Feinarbeit: Ein Tag mit Hufschmied Max

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Herbert steht elegant auf drei Beinen. Das linke Vorderbein hat er leicht angehoben.  Den Fuß stützt er auf einem Metallgestell ab. Mit einer großen Raspel säbelt Maximilian Popp, tief nach vorne gebeugt, das überstehende Horn ab.Eine typische Haltung. Rückenbeschwerden sind in seinem Beruf normal. Der 25-Jährige ist Hufschmied und das liegt ihm Blut. Denn seit acht Generationen wird das Schmieden in seiner Familie weitervererbt.

 
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„Mein Opa und mein Vater waren schon Schmiede“, sagt Max Popp. „Ich war von klein auf mit dabei.“ Mit dem Großvater stand er als Kind am Amboss und musste die Esse anschüren. Dabei sei es nicht immer leicht , auf „die Alten“ zu hören, sagt Max Popp. Zumal sich die Männer in der Familie  durch eine gewisse Sturheit auszeichnen.

Lehre zum Metallbauer

Als er ins Gymnasium kam, wollte er noch nicht Schmied werden.  „Aber man wächst da einfach so rein.“ Die Schule war bald nicht mehr so interessant wie der Umgang mit den Pferden. Nach der Mittleren Reife fing er eine Ausbildung zum Metallbauer an. Das ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt Hufbeschlagschmied, so die fachlich korrekte Bezeichnung, zu werden (siehe unten).  

Als selbstständiger Hufschmied arbeitet Max Popp 50 bis 60 Stunden die Woche. Im Monat ist er gut 3000 bis 4000 Kilometer unterwegs. „Immer was schaffen müssen, das hat mir mein Vater vererbt“, sagt  er. Als der Vater vor drei Jahren überraschend starb, stand Max plötzlich alleine da und musste alles selbst organisieren. Doch ein Großteil der väterlichen Stammkunden  blieb  ihm erhalten. „Als Selbstständiger lädst du dir ganz schön viel auf“, sagt Max Popp, dem für Büroarbeiten nur das Wochenende bleibt.

Kein Ausschlafen am Samstag

So kommt es, dass Max am Samstagvormittag nicht ausschläft, sondern in Eschen bei Herbert ist. Fast alle der 30 Pferde am Eschenhof sind bei ihm „in Behandlung“.  Dabei zeigt sich: Ein Hufschmied ist nicht einfach nur ein Handwerker. Er ist zugleich eine Art Orthopäde für Pferde, korrigiert Fehlstellungen des Fußes, den Fesselstand und das Gangbild. Alle sechs bis acht Wochen schaut Max bei Herbert und seiner Besitzerin Theresa Uhl vorbei.  „Je nachdem, wie schnell die Hufe wachsen, braucht er neue Eisen“, sagt sie und assistiert Popp beim Beschlagen. Sie vertraut ihm, weil er ein Fachmann ist und gut mit Herbert umgehen kann.

Jeder Schmied hat eine eigene Handschrift

Der Wallach hält geduldig ab, als Max ein Hufeisen an seine Fußsohle  hält und prüft, ob die Größe passt. Der Braune leidet von Geburt an vorne unter zwei unterschiedlich gewinkelten Zehenachsen. „Das kann dazu führen, dass er stolpert oder ungleich geht“, sagt Max und erklärt wortreich, wie ein Hufschmied diese Ungleichheit ausgleichen kann. Durch die jeweils passenden Eisen auf beiden Seiten kann das Abrollen des Hufs unterstützt werden. Max Popp erläutert der Pferdebesitzerin jeden Arbeitsschritt wie ein Arzt, der die Therapie für einen kranken Patienten festlegt. Bevor er das Hufeisen festgenagelt, erhitzt es der Schmied und passt es dem Huf an. Heutzutage geschieht das an einem mobilen Gasofen. Eine Auswahl an Eisen unterschiedlicher Größe, Zangen, Hämmer und Nägel hat er immer dabei.  Das Pferd spürt weder das 800 Grad heiße Eisen noch die Nägel. Weil sie nicht auf den durchbluteten Teil des Hufes treffen. Hier geht es um präzise Feinarbeit. Und jeder Hufschmied besitzt wie ein Schuhmacher seine eigene Handschrift. Daher sagt Max Popp: „Ich kann sofort erkennen, ob ich einen Gaul gemacht habe oder ein anderer Schmied.“

Hufe sind nie gleich

Der 25-Jährige aus der Gemeinde Neudrossenfeld ist nicht nur Sohn eines Hufschmiedes, sondern auch der einer Pferdewirtin.  Der große, blonde, kräftige junge Mann ist mit Pferden aufgewachsen und verfügte bereits vor der beruflichen Weiterbildung  über ein großes Fachwissen. An seiner Tätigkeit fasziniert ihn, dass jeder Auftrag ein wenig anders ist. „Man findet einfach keine zwei gleichen Hufe auf der Welt“, sagt Max Popp und man spürt, wie ihn seine Aufgabe begeistert. Mit Schwung, Ehrgeiz und Ausdauer geht er die Dinge an. Dabei nimmt er sich Zeit für jedes Pferd, das er behandelt. Ist es ein Springpferd? Wird es als Dressurpferd geritten? Zieht es eine Kutsche? Ist es schreckhaft und scheu, schlau und ausgeglichen? „Einfach nur ein Eisen drunter nageln, reicht nicht. Oder es geht einfach nicht lange gut.“

Schneeeinlagen für den Winter

Als vor der Stalltür eine Gruppe von Stuten Richtung Weide trabt, wird Herbert unruhig. Er wirft den Kopf hin und her und fängt an zu scharen. „Hörst du auf!“, ermahnt ihn Theresa Ulig und zieht kurz am Halfter. Denn ihr Pferd ist noch nicht ganz fertig. Herbert soll noch Schneeeinlagen aus Plastik bekommen. Pinkfarbene hat sie für ihn ausgesucht. Im Winter verhindern diese, dass sich Schnee in den Hufen verfängt und das Pferd ausrutscht. Max sagt aber nicht „Pferd“, sondern „Gaul“. Das klingt ein wenig grob, drückt aber auch den Respekt vor den Tieren aus. Obwohl er reiten kann und ein Pferd erbte, überlässt er das lieber seiner Freundin.

Wie lange hält man durch?

Hufschmied ist ein körperlich anstrengender Beruf. „Eine Knochenmühle“, nennt ihn Max Popp. Doch er wüsste nicht, was er sonst oder gar lieber machen wollte. Seinen Berufseinstieg hatte er im Alter von 20 Jahren. 15 bis 20 Jahre könne einer im Schnitt gut in dem Traditionshandwerk aushalten. „Aber dann kommen die ersten körperlichen Beschwerden“, sagt Max Popp nachdenklich. „Mir graut es davor, wenn ich das mal nicht mehr machen kann.“  

Nur wenige Kollegen in Oberfranken

Eine Alternative wäre die Rückkehr in den Metallbau. In seiner neu gebauten Werkstatt in Waldau fertigt der Nachwuchsschmied  in seiner Freizeit Gitter und metallisches Kunsthandwerk. „Das brauche ich für mein Seelenheil.“ Alte Gitter an historischen Garten- und Schlossanlagen zu restaurieren, würde ihn als neue Herausforderung durchaus reizen. Aber noch ist es nicht so weit. Max‘ Auftragsbuch ist voll, schließlich übt er einen sehr alten, aber immer seltener werden Beruf aus. „Ich habe in ganz Oberfranken vielleicht zirka 20 Kollegen“, schätzt er. Vier sind im Landkreis Bayreuth tätig, zwei im Landkreis Kulmbach, zwei im Landkreis Lichtenfels und vier im Landkreis Bamberg.

Eisen kommen heute aus der Fabrik  

Die erste Werkstatt seiner Vorfahren stand in der Rhön. „Auf dem Dachboden habe ich noch ein Lehrbuch aus dem Jahr 1846.“ Alte Hufeisen hängen an den Wänden, vor der alten Esse stehen Ambosse. Zwischen allen möglichen Werkzeugen zur Metallbearbeitung kann er hier auswählen. In vielen, kleinen Kartons lagern die verschiedenen Hufeisen. „Heute sind das Fabrikeisen“, sagt Max Popp. „Ein Hufeisen passgenau aufrichten, das kann zum Glück noch keine Maschine, das wird’s so schnell nicht geben.“

Hintergrund: Der Hufschmied

Nach Angaben der Handwerkskammer für Oberfranken gehört der Beruf des Hufbeschlagschmiedes nicht zu den bei ihr gemeldeten Berufen. Metallbauer hingegen schon, doch der Hufschmied gehört zu den Gesundheitsberufen.

Für die Ausbildung ist eine berufliche Vorbildung als Metallbauer nötig. Dann begleitet ein angehender Hufschmied zwei Jahre lang einen Praktiker und besucht vier Monate lang eine Fachschule.  Danach kann er sich selbstständig machen oder als Angestellter für eine Tierklinik oder ein Gestüt arbeiten.

Einige seltene Berufe sind jedoch bei der HWK für Bayreuth aufgelistet, zum Beispiel ein Buchbinder (16 in Oberfranken), ein Metallblasinstrumentenmacher (2 insgesamt), ein Schneidwerkzeugmechaniker (11), ein Glasveredler (9), ein Orgelbauer (4) sowie zwei Glas- und Porzellanmaler (12).

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