An diesem Wochenende werden wieder rund 150.000 Rockmusik-Fans bei den großen Zwillingsfestivals "Rock am Ring" und "Rock im Park" zelten, Bier trinken und feiern. Dabei verzichten sie tagelang weitgehend auf die Annehmlichkeiten der Zivilisation wie herkömmliche sanitäre Anlagen oder ein festes Dach über dem Kopf.Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erläutert der Soziologe Ronald Hitzler von der Technischen Universität Dortmund, was die Faszination Festival ausmacht und warum so viele erwachsene Menschen Gefallen daran finden, sich zur Rockmusik im Schlamm zu wälzen. Ein Event wie ein Rock-Festival habe mit dem normalen Leben seiner Besucher in der Regel nur wenig zu tun, erklärt Hitzler: "Das vom normalen Erleben unterschiedene Erleben wird für uns zum Erlebnis."
Neue Art von GemeinschaftDoch nicht nur das. In einer immer individueller werdenden Welt spiele der Gemeinschaftsgedanke eines Festivals eine große Rolle, sagt Hitzler. "Die Menschen sehnen sich nach Gemeinschaft; allerdings nicht nach den Traditionsgemeinschaften mit ihren typischen Verbindlichkeitsansprüchen, sondern nach einer anderen, neuen Art von Gemeinschaft" - mit maximalen Chancen auf Selbstverwirklichung und minimalen Verpflichtungen. Beim gemeinsamen Grillen, Bier holen oder Feiern sei das beispielsweise gegeben.Hitzler nennt diese flüchtigen Formen der Verbindung "situative Event-Vergemeinschaftungen" und beschreibt damit "Spontan-Verbrüderungen in der Dynamik des zusammen Spaß-Habens". Gemeinschaftliche Events wie ein Festival böten die Möglichkeit "sich in einem Kollektiv-Vehikel aus Lebens-Routinen heraustransportieren" zu lassen.Alles als EventIn der postmodernen Gesellschaft hat der Soziologe den klaren Trend zur "Eventisierung" aller möglichen kulturellen Ereignisse von den Wagner-Festspielen in Bayreuth bis hin zum gemeinsamen Fußball-Gucken beim Public Viewing beobachtet. "Das Event-Prinzip wird das Leben in der Gegenwartsgesellschaft künftig noch stärker prägen", prognostiziert er. "Immer mehr Menschen gehen da hin, wo sie vermuten und darauf hoffen können, es sei etwas los."dpa/Foto: pa