FDP, Grüne: Die neuen Koalitionäre?

Von Andreas Gewinner

Sie sind beide um den dritten Platz bei der Bundestagswahl angetreten, doch es hat nur für den vierten und fünften Platz gereicht. Trotzdem freut man sich bei FDP und Grünen in Kulmbach. Und es steht an diesem Abend schon die Möglichkeit im Raum, dass die beiden höchst ungleichen Parteien gemeinsam regieren.

 
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Bistro Jasmin’s am Sonntagabend kurz vor 18 Uhr. Vor genau vier Jahren hatte die Kulmbacher FDP hier ihre schwärzeste Stunde: Mit 4,8 Prozent aus dem Bundestag rausgeflogen. Stefan Wolf, der Bundestagskandidat, macht einen entspannten Eindruck. Er hatte heute nach eigenen Worten den ersten freien Tag seit vielen Wochen. „Ich habe mir heute Mittag das Frankenderby in Fürth angeschaut“. Nürnberg hat 3:1 gewonnen und Wolf ist Clubfan. Ein gutes Omen.

Jubel bei der FDP

Punkt 18 Uhr die erste Prognose, die FDP liegt bei zehn Prozent, kurzer Jubel brandet auf bei dem kleinen Grüppchen der Liberalen, die es sich in den beiden Sitzgruppen im Bistro bequem gemacht haben. Das Jasmin’s sei eine der wenigen Kneipen in Kulmbach mit großem TV-Bildschirm, deswegen trifft man sich hier, erklärt Bezirksvorsitzender Thomas Nagel.

Die SPD landet bei 21 Prozent, Manuela Schwesig erklärt im ZDF, dass die SPD nun in die Opposition geht. Stefan Wolf ist skeptisch: „Schau mer mal.“ Was hält er von „Jamaika“, einer möglichen Koalition von Union, FDP und Grünen? „Wir kommen aus der ’Apo’ (außerparlamentarische Opposition, eigentlich ein Begriff der Linken aus den 1960er Jahren). Dann gleich in die Regierung, ist ein bisschen schwierig. Den Anspruch haben wir erst mal nicht. Aber wir verschließen uns keinen Gesprächen.“

AfD macht Sorge

Kurz darauf tritt Martin Schulz vor die Kameras. Es wird ruhig im Jasmin’s Von Opposition sagt Schulz nichts. FDP-Kreisvorsitzender Michael Otte ist gedanklich schon weiter: „Grün und Gelb sind die größten Reformtreiber in diesem Land, wenn man die Ideologie beiseitelässt.“ Zu den „Hasstiraden“ der Grünen gegen die FDP sagt Otte: „Die haben nicht verstanden, wer wirklich der Gegner ist.“ Denn was ihn umtreibt, ist das gute Abschneiden der AfD: „Wir haben über zehn Prozent Leute mit NS-Gedankengut im nächsten Bundestag.“ Das sei ein Auftrag an alle Demokraten zur Zusammenarbeit, so Otte.

Die Grünen treffen sich im Patchwork. Kein grünes Stammlokal; dass man sich in einem Restaurant mit veganer Küche treffe, sei Zufall, sagt Bundestagskandidat Markus Tutsch, während sein Veggieburger kalt wird. Er freut sich, „dass wir besser abgeschnitten haben als vor vier Jahren“. Dem Gedanken einer Jamaikakoalition kann er Einiges abgewinnen: „Man muss über das Farbenspiel hinwegspringen, wenn man das Land voranbringen will. Wir haben viele Herausforderungen, die wir gemeinsam stemmen müssen, da sind unterschiedliche Ansichten eher hilfreich.“ Die Jamaikakoalition war unter den Grünenanhängern an diesem Abend aber noch kein Diskussionsthema, „erst mal muss sich der Nebel setzen“, glaubt Tutsch.

Tutsch ist nicht überrascht

Abgeklärt und relativ emotionslos ist seine Haltung zum Abschneiden der AfD: „Ich bin nicht überrascht. Die AfD ist ein Sammelbecken für alle, die mit irgendwas unzufrieden sind; sie bietet keine echten Inhalte, nur Negativpositionen. Wer sich abschottet und isoliert, erlebt irgendwann seinen Niedergang, das lehrt die Geschichte“, ist der Unternehmer überzeugt.

Tutsch hatte an diesem Sonntag erst mal ausgeschlafen, dann hat er mittags bei Kiwanis Pizza verteilt. Lange gefeiert wird an diesem Abend nicht: „Ich muss morgen um 5 Uhr raus.“

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