Engin Gülyaprak: Der Gast-Arbeiter

Von Martina Bay
Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein Gastronom muss immer in seinem Lokal sein. Sozialleben? Freundeskreis? Eher schwierig. Bei Ponte-Chef Engin Gülyaprak hat sich schon früh abgezeichnet, dass er einmal in der Gastronomie landen wird. Mit dem Kurier sprach der 52-Jährige über seine Krankheit und darüber, warum er sich schon öfters eine blutige Nase geholt hat.

 
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Wenn Engin Gülyaprak seinen Gesprächspartner überzeugen will, dann zwinkert er mit dem rechten Auge. Das macht er öfters. Es hat etwas Verschwörerisches, so nach dem Motto: „Das erzähl ich nur dir.“ In seinem Lokal Engin´s Ponte kann Gülyaprak das Zwinkern weglassen. Seit 19 Jahren überzeugen dort Essen, Getränke und Service die Gäste.

"Mit dem Schnuffel könnten wir doch mal einen Kaffe trinken gehen"

Und ein Gastronom muss immer vor Ort sein. Sozialleben? Freundeskreis? „Das ist selten in der Gastronomie“, sagt er. Man müsse das Lokal zu seiner Heimat machen. Wie praktisch, dass er seine Lebensgefährtin in seinem Restaurant kennengelernt hat. Damals kam sie mit ihrer dreijährigen Tochter vorbei. Das Mädchen sah Gülyaprak und nannte ihn Schnuffel. Nach einer Weile meinte sie zu ihrer Mutter: „Mit dem Schnuffel könnten wir doch mal einen Kaffee trinken gehen.“ Schnuffel und die Mutter gingen dann alleine einen Kaffee trinken, sie sind mittlerweile seit 14 Jahren zusammen. Die gemeinsame Tochter ist sieben Jahre alt.

Wer mit einem Gastronom zusammen ist, muss auch die Arbeitszeiten in Kauf nehmen. Da wird am Wochenende gearbeitet, an Weihnachten und an Silvester. Jedes Jahr. 14 Stunden am Tag. Wenn die anderen von der Arbeit kommen, steht Gülyaprak im Lokal. Und einfach mal am Wochenende auf der Couch liegen und fernzusehen ist einfach nicht drin. "Sendungen wie 'Deutschland sucht den Superstar' habe ich gar nicht gekannt.“ Man könne auch auf lange Sicht nichts planen.

Betriebswirtschaftliches Denken nicht von Anfang an

Der Weg in die Gastronomie hat sich für den gebürtigen Türken schon in jungen Jahren abgezeichnet. „Mit zwölf Jahren habe ich auf der Kirchweih mitgeholfen“, sagt er. Neben der Berufsaufbauschule und der Fachoberschule in Bayreuth habe er immer nebenbei in der Gastronomie gearbeitet. Sein erster eigener Laden war Anfang der Achtzigerjahre die Disko „Crazy Elefant“. „Da habe ich mich neben der Arbeit selbst noch ins Nachtleben gestürzt.“ Aber auf Dauer gehe das nicht.

Einfach war der Wechsel in die Gastronomie nicht. „Man braucht ein bisschen betriebswirtschaftliches Denken“, sagt er. Und das hatte er zu Beginn eben nicht. „Ich habe mir viele blutige Nasen geholt“, sagt er. Wenn er zum Beispiel teure Lammkoteletts einkaufte und das Doppelte dafür verlangte, hieß es: „Sag mal, spinnst du?“ Oder er stellte als Vorspeise Kalbsschnitzel mit Parmaschinken auf die Weihnachtskarte. „Bei der Konkurrenz in der Region kann ich für die Vorspeise keine 18 Euro verlangen. Da habe ich echt Geld verloren“, sagt er.

"Als Gastronom bist du vom Gast gekauft"

Geld verlor Gülyaprak auch, als ein ehemaliger Mitarbeiter im vergangenen Jahr den Restaurant-Tresor stahl, in dem sich 4000 Euro befanden. Die Polizei fischte damals den aufgebrochenen Tresor aus dem Röhrensee. „Die Kameraaufzeichnungen im Lokal haben uns geholfen“, sagt er. 2000 Euro habe er wiederbekommen. Aber der Schaden sei mit insgeamt 10.000 Euro doch recht hoch gewesen. Denn er habe alle Schlösser und Türen austauschen müssen. Gülyaprak hat sich nach dem Vorfall einen Tresor angelegt, in dem seine Mitarbeiter nur noch Umschläge einschmeißen können und für den nicht jeder einen Schlüssel besitzt.

Spucktüte am Hintereingang bereitgehalten

Nicht das Geld, aber die Gesundheit hat Gülyaprak schon öfter aus dem Alltag gerissen. Er hatte Hodenkrebs und Hautkrebs, musste sich einer Chemotherapie unterziehen. Sich zu Hause auszuruhen kam für den 52-Jährigen jedoch nicht in Frage. „Als Gastronom bist du vom Gast gekauft.“ Oft sei ihm nach der Chemotherapie schlecht gewesen, aber er sei trotzdem ins Lokal gekommen. Seine Mitarbeiterinnen warteten schon mit der Spucktüte am Hintereingang auf ihn. „Niemand hat etwas mitbekommen, ich habe trotzdem weitergemacht“, sagt er. Da klingt auch ein wenig Stolz mit, denn Rumjammern ist nicht seins. Gülyaprak will die Gäste weiterhin überzeugen. Und das jeden Tag.

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Engins Top 3

Cappuccino, 3,10 Euro

Ponte-Salat: 9,60 Euro

Pizza Diavola: 9,20 Euro

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