr gerne nach Bayreuth kommen, schon um den „Wagner-Schrein“ zu sehen.

Haben Sie das Richard-Wagner-Museum schon besucht?
Stark: Das mache ich am Donnerstag. Aber vorgestern war ich im Festspielhaus, in „Siegfried“. Das war ein Lebensziel von mir. Natürlich bin ich hierhergekommen, um zu arbeiten. Aber, um die Wahrheit zu sagen: Natürlich auch wegen Wagner.

Als Sie die Bayreuther Vorwahl sahen: Dachten Sie da ganz kurz, „Oh, die Wagner-Festspiele rufen an“?
Stark: (lacht) Nein, ich bin zur Hintertür hereingekommen.

Man kann nie wissen, was die Zukunft bringt…
Stark: Das stimmt. Meine Karriere bisher ist ja nicht geplant verlaufen, sondern durch Umstände und Unfälle begünstigt.

Violonist und Balletttänzer

Manche der besten Erfindungen beruhen auf Zufall.
Stark: Wir hatten mal eine Konferenz in Österreich. Da kam das Thema auf, wie man es schafft, die Karriere in die gewünschte Richtung zu lenken. Wir waren fünf Leute, die schon arriviert waren in ihrem Job. Als man uns fragtet, wie wir uns unsere Wege ausgesucht haben, antworteten wir alle: „Wir haben uns gar nichts ausgesucht.“

Wie wird man dann Dirigent?
Stark: Ich war Violonist und Balletttänzer…

Balletttänzer?
Stark: Ja, das sieht man jetzt aber nicht mehr so. Aber mit 16 musste ich mich entscheiden: Geige oder Tanz. Also habe ich den Tanz aufgegeben, weil ich auch im Alter noch arbeiten wollte. Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich wohl auch deswegen gerne dirigiere, weil es etwas Tänzerisches hat. Wenn ich im „Siegfried“ sitze, möchte ich mich die ganze Zeit zur Musik bewegen. Als Geiger kann man sich auch bewegen. Dazu kam, dass es in Großbritannien in den Siebzigern keinen Studiengang zum Dirigenten gab.

Woher kamen dann Dirigenten?
Stark: Aus dem Wald (lacht). Zu diesem Zeitpunkt hatte man einen recht klaren Plan vom Leben: Studium, Heirat, Job, Haus, Familie. Ins Ausland zu gehen, war also auch keine Option, schließlich war ich gerade frisch verheiratet und wollte eine Familie gründen. Also habe ich Violine studiert.

Dirigiert haben Sie aber schon nebenbei?
Stark: Ja. Das war quasi ein autodidaktisches Studium. Dazu gab es Kurse, aber keinen offiziellen Studiengang. Dann brauchte ich einen Job und habe zehn Jahre Geige in der National Opera gespielt. Erst mit 32 habe ich dann diesen Job aufgegeben, um Dirigent zu werden. Nach einer Weile habe ich festgestellt, dass mir Jugendorchester etwas Besonderes geben. Ich habe immer noch bei großen Orchestern dirigiert, wie zum Beispiel dem London Symphony Orchestra, aber ich habe immer die Jugendorchester bevorzugt.

Deswegen haben Sie sich für die Lehre entschieden?
Stark: Absolut. Jugendorchester spielen viele Stücke zum ersten Mal. Hier haben wir zum Beispiel ein Orchester mit knapp 60 Mitgliedern. Wie viele von ihnen haben schon Mendelssohns italienische Symphonie gespielt? Wahrscheinlich noch niemand.

Wie kamen Sie auf das Programm für das Bayreuther Konzert?
Stark: Das Programm entstand, wie die meisten Programme entstehen: Es ist ein Ergebnis der Umstände, die man erfüllen soll.

Die Teilnehmer kommen aus vielen verschiedenen Nationen für kurze Zeit zusammen.
Stark: Es ist ein kalkuliertes Risiko. Dabei kannte ich das Orchester überhaupt nicht. Als ich hier angekommen bin, hatte ich keine Ahnung, zu was das Orchester fähig ist. Ich empfinde es als wirklich gut. Es gibt immer ein paar schwache Bereiche, aber im Ganzen ist es sehr gut. Auf einer Skala von eins bis zehn hat dieses Programm eine Schwierigkeit von fünf. Es hat seine Tücken, ist aber nicht unmöglich.

Warum genau dieses Programm?
Stark: Nun, ein weiteres Kriterium ist die Größe des Orchesters. Wir haben die Bläser doppelt besetzt, also ist es nicht sehr groß.

Mendelssohns Stücke spielen mit Emotionen

Beethoven scheidet schon mal aus.
Stark: Genau. Schaut man sich zum Beispiel das Repertoire der Romantiker an, so werden die Orchester zur Spätzeit der Romantik immer größer. Mendelssohn ist ein Frühromantiker, er ist also für die Größe des Orchesters noch sinnvoll spielbar. Wenn wir in die Neuklassiker gehen, so sind die Stücke oft sehr schwierig. Ich habe also nach Werken gesucht, die eine Herausforderung sind, aber spielbar. Es soll Spaß machen, aufregend sein und dem Publikum ein schönes Hörerlebnis bieten. Da kam dann Mendelssohns italienische Symphonie ins Spiel, und sie sollte der Aufhänger für das Programm werden.

Wagner hat Mendelssohn verächtlich gemacht. War Ihnen das bewusst?
Stark: Das direkt wusste ich nicht. Aber einer der Gründe, warum ich Mendelssohn gewählt habe, war schon, dass er ein deutsch-jüdischer Komponist war. Mir erschien das passend in Bayreuth. Die Wahl habe ich aber auch getroffen, weil Mendelssohn eine internationale Note hat. Er hat zum Beispiel Italien geliebt. Er wollte seine italienischen Reiseerlebnisse in Musik gießen. Bei den „Hebriden“ war das auch so: Wir haben zwar denselben Komponisten, aber eine völlig andere Musik. Hier ging es um seine Reise ins Vereinigte Königreich. Für mich als Briten, der nach Deutschland kommt, ist das ein tolles Stück. Beide Stücke stammen von Mendelssohn, beide sind inspiriert von Reisen ins Ausland. Aber sie spielen mit völlig verschiedenen Emotionen. Bei der Italienreise ist alles sehr sonnig und fröhlich. Die „Hebriden“ hingegen sind von Wellen und Wind geprägt, das hört man ebenfalls in der Musik.

Wenn das für Sie kein allzu schweres Programm ist, womit kommen Sie sonst zu einem Jugendorchester?
Stark: Mein erstes Jugendorchester war das der Grafschaft Kent. Die habe ich gleich beim Premierenkonzert Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“, Straussens „Vier letzte Lieder“ und Schostakowitschs fünfte Symphonie spielen lassen.

Wollten Sie ein wenig angeben?
Stark: Nein, ich hatte einfach Vertrauen auf die Qualität der jungen Leute. Erstaunlich, was sie erreichen können.