Facebook muss Hetz-Beiträge nicht löschen

Anas M. (l) am 06.02.2017 im Landgericht Würzburg neben seinem Rechtsanwalt Chan-jo Jun. Der syrische Flüchtling Anas M. hat eine einstweilige Verfügung gegen das soziale Netzwerk Facebook beantragt, weil ein Selfie, das er mit Angela Merkel gemacht hatte, mehrfach neben Fahndungsfotos von Terroristen montiert wurde. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa Foto: red

Facebook muss verleumderische Beiträge über den syrischen Flüchtling Anas Modamani auch in Zukunft nicht von sich aus finden und löschen. Das hat die Erste Zivilkammer des Landgerichts Würzburg am Dienstag entschieden. Damit verwarfen die Richter den Antrag des Mannes auf eine einstweilige Verfügung gegen den US-Konzern.

 
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Der Syrer wird in dem sozialen Netzwerk seit Monaten immer wieder verleumdet, indem ihm etwa die Beteiligung an Terroranschlägen und Straftaten unterstellt wird. Dabei wird immer ein Foto verwendet, das Modamani dabei zeigt, wie er ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht.

Der Vorsitzende Richter der Ersten Zivilkammer, Volkmar Seipel, sagte, alleine die Frage, ob das Landgericht Würzburg für solch ein Verfahren überhaupt zuständig ist, sei schwierig zu beantworten. In einer kurzen Urteilsbegründung sagte er, die Kammer sei der Auffassung, dass das soziale Netzwerk „weder Täter noch Teilnehmer“ der Verleumdung sei. Damit liege rechtlich gesehen weder ein Behaupten noch ein Verbreiten vor. Das soziale Netzwerk habe sich die verleumderischen Beiträge auch nicht „zu eigen“ gemacht; eine Veränderung der Inhalte sei ebenfalls nicht vorgenommen worden. Es blieben somit reine Nutzer-Inhalte.

Modamanis Anwalt Chan-jo Jun sagte, das Gericht habe sich mit seiner Entscheidung „in den Grenzen des Rechts“ bewegt, das älter ist als das soziale Netzwerk. Die Gesellschaft, die Politik, müsse nun entscheiden, ob sie weiterhin hinnimmt, dass Facebook „machen kann, was es will“, sagte Jun: „Wenn nicht, dann brauchen wir neue Gesetze.“ In diesem Eilverfahren habe man lernen können, „wie unsere antiken Gesetze auf moderne Sachverhalte reagieren“. So sei zum Beispiel die E-Commerce-Richtlinie der EU älter als Facebook selbst. Jun kündigte außerdem an, Modamani in einem Hauptsacheverfahren nicht weiter zu vertreten.

Der 19-Jährige syrische Flüchtling muss nach dem Urteil des Landgerichts Würzburg weiterhin selbst verleumderische Beiträge gegen ihn suchen und sie Facebook melden.

Zum Hauptsacheverfahren kommt es wohl nicht mehr

Die Klärung, ob dem weltgrößten Online-Netzwerk bei einer schweren Verletzung der Persönlichkeitsrechte ein erhöhter Suchaufwand zugemutet werden könne, sprenge „eindeutig den Rahmen eines Verfügungsverfahrens“. Das würde deshalb in einem Hauptsacheverfahren durch Gutachten geklärt werden müssen, so der Richter.

Doch der Anwalt, der Würzburger IT-Jurist Chan-jo Jun, wird sein Mandat in der Sache abgeben. Das habe er mit seiner Familie gemeinsam entschieden. Unbekannte hätten ihm Gewalt angedroht, wenn er nicht sofort das Vorgehen gegen Facebook beende, erklärte der Anwalt noch vor dem Verfahren.

Fotomontagen mit dem Merkel-Selfie stellten den jungen Syrer fälschlicherweise als Terrorist und Attentäter dar. Sie brachten ihn mit dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt und die Attacke auf einen Obdachlosen in München in Verbindung. Der Flüchtling forderte deshalb von Facebook nicht nur den Originalbeitrag, sondern auch alle Duplikate zu löschen. Weil der Konzern das nicht gänzlich tat, klagte der Flüchtling auf Unterlassung.

Facebook betonte in einer ersten Reaktion, man habe schnell den Zugang zu allen korrekt gemeldeten Inhalten blockiert und werde dies auch weiterhin tun. Das Unternehmen verstehe zugleich, dass es für den Flüchtling „eine schwierige Situation“ sei.

epd/dpa

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