Unfall lieber virtuell: In der Fahrschule Reißenweber lernen Anfänger an einem Fahr-Simulator Fahrschüler lernen am Simulator

Von Anne Müller und Katharina Wojczenko
Fahrschüler Hanko Wehrkamm steuert durch die Video-Stadt. Fahrlehrer Jürgen Reißenweber schaut ausnahmsweise zu. Sonst sitzt Wehrkamm alleine am Simulator. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Ausprobieren ohne Gefahr. Das machen Simulatoren möglich. In der Fahrschule Reißenweber sammeln Schüler so erste Erfahrungen am Steuer. Unumstritten ist die Methode nicht.

 
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Fuchte Hände, zuckende Füße und Vollbremsungen: Die ersten Fahrstunden bleiben fast jedem im Gedächtnis. Dank digitaler Technik können Fahranfänger Erfahrung am Steuer sammeln, ohne sich auf Bayreuths Straßen wagen zu müssen. Und wenn sie einen Unfall bauen, kommt keiner zu Schaden.

In der Fahrschule von Jürgen Reißenweber schont ein Fahrschul-Simulator die Nerven der Fahrschüler und das Fahrschulauto. Hanko Wehrkamm (39) steuert durch eine virtuelle Stadt, deren Aufmachung an ein frühes Videospiel erinnert. Der Simulator besteht aus einem vereinfachten Auto-Cockpit und drei Monitoren. Auf denen läuft das Lernprogramm mit vier Modulen: Grundfertigkeiten, Abbiegen, Vorfahrtregelungen und Stadtverkehr.

Beim Kuppeln-Lernen virbriert der Sitz

„Hier kann ich so viele Wiederholungen machen, wie ich brauche“, sagt der Bayreuther. „Ich bekomme alle Anweisungen über Kopfhörer, die integrierte Kamera korrigiert bei Bedarf – und sonst schaut mir keiner zu.“ Zu Beginn des Abbiege-Moduls sieht sich Fahranfänger Wehrkamm allein auf der Straße. Mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad kommen Verkehrsteilnehmer dazu: Fußgänger, Radfahrer, Autos und Lastwagen. Auch gefährliche Situationen übt der Schüler später am Simulator.

Dann nimmt ihm schon einmal ein anderer Autofahrer die Vorfahrt. „Wie im normalen Straßenverkehr“, sagt Wehrkamm. „Deshalb finde ich es super, dass ich solche Erfahrungen machen kann, ohne Menschen oder das Fahrschulauto zu gefährden.“ Die ersten Simulator-Fahrstunden hat Wehrkamm damit verbracht, das Anfahren zu üben. Anders als im echten Auto musste er den Schleifpunkt des Autos mit Hilfe eines Balkendiagramms und eines Vibrationsalarms am Sitz finden. Den Motor hat er dabei des Öfteren abgewürgt.

"So sind die Schüler weniger verkrampft"

Fahrlehrer Reißenweber verlangt für die Nutzung des Simulators einmalig eine Pauschale. Er ist mit der Resonanz zufrieden. Auch wenn manche Schüler lieber alle Fahrstunden beim Fahrlehrer nehmen. Er sagt: Wer die Scheu vor der Technik überwunden habe, wolle weiter am Simulator üben. „Die ersten Fahrstunden kosten Schüler und Lehrer ganz viel Geduld und Nerven. So sind die Schüler weniger ängstlich und verkrampft“, sagt Reißenweber.

Peter Hübner, Vorsitzender der Kreisverkehrswacht, findet Simulatoren ebenfalls eine gute Sache. Deshalb hat sich die Kreisverkehrswacht gerade einen Fahrsimulator zugelegt, vor allem, damit Senioren und Rettungskräfte ihre Fähigkeiten am Steuer testen und schulen können. „Unser Simulator kann aber deutlich mehr als ein Fahrschul-Simulator“, sagt Hübner. So können Feuerwehrmänner verschiedene Fahrzeuge steuern – und sehen bei der Analyse aus Helikoptersicht, wie sie sich in der Kreuzung angestellt haben.

Ob der Simulator beim Lernen hilft, ist kaum erforscht

In Fahrschulen könnten Simulatoren helfen, energiesparend fahren und kuppeln zu lernen. Einen Nachteil sieht Hübner: „Man sollte nicht zu lange drin sein, damit man auch die Fehler von anderen im Straßenverkehr direkt mitbekommt. Und der Simulator ist nicht zwingend notwendig, um Fahren zu lernen.“ Ob er dazu sinnvoll ist, dazu gibt es noch keine belastbaren Daten, sagt Ingo Jeray. Der Bayreuther Fahrlehrer ist Regionalvorsitzender Unterfranken/Oberfranken im Bayerischen Fahrlehrerverband.

„Erst seit etwa zwei Jahren gibt es brauch- und bezahlbare Simulatoren für Fahrschulen“, sagt Jeray. Im April sei die bislang einzige Studie über den Einsatz von Fahrschul-Simulatoren erschienen. Laut der Studie des Instituts für Automobilwirtschaft setzen etwa 400 der 11 500 Fahrschulen in Deutschland Simulatoren ein. Sie attestiert den High-Tech-Modellen „hohes pädagogisches Potenzial“, wenngleich sie Fahrlehrer in punkto Empathie und soziale Kontakte nicht ersetzen könnten.

Studie: Kosten für Fahrschule sinken durch Simulator nur minimal

Allerdings sparten Schüler gerade einmal zwei Prozent der üblichen Ausgaben. Ihre Ausbildungsdauer verkürze sich im Schnitt um 21 Tage, die Anzahl realer Fahrstunden um vier. Für Ingo Jeray sind die Ergebnisse aber nicht belastbar, weil zu wenige Menschen über einen zu kurzen Zeitraum befragt worden seien. Und wegen des Auftraggebers: Hinter dem Verein Moving stecke unter anderem ein Simulator-Hersteller.

„Für mich erschließen sich die Vorteile noch nicht“, sagt Jeray. In vielen Fahrschulen sei der Simulator ein Marketing-Instrument, ähnlich wie ein besonders attraktives Auto. Die massiven Schwierigkeiten und Ängste in den ersten Fahrstunden, die der Simulator verhindern könnte, erlebt Jeray nicht: „Fahranfänger beginnen doch in einem Schonraum wie auf einem Parkplatz.“

Virtuelle Brille statt Simulator?

„Ich will Simulatoren aber nicht verteufeln“, sagt Jeray. „Wenn das den Schülern gefällt, wird es sich durchsetzen.“ Viele Fahrlehrer warteten wie er noch ab. Im Kreis Bayreuth nutzen neben Reißenweber nur die Fahrschule Groß in Pegnitz so ein Gerät. Ein Simulator koste etwa 20 000 Euro. Und die Technik entwickle sich rasend schnell. „Vielleicht ersetzen in drei Jahren virtuelle Brillen die Simulatoren“, sagt Jeray.

Fahrlehrer Reißenweber geht davon aus, dass in Zukunft der Simulator einen Teil der Pflichtstunden übernehmen darf. Das Bayreuther Straßennetz müssen die Fahrschüler aber im Fahrschulauto kennenlernen: Der Simulator zeigt die örtlichen Straßen nicht.

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