Blaue Flecke auf der Seele
Um solche Situationen zu erkennen, wurde er psychologisch geschult. „Die Ausbildung ist nicht ohne, sie dauert 120 Stunden, es ist viel Psychologie dabei.“ Dieses Wissen gibt er weiter an die, die im Einsatz zusammenbrechen. „Ich kann den Kollegen beispielsweise erklären, dass körperliche Reaktionen nach einem grausamen Einsatz vollkommen normal sind: die Schlaflosigkeit, die Flashbacks. Und ich kann die Angst vor diesen Reaktionen nehmen.Sie sind wie blaue Flecken auf der Seele – und sie werden vergehen.“
"Ich habe meine Grenze erreicht"
An seine blauen Flecken erinnert er sich natürlich auch. 2006 hatte der damals 36 Jahre alte Jochen S. eine Frau (39) morgens an einer Ampel in Bayreuth in ihrem Auto überfallen, sie gezwungen, Geld abzuheben. Dann hatte er sie vergewaltigt und mit Messerstichen und Schlägen auf den Kopf umgebracht. „Wir von der PSNV kümmerten uns um die Kinder der Toten. Und müssen dennoch Abstand wahren. Das ist mir bei der einen Tochter nicht gelungen – und da habe ich meine eigene Grenze erreicht.“ Um damit umzugehen, hilft ihm und seinen Kollegen die regelmäßige Supervision. Und auch die Tatsache, dass sie meist zu zweit im Einsatz sind. „Schon die Rückfahrt nutzen wir, um den Fall zu besprechen“, so erzählt er zuhause seiner Frau zwar im Groben, was passiert ist, aber er braucht nicht ins Detail zu gehen, um sich etwas von der Seele zu reden.
Menschen aufrichten
Der Einsatz, der ihn am meisten ängstigt, ist glücklicherweise noch nicht vorgekommen. „Schlimm wäre, wenn ich zu einem plötzlichen Kindstod gerufen werden würde“, sagt er. „Davor habe ich Angst.“ Dann weiß er nicht, ob es ihm gelingen würde, was ihn antreibt: „Menschen in Krisensituationen wirklich zu helfen. Es ist etwas anderes, ob du ein Pflaster aufklebst oder Menschen, deren Welt zusammengebrochen ist, wieder aufrichtest.“
Keinen Lohn, kaum Dank
Einen Lohn erhalten die Männer von der PSNV nicht. Auch keinen Sprit für die Fahrten mit dem Privat-Auto zu den Einsatzorten. Zu selten auch ein Dankeschön nach den Einsätzen. Das wäre toll, das gibt er zu. „Aber immer, wenn wir gehen, haben die Menschen zu große Probleme, als dass sie uns danken könnten. Es ist ein wenig frustrierend." Jedoch: „ Wenn dann mal ein Dankesschreiben kommt, ist das wie Weihnachten oder Ostern zusammen“, und es ist fast genauso selten. „Das bekommen wir so gut wie nie.“
Info:
Am Donnerstag, 21. April, feiert das Team um 19 Uhr im Rot-Kreuz-Haus seine ersten zehn Jahre PSVN. Gerhard Eck, Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, wird als Ehrengast die Arbeit der Organisation würdigen. Wenn Sie die Organisation mit Spenden unterstützen möchten: IBAN: DE28 7735 0110 0009 0194 07, Verwendungszweck: PSNV