Europe: Mehr als ein One-Hit-Wonder

Von Susanne Will

Feuerzeuge waren mal. Wer heutzutage Stimmung spiegeln will, der hält sein Handy in die Höhe, beim Weißbierfest wahlweise auch ein leeres Weizenglas. Mit Handydisplays und Weizengläsern zeigt das Publikum von Saga und Europe: uns taugt's.

 
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Michael Sadler hat sich der Realität angepasst. Der 61-Jährige Frontmann von Saga trägt Glatze. Viele im Publikum halten an der dünnen Matte fest – und an ihrer Liebe zur Band. Die wird am Samstag nicht enttäuscht. „Wind him up“, „On the Loose“, „Don’t be late“.

Spielwitz contra Machismus

Die musikalischen Markierungen, anhand derer sich auch ein Lebenszeitstrahl basteln lässt, kommen in schöner Regelmäßigkeit, durchbrochen von den neuen, kantigeren Songs von Saga. Doch auch bei denen ist es der viel zitierte Saga-Synthesizer-Soundteppich, den die fünf exakt arbeitenden Männer auch heute nicht gegen den Strich bürsten. Die Fasern des Saga-Sounds sind noch immer farbenfroh und motivreich. Und selbst der Schlagzeuger zeigt im Solo Spiel-Witz, der in diesem Genre gerne dem Machismus weichen muss.

Charme-Offensive

Das Publikum dankt’s. Mit Charme-Offensive und reduzierten Gesten hat Michael Sadler die Prog-Rocker in der basswummernden Brauereihalle fest im Griff. Mikrofonständer-Mätzchen braucht dieser trainierte Mann mit der noch immer glasklaren und außergewöhnlichen Stimme nicht. 2001 war für ihn ein Wendepunkt, nach jahrelangem Suff fiel er fast ins Koma. Klinik, clean, Kind – dann zog es ihn zurück auf die Bühne. Das Bayreuther Konzert wird fortgesetzt, kündigt er an. Displays leuchten.

Blondinen-Ballade

Als in der zweiten Hälfte im hinteren Teil der Halle Ohropax reingefummelt wird, liegt das nicht an der Qualität von „Europe“. Es wird lauter, härter, schneller –und einige Zuhörer werden nicht jünger. Auf ihrem Zeitstrahl liegen „The final countdown“, weiße Tennissocken, Schulterpolster und die Blondinen-Ballade „Carrie“.

Klar und erdig

Doch die Fünf können mehr und sind für viele mehr als ein one-hit-wonder. Der Sound ist klar, erdig, gerade, oder wie es ein Fan ausdrückte: „Saga ist anstrengender.“ Ohne Anstrengung erinnert Europe an Led Zeppelin und Sänger Joey Tempest nicht mehr an Frisuren-Vorschläge aus der „Brigitte“ von 1985. Tempest war damals glühender Robert Plant-Fan und trug deshalb eine bemerkenswerte Dauerwelle.

Metal-Gabel und Erinnerung

Diese Reminiszens an die Vergangenheit blitzt ab und an im weiblichen Teil des Publikums auf. Vor allem weiter hinten. Während vorne im Gedränge die Metal-Gabel gereckt wird, warten sie am Ende der Halle auf den letzten Countdown. Der kommt so sicher wie die Rockerposen von Joey Tempest im schwarzen Nieten-Leder. Und dann kommt die Erinnerung: Wie war das damals in den Achzigern?

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