Bayreuther Wissenschaftler untersuchen die Luftqualität im Fichtelgebirge Feinstaub bremst Erderwärmung

Von Norbert Heimbeck
Der Bayreuther Professor Andreas Held erforscht im Fichtelgebirge, wie sich feinste Teilchen auf die Luftqualität auswirken. Foto: Heimbeck Foto: red

„Es sind eigentlich Abgase, Abgase der Bäume“. Der Bayreuther Chemieprofessor Andreas Held entzaubert mit einem einzigen Satz den typischen Geruch des Waldes nach Nadelbäumen, Pilzen, Moos und nach Humus. Was kleinste Teilchen in der Luft bewirken, erforscht Held im Fichtelgebirge.

 
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Das „Abenteuer Forschung“ wird hier Realität: Auf einer Waldlichtung im Fichtelgebirge, irgendwo am Waldstein, stehen drei Schiffscontainer; einer von ihnen trägt Unterschriften der Wissenschaftler, die an Bord des deutschen Forschungsschiffes Polarstern das Eismeer erforscht haben. Ein Fenster ist mit Alufolie und Klebeband provisorisch abgedichtet, Schraubzwingen halten eine Lattenkonstruktion, an deren Ende ein Messgerät in den Himmel ragt. Ein paar Meter in den Wald hinein, erhebt sich zwischen mächtigen Fichten ein aus dicken Rohren zusammengesetzter Turm – 30 Meter hoch ist er, mehrere Arbeitsplattformen auf unterschiedlichen Höhen sind mit Messgeräten bestückt. Wer ganz hinauf will, sollte schwindelfrei sein.

"Wie eine explodierte Apotheke"

Die Container sind vollgestopft mit Elektronik, darunter einige einzigartige Massenspektrometer. Damit wird die Luftqualität untersucht. Und die ist im Fichtelgebirge ebenso wichtig wie in der Antarktis, erklärt der Bayreuther Wissenschaftler die Herkunft des Polarstern-Containers. Andreas Held erforscht zusammen mit Kollegen aus Leipzig und Mainz im Fichtelgebirge die Entstehung von Aerosolpartikeln und deren Bedeutung für das Klima.

„Einfach erklärt, wollen wir wissen, wie sich Feinstaub auf die Luftqualität auswirkt,“ sagt Held. „Sie können sich die Luft im Wald wie eine explodierte Apotheke vorstellen – man findet alle möglichen Stoffe.“ Diese Stoffe sind Aerosole – feste und flüssige Teilchen, die in der Atmosphäre schweben – und chemische Verbindungen, die den Duft der Bäume verursachen. Mehrere hundert dieser Verbindungen gibt es, „und wir schauen vielleicht zehn davon an. Teilchen beziehungsweise chemische Verbindungen reagieren miteinander, ballen sich zu größeren Teilchen zusammen, streuen das Sonnenlicht und beeinflussen das Klima der Erde.

Vulkanasche bremst Erderwärmung

Als der Vulkan Pinatubo im Jahr 1991 auf den Philippinen ausbrach, kühlte sich die Erdatmosphäre wegen der gigantischen Aschewolken rund um den Globus um ein halbes Grad ab.

„Wir sehen einen Erwärmungstrend der Atmosphäre. Feinstaub wirkt dem entgegen. Wie stark das Klima dadurch abkühlt, können wir allerdings nicht sagen“, berichtet Held. Was ist erträglicher: Schmutzige Luft oder saubere Luft, die sich immer stärker aufheizt? Helds Forschungsarbeit wird einen Teil der Antwort geben können – und möglicherweise dazu führen, dass die bislang angewandten wissenschaftlichen Klimamodelle auf eine neue Grundlage gestellt werden.

Partikel lassen Wolken wachsen

Einen zweiten Effekt haben die feinen Partikelchen in der Luft: Sie sind nötig, damit sich Wolken bilden können. Wolken bringen nicht nur Regen, sondern sie reflektieren auch die Sonnenstrahlung. Das hat wiederum einen kühlenden Effekt. „Das lässt sich nicht in Zahlen umrechnen“, sagt Andreas Held. Er will nun herausfinden, welchen Anteil der Wald an der Partikelproduktion hat. Dazu stellt sein Team Anzahl und Größe der Partikel fest – die gesuchten Teilchen liegen im Mikro- und Nanometerbereich. Auf einem Kubikzentimeter (das ist etwa so groß wie ein Stück Würfelzucker) finden sich zirka 1000 Aerosolpartikel. Chemieprofessor Held scheut sich auch nicht, Kollegen anderer Fachbereiche ins Boot zu holen: „Wir fragen Biologen, warum die Bäume solche Stoffe abgeben. Und Meteorologen erklären uns, wann die Teilchen in die Atmosphäre transportiert werden“.

Umstrittenes Geo-Engineering

Die Messtechnik ist so ausgeklügelt, dass die Wissenschaftler alleine aus der Analyse der Luft um einen Menschen herum sagen könnten, „ob Sie gestern zu viel getrunken haben oder ob Sie Hunger haben,“ schmunzelt Andreas Held. Doch mit der Klimaerwärmung ist nicht zu spaßen. Unter dem Stichwort Geo-Engineering diskutieren Forscher darüber, Feinstaub in die Stratosphäre zu bringen, um die Erderwärmung zu stoppen. Das Thema ist höchst umstritten, „aber man weiß, dass es funktioniert,“ sagt Held.

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