Fall Janina: Prozessbeginn

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 Foto: red

Er war allein, andere feierten fröhlich Silvester. Das machte Roland E. (53) so wütend, dass er aus dem Keller seines Hauses in Unterschleichach einen Revolver holte und in Richtung der Feiernden schoss. Dabei traf er die elfjährige Janina am Hinterkopf. Ab Mittwoch steht er wegen Mordes vor dem Landgericht Bamberg.

 
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Das neue Jahr 2016 ist kaum angebrochen, als auf einer Wiese am Ortsrand die elfjährige Janina zusammenbricht. Die Erwachsenen, die mit ihr feiern, wissen nicht, was geschehen ist. Sie sehen nur das Blut. Die Sanitäter versuchen, das Mädchen wiederzubeleben, im Krankenwagen spricht der Notfallseelsorger ein Gebet. Wenige Stunden danach stirbt Janina im Krankenhaus in Schweinfurt. In ihrem Gehirn stecken die Reste eines Geschosses, Kaliber 22, Durchmesser 5,6 Millimeter, das durch den Schädel gedrungen ist und in ihrer Stirn stecken blieb.

Er lügt seinen Sohn an

Am nächsten Morgen geht ein 15-jähriger Junge zu seinem Vater, Roland E., Angestellter in der Justizvollzugsanstalt Ebrach, seit Jahren allein, ein Eigenbrötler, der in einem gepflegten Einfamilienhaus neben der Wiese lebt, auf der Janina in der Nacht feierte. „Papa, hast du das gemacht?“ Er lügt seinen Sohn an, der seit Jahren ein paar Häuser weiter bei seiner Mutter Gabi (52) lebt. „Wenn er es ihm gesagt hätte, hätte ich ihn überreden können, sich zu stellen“, sagte sie dem Nordbayerischen Kurier. Aber er tat es nicht.

Die Polizei befragte in den nächsten Tagen „fast alle“ Unterschleichacher, durchsuchte mehrere Wohnungen, auch die eines 14-Jährigen. Als das Haus seines Nachbarn durchsucht wurde, schaute E. zu. Profiler aus München hatten bereits die Akten und waren im Dorf. Alle hatten ihre Waffen abgegeben, auch E. Beamte fanden in dem 450 Einwohner zählenden Ort rund 60 Kleinkaliberwaffen. Roland E. machte bei seinen Vernehmungen erst nur spärliche Angaben, später aber verstrickte er sich in Widersprüche. Und er hatte bei seinem Alibi gelogen.

„Wir kamen ihm schnell auf die Spur“, sagte Armin Kühnert, der Leiter der Sonderkommission. Am Morgen des 12. Januar wurde E.s Grundstück durchsucht und er wurde verhaftet. Erst dann räumte er die Tat ein.

Er fühlte sich gestört und schoss aus Wut

Er lag allein auf seiner Couch, fühlte sich gestört, ging in seinen Keller, nahm die Waffe heraus, lud sie, ging mit ihr nach oben, ging aus dem Haus, ging um die Ecke, stellte sich auf. Und schoss. „Horizontal mit flachem Winkel", wie ermittelnde Staatsanwalt gesagt hatte. E. schoss aus Wut.
Er war ein kranker Mann, ein schwerkranker sogar. Die Arbeit in der JVA war im schon länger schwergefallen, von Bautätigkeiten war er deswegen längst abgezogen. Er fuhr nur noch Transporte. Die Leitung der JVA Ebrach legt Wert darauf, dass E. weder Waffen trug noch auf dem hauseigenen Schießstand üben durfte.

E., der aus Unterschleichach stammte, dort aufwuchs, Maurer lernte und mit seiner Partnerin ein Haus baute und einen Sohn bekam, hatte sich längst zurückgezogen vom gesellschaftlichen Leben im Ort. Zunehmend vereinsamte er, auch seine Eltern und seine Schwester bekamen ihn nicht mehr oft zu sehen. Ein Bild aus seinen 20ern zeigt einen ganz normalen jungen Mann. „Einen, zu dem die Mädels aufschauten“, sagte eine ehemalige Mitschülerin. Er ging zur Bundeswehr, die Jugend des Dorfes kaufte sich Waffen, schoss bei Vereinen. „Das war damals üblich“, sagte der ehemalige Wirt von Unterschleichach. Deswegen gründete man einen Reservistenverein, die „Wolperdinger“. Aber auch dort sah man ihn lange nicht mehr.

Krank, psychische Probleme

An Silvester schlich er allein durchs Dorf, dort sahen ihn die Unterschleichacher zum letzten Mal, bevor er, wie es der Staatsanwalt sieht, zum Mörder wurde. In seinem Geständnis sagt Roland E. aus, er sei krank und leide unter psychischen Problemen, seit seine Partnerin sich von ihm getrennt habe. Gabi nickt: „Der Bruch kam, als wir uns trennten, das stimmt. Das hat er nicht verkraftet. Er hat wohl immer gehofft, dass wir zurückkommen. Er hing so an seinem Sohn." Die Ermittlungen zogen sich über Monate hin, der Tatort wurde in modernster 3-D-Technik vermessen. Noch nicht einmal eine ganze Seite ist die Anklageschrift lang, der Prozess beginnt an diesem Mittwoch. Das Urteil könnte am 22. Dezember fallen.

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