Zeugen verstricken sich in Widersprüche Fall Peggy: Staatsanwälte bezweifeln Aussagen der Kinderzeugen

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 Foto: red

Am Donnerstagnachmittag kommen die Zeugen zu Wort, die als Kinder und Jugendliche  Peggy lange nach der von der Polizei ermittelten Zeit des Verschwindens gesehen haben wollen. Vor dem Bayreuther Landgericht blieben sie dabei: Das Mädchen, das sie noch am Nachmittag des 7. Mai 2001 gesehen haben, war Peggy. Doch Staatsanwälte zweifeln weiter erheblich an ihren Aussagen.

 
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Sie waren damals „Kinderzeugen“ – und wurden vom Gericht nicht anerkannt, das Ulvi als Mörder von Peggy zu lebenslanger Haft verurteilte. Sie alle behaupteten – in Variationen – Peggy noch am Nachmittag gesehen zu haben. Die Polizei ging damals davon aus, dass die neunjährige Schülerin zwischen 13.15 und 13.30 Uhr verschwand. Die Aussagen der Kinderzeugen sahen die Ermittler schon bald als widerlegt. Das Mädchen, das sie gesehen haben wollen, hätten sie verwechselt. Für einen eventuellen Freispruch von Ulvi Kulac ist das von Bedeutung: Wäre zu beweisen, dass Peggy später noch im Dorf gesehen wurde, käme er als Mörder nicht mehr in Frage.

Steffen R. war neun Jahre alt, als Peggy verschwand, heute ist er 22 Jahre alt. Obwohl es „sehr sehr lange“ zurückliegt, kann er sich erinnern. Bis heute lebt er in Lichtenberg, beschäftigt sich also zwangsläufig mit dem Fall Peggy. „Ich weiß sicher, dass ich zusammen mit Jörg D. nachmittags beim Fußballspielen war. Dann waren wir beim Bäcker und haben kurz gewartet. Und auf jeden Fall haben wir gesehen, wie sie in ein Auto eingestiegen ist, die Peggy.“ Es sei ein rotes gewesen. Mehr wisse er nicht mehr, auch nicht das Fabrikat. Nur dass es ein ausländisches Kennzeichen gehabt haben könnte. Damals hatte er angegeben, dass es ein Mercedes gewesen sein soll. Ganz sicher ist sich aber: dass es die Peggy war, die eingestiegen ist. „Da bin ich sicher.“ Denn er war mit ihr in einer Klasse, habe sie jeden Tag gesehen, da sei man sich eben sicher. 20 bis 30 Jungen und Mädchen waren damals in der dritten Klasse, aber mit Peggy war er nicht befreundet.

Ob er ein mulmiges Gefühl gehabt habe, als seine Klassenkameradin in ein fremdes Auto einstieg? „Weiß ich nicht.“ Und wann genau soll das gewesen sein? Keine Erinnerung. Nach Peggys Verschwinden hatte er zwischen 14.45 Uhr und 15 Uhr angegeben. Hatte er mit ihr geredet? Keine Erinnerung. Damals hatte er angegeben, Peggy gewarnt zu haben, in das fremde Auto einzusteigen. Hatte Peggy einen Roller dabei? Keine Erinnerung. Damals hatte er den Roller gesehen. 2001 hatte er in einer späteren Vernehmung angegeben, dass er doch kein rotes Auto gesehen habe. Er sei von der Polizei „unter Druck“ gesetzt worden, sagte er vor Gericht. Er habe Angst vor den Polizisten gehabt, deshalb hatte er gesagt, das mit dem roten Auto habe er „in der Schule“ gehört. Außerdem hätten die Polizisten gesagt, sein Freund Jörg hätte bereits zugegeben, dass das rote Auto gelogen worden sei. „Nach Aktenlage ist es anders, als Sie es uns schildern“, sagt Staatsanwältin Sandra Staade. Und sie rät dem Zeugen, sich „ein bisschen zu bemühen“. Die Ausführungen des Zeugen Rosenberger würden „immer kreativer“. Denn im Laufe der Vernehmungen nach Peggys Verschwinden schmückt er die Geschichte mit dem roten Auto immer mehr aus: Mal habe Peggy zu dem Fahrer etwas gesagt, mal war noch ein Mädchen dabei, mal sei Peggy wieder mit dem Auto zurückgekommen. Schon damals vermuteten die Polizisten dahinter eine „Fantasie-Geschichte“. Das einzige, was dem jungen Mann in Erinnerung blieb: Es war die Peggy.

Auch Jörg D., 13.11 1991, ist in Lichtenberg geblieben. Als Peggy verschwand, war er noch neun Jahre alt, auch er ist heute 22. Auch er ein Klassenkamerad der Peggy, auch er bestätigt: „Ich habe nur gesehen, wie die Peggy in ein Auto eingestiegen ist.“ Und er schiebt nach: „Sonst weiß ich überhaupt nichts mehr.“  Nur, dass er „immer ohne Eltern“ befragt worden sei. Staatsanwältin Staade wird laut: An fast nichts erinnere er sich, nur dass er immer ohne Eltern vernommen worden sei. Die Akten sprechen tatsächlich eine andere Sprache. Denn dort wurde er in Anwesenheit seiner Mutter vernommen.

Fazit der Staatsanwältin Staade: Es sei nicht verwunderlich, dass die Ermittler damals die Aussagen von Steffen R. nicht als vertrauenswürdig erachtet hätten. Staatsanwalt Daniel Götz fragte Steffen R.: „Ist es verwunderlich, dass die Beamten Ihnen vorhielten, Ihre Aussagen seien erfunden?“ Angesichts der Widersprüche, die schon 2001 in den Akten standen, sei dies nicht verwunderlich.

Wie er emotional umgeht damit? „Ich find’s halt falsch, wie es mit dem Ulvi gemacht wurde.“ Ich hab sie ja noch gesehen. Und deshalb hoffe ich, dass jetzt Gerechtigkeit durchkommt.

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